Premiere 17.10.15
Die Wuppertaler-Opernmisere geht weiter…
Hölzern, hausbacken, langweilig und uninspiriert – kein Lichtblick
"Das ist der Puccini-Verismo im Zeitalter der Psychoanalyse…" tönt es sehr zutreffend noch im Interview. "Das Stück ist ein Psychokrimi" (Anmerkung: Was in Essen und in Hagenfür diese Produktionen auch stimmt). Dominik Neuner, der dieses sagt, zeichnet sowohl als Regisseur wie auch als Bühnenbildner verantwortlich "Da werden der Regisseur zum Bühnenbildner und der Bühnenbildner zum Regisseur. Da geben sich wohl meine beiden Hände die Hand zu einer…" Stimmt leider; das Ergebnis beider Arbeiten fand ich allerdings ausgesprochen unzureichend.
Die Geschichte wird weder interessant, noch spannend erzählt, noch irgendwie anrührend oder emotional bewegend. Selbst das Harakiri der Heldin geht relativ glut- und blutlos im Finale von statten; Taschentücher sind nicht notwendig. Auch der relativ große Knabe faltet ungerührt weiter Papierschiffchen…
Von vielgepriesenen Verismo keine Spur, meistens steht man herum als würde die Bahn mal wieder bestreikt. Chor und Extrachor drapiert sich zur hübschen Staffage, wie auf einem Kindergeburtstag oder einem großen Familienfoto; das sieht furchtbar nett aus. Immerhin singt man auf ausgesprochen hohem Niveau (Jens Bingert).
Uninspiriertheit im höchsten Maße zeichnete leider diese Produktion, die durchaus auch als semikonzertantes Opern-Arrangement mit Kostümen (Ute Frühling) durchgehen könnte, aus, wobei auch die Kotüme mit permanent fächernden Eurochinesinnen, nicht gerade vom Hocker rissen. Ganz peinlich ist die Kostümierung und die mehr als dilettantisch aussehende Karnevalsperücke von Goro.
Ansonsten dominiert das Opernmuseum mit viel Rampengesang. Im Konglomerat der Gäste – das heimische Opernensemble hatte man ja in Wuppertal aus Kostengründen abgeschafft – dominiert eine akzeptable Butterfly (Hye-Won Nam), die kraftvoll durchhält, mit schönem Legato in den Spitzentönen aber recht eng klingt. Sie hat die Titelpartie der Butterfly schon in Bremen, Mannheim, Saarbrücken und Magdeburg gesungen. Timothy Richards (Pinkerton) beeindruckt weniger mit lyrischer Emphase als mit forcierter Lautstärke; er schmettert seine Bravourarien relativ treffsicher, dass es nur so eine Publikumsfreude ist. Die weiteren Comprimarii liegen durchaus auf akzeptablen Kleinstadttheater-Niveau.
Einziger wirklicher Lichtblick ist der Dirigent Urich Windfuhr, (Bild unten) der sich mit diesem Dirigat als einer der zukünftigen Kandidaten fürs Amt des neuen GMD vorstellte, kann im Gegensatz zu seinem Vorgänger wirklich Oper. Leider musste sich das Orchester erst einspielen. Der letzte Akt war aber wirklich schöner Puccini.
Die für mich heraushörbare Unmotiviertheit der Musiker zu schelten, wäre unter diesen Bedingungen ungerecht, sind sie doch auch ein nicht wesentlicher Leidenspart dieses unsäglich aktuellen Theater-Dilemmas. Wie soll ein Kollektiv reagieren, und wie motivierend wirkt es letztendlich, wenn sein Chef öffentlich erklärt, daß er wahre Orchester-Qualität eigentlich woanders findet.
Ja, verehrte Opernfreunde, nicht der Tod der Cio-Cio-San, nein – dieses ganze von verantwortungs- und ahnungslos ignoranten Politikern eigentlich verursachte Elend an den Wuppertaler Bühnen ist wirklich zum Weinen.
Der Rest ist Schweigen. Böse Zungen würden sagen "Unterammergau an der Wupper". Das war Opernmuseum aus den 50-ern, geradezu Wasser auf jene Mühlen von Unkenrufern der christlichen Partei, deren Bürgermeister ja gerade abgewählt wurde, und die für die Pleitestadt Wuppertal ein Kulturereignis der besonderen Art, nämlich eine Seilbahn (kein Scherz!) tatsächlich im Sinn hatten. Ich bekenne ganz ehrlich, daß ich an einer Seilbahnfahrt durch Wuppertal bestimmt mehr Freude als an Operninszenierungen dieser Art gehabt hätte.
Immerhin schien das Publikum begeistert und bravierte schon nach dem ersten Akt, als habe die geklonte Callas neben Pavarotti gestanden. Der Rezensent, der wirklich tolle und aufregende Produktionen (incl. eines formidablen Rings) in den letzten 40 Jahren an diesem traditionellen guten Haus erlebt hat, ist erschüttert wie anscheinend genügsam und anspruchslos das Opern-Publikum in der einstigen großen Kulturstadt Wuppertal mittlerweile geworden ist. Wie weit kann man noch in die Niederungen tiefster Stadttheater- Provinzialität verfallen…
Wenn dieses magere Qualitätsniveau Standard wird, dann sollte man den Etat der Oper weiterhin gedeckelt lassen oder das Geld lieber in ein Pina-Pausch-Gedenk-Forum, in welcher Bauweise auch immer, stecken. Das zeitigte immerhin Größe.
Fazit: Lieblos gemachte Oper im tristen Einheitsbühnenbild auf allen Ebenen. So sieht nun das Quasi-Erbe des "großen" Noch-Intendanten Kamioka aus, der Wuppertal zu einer Weltstadt des Musiktheaters machen wollte. Man merkt an allen Ecken und Kanten daß dieses Opernhaus am Ende ist. Traurig, traurig….
Das Schlimmste ist diese absolute Perspektivlosigkeit.
Peter Bilsing 17.10.15
Szenenbilder: Wuppertaler Bühnen / Bild Windfuhr: agentur-seifert.de
P.S. Unser Opernfreund-Tipp
ist weiterhin die kongenial moderne Version von Tilman Knabe am Essener Aalto, ein exemplarisches Votum für atemberaubendes Musiktheaters und gelungene Aktualisierung. Dort spielt man wirklich Madama Butterfly als tief beeindruckenden Psycho-Krimi.