Fürth: „Werther“

Aufführung im Stadttheater Fürth am 14. Juni 2016, Premiere am 05. Mai 2016 in Ulm

Schlüssige Inszenierung mit teilweise prachtvollen Stimmen

Wieder einmal hat Intendant Werner Müller mit der Verpflichtung des Theaters Ulm mit Jules Massenets lyrischer Oper „Werther“ einen Glücksgriff getan. Nicht nur dass die Inszenierung schlüssig ist und kein Spielplatz für wildgewordene Regisseure darstellt, sondern auch die stimmlichen Voraussetzungen sind über dem Durchschnitt. So erlebte ich einen wunderschönen Abend nach Johann Wolfgang von Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“, dessen Roman zur damaligen Zeit eine ganze Reihe von Selbstmorden Liebender nach sich gezogen hatte. Massenet vertonte den wahrscheinlich bekanntesten Selbstmord der Weltliteratur als große ausladende französische Oper. Charlotte wird leidenschaftlich von Werther geliebt, diese heiratet jedoch unter Zwängen Albert. Sie hatte auf dem Sterbebett dies ihrer Mutter versprechen müssen und sie kann diesen Schwur nicht brechen. Der innerlich zerrissene und

Rita-Lucia Schneider

leidenschaftlich schwärmende Werther sieht keinen anderen Ausweg, als sich zu erschießen, da die Liebe seines Lebens ihm nicht gehören kann. Während Werther stirbt, gesteht ihm Charlotte endlich, da sie im Angesicht des nahenden Todes Werthers allen Mut zusammennimmt, dass auch sie ihn liebt. Werther bittet Charlotte ihn zu beweinen und stirbt. Eine Oper, die ans Herz geht, den Damen die Taschentücher in die Hände zaubert, oder habe ich dies sogar bei einigen Herren gesehen, eine leidenschaftliche Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang in einer opulenten leidenschaftlich, fast sinnlich schönen Musik, ein Klangrausch, der noch lange sein Publikum verfolgt. Gesungen wird in Französisch mit deutschen Übertiteln.

Die Musik von Jules Massenet ist von vielen Sorten von Stimmungen beseelt, sei es im ersten Aufzug die Mondnacht, sei es die weinselige Stimmung beim Fest zur Feier einer goldenen Hochzeit, sei es bei den Passagen des Lesens der Briefe oder sei es das tränenreiche Finale am Ende der Oper. Massenet ist hier mit Sicherheit ein Meisterwerk gelungen, auch wenn kritische Stimmen immer noch von der Verbindung der Oper mit Goethes Werk Probleme haben.

Albert (Kwang-Keun Lee) und Charlottw (Rita-Lucia Schneider)

Diese Probleme gibt es heute Abend nicht, heute lassen wir uns berauschen von der Klangfülle und Schönheit der Musik. Die Inszenierung von Antje Schupp ist zu Beginn sehr sachlich, sie vermeidet es, zu gefühlsbetont die ganze Oper durch zu begleiten. Alles ein bisschen wie bei einem Filmset, mit blutroter Farbe beschriftete Transparente geben Botschaften weiter. Werthers Schreibwut wird auf die Leinwand projiziert, eine Folie nach der anderen wird fast wie im Fieberwahn beschrieben, Traumbilder kommen hinzu. Der riesige übergroße Berg, ja ein Papierstapel wirkt sehr eindringlich und überzeugend. Alles spannend und dem Publikum verständig dargeboten. Das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm unter Leitung von Joongbae Jee gibt sein Bestes. Dramatische Passagen, wie auch die leisen berührenden werden ohne Fehl und Tadel harmonisch dargeboten. Jee nimmt auch die Klangwogen des Orchesters dann zurück, wenn die Textverständlichkeit der Sänger bedroht ist, sehr sängerfreundlich leitet er mit sicherer, aber auch zupackender Hand das gut gelaunte Orchester. Man merkt, dass es den Musikern Spaß macht – was leider nicht immer der Fall ist – und das überträgt sich auch auf das Publikum, welches gebannt mitgeht und sich über einen Abend freut, der sicher noch lange nachdauern dürfte. Das Bühnenbild und die Kostüme stammen von Mona Hapke und auch sie hat ganze Arbeit geleistet. Nachvollziehbare Kulissen, alles mit einfachen Mittel verwirklicht und teilweise bunte, aber auch düstere Kostüme, den jeweiligen Stimmungen angepasst wissen zu überzeugen.

Werther – Philippe Do

Philippe Do singt am heutigen Abend den liebenden, glücklichen, zerrissenen und den mit letztlicher Todessehnsucht ausgestatteten Werther. Und er tut dies imposant. Seine Stimme hat ein warmes angenehmes Timbre, besitzt eine hohe Durchschlagskraft, auch bei den Spitzentönen, die er brillant strahlen lässt. Eine schöne lyrische nie ermüdende Stimme, die der junge in Frankreich geborene Künstler sein eigen nennt. Rita-Lucia Schneider ist Charlotte und auch sie kann voll überzeugen. Ihr warmer, ausdruckstarker voller Mezzosopran ist zur jeder Sekunde präsent, dazu kommt eine ausgesprochen darstellerische Begabung, die sie voll ausspielen kann. Ihre Soli sind wunderbar anzuhören, wie auch im Duett mit ihrem Partner. Als Albert weiß Kwang-Keun Lee in jeder Sekunde zu überzeugen. Der junge koreanische Bariton besitzt einen warmen, leuchtenden und sonoren gepflegten Bariton. Er ist durchschlagskräftig und auch mit einer tollen schauspielerischen Leistung ausgestattet. Von diesem jungen Mann wird man sicher noch viel hören können. Eine beeindruckende Leistung, die er am heutigen Abend auf die Bretter, die die Welt bedeuten, bringt. Als Sophie weiß Helen Willis mit klarem, flirrendem, feinem Sopran voll zu überzeugen, wie auch Michael-Burow-Geier als Le Bailli, der vor allem im Zusammenspiel mit einigen Kindern der St.-Georgs-Chorknaben überzeugte. Viel Beifall auch für die Chorknaben und am Ende für eine tolle Aufführung, die einen noch lange begleiten dürfte.

Manfred Drescher 26.06.2016

Bilder 1/2 (c) Jochen Klenk