Wien: „Rigoletto“

Wiener Volksoper, 8.6.2021

Wiederaufnahme der Produktion aus 2009

Wer ein gelungenes Beispiel einer Regiearbeit, die einen Opernstoff in die nicht ganz so ferne Vergangenheit transponiert, sehen möchte, dazu solide bis hervorragende Sänger, dem sei ein Besuch des „Rigoletto“ an der Volksoper ans Herz gelegt. Die Premiere dieses Verdi-Klassikers fand vor 12 Jahren statt, für die Produktion zeichneten Regisseur Stephen Langridge, Bühnenbildner Richard Hudson und Lichtdesigner Fabrice Kebour verantwortlich.

Die Geschichte wurde aus der Renaissancezeit/Mantua in das Rom der frühen 1960er-Jahre transponiert (genauer gesagt in die Cinecittá und Umgebung). Die Inspiration dazu fand man in Federico Fellinis „La Dolce Vita“. Der Duca ist ein Filmstar, Rigoletto sein Garderobier, die „Cortegiani“ Schauspieler und Leute, die am Filmset arbeiten. Es macht alles Sinn und – warum sollte die Hauptperson nicht den Künstlernamen „Duca“ haben (im Jazz gab es ja auch „Duke“ Ellington, „Count“ Basie oder „Lady Day“)?

Am eindrucksvollsten agierte an diesem Abend Stefan Cerny, der den Sparafucile überzeugend darstellte und einen wirklich schwarzen Bass hat! Er hinterließ einen viel besseren Eindruck als die Sänger, die ich in den letzten Jahren an der Staatsoper in dieser Rolle gehört habe! Chapeau!

Pavel Valuzhin sang den Duca und hinterließ einen zwiespältigen Eindruck. Er hat eine gut geführte Mittellage, allerdings kämpfte er hörbar mit den Höhen und neigte da zum Falsettieren. Bei diesen Stellen veränderte auch sein Timbre – seine Stimme wurde da wirklich „weiß“. Da ist sicherlich Luft nach oben. Darstellerisch ist ihm nichts anzukreiden.

Der staatsopernerprobte Boaz Daniel, einer der vielen Rollendebütanten an der VOP an diesem Abend, spielte und sang überzeugend – manchmal erschien seine Stimme fast schon zu groß für das Haus. Gegen Ende der „Cortigiani“ schien es, dass er eine kleine Schwächephase hatte, allerdings war diese dann im darauffolgenden Duett mit Gilda wieder vergessen. Ich bin gespannt, ob sich bei den kommenden Vorstellungen (eine werde ich sicherlich besuchen) mein Eindruck ändern wird.

Auch Rebecca Nelsen gelang ein mehr als erfolgreiches Rollendebüt als Gilda. Nelsen ist im Juni im Dauereinsatz (am Tag davor sang sie noch die Pamina) und konnte überzeugend die Entwicklung des naiven Mädchens hin zur Liebenden, die trotz ihrer Erkenntnis, dass der Duca ein frauenverachtender Lüstling ist, ihr Leben für ihn gibt, auf der Bühne umsetzen. „Caro nome“ gelang ihr sehr gut – damit war ja auch schon die halbe Miete eingefahren.

Ich hätte mir von Martina Mikelic in der Rolle der Maddalena etwas mehr Tiefe gewünscht, sowohl was die Darstellung als auch den gesanglichen Ausdruck betrifft. Die Gesangstechnik ist gut, aber unter einer „Figlia dell‘amore“ stelle ich mir schon etwas anderes vor – es kann aber auch damit zusammenhängen, dass Mikelic im Vergleich zu den anderen Sängern extrem groß ist – und sich daher das Zusammenspiel mit Pavel Valuzhin etwas schwierig gestaltete. Trotzdem – unter dem Strich ergab sich eine selten unerotische Darstellung.

Andreas Mitschke als Graf Monterone hätte bedrohlicher wirken können, Alexandre Beuchat, Kirlianit Cortés und Marco Di Sapia rollendeckende Höflinge. Auch Elvira Soukop als Giovanna machte ihre Sache gut.

Holger Kristen war für die Einstudierung des Volksopernchors zuständig. Aus dem Orchestergraben klang es teilweise sehr rustikal (was aber unter Umständen auch meinem Sitzplatz zuzuschreiben ist – auch da bin ich auf einen zweiten Eindruck gespannt) – Dirigent Lorenz C. Aichner legte da keinen so großen Wert darauf die lyrischeren Teile der Partitur zu erkunden.

Alles in allem war es ein Abend, der einen sehr guten Eindruck hinterließ (es sei auch noch erwähnt, dass in der Originalsprache gesungen wurde!) und Lust machte, eine der Folgeaufführungen zu besuchen – in der Hoffnung, dass sich das eine oder andere dann „eingeschliffen“ hat.

Kurt Vlach, 10.6.2021

Bilder (c) Volksoper