Frankfurt: Chamber Orchestra of Europe

Sir Antonio Pappano (Leitung), Janine Jansen (Violine)

Richard Wagner
Siegfried-Idyll WWV 103

Karol Szymanowski
Violinkonzert Nr. 1 op. 35

Antonin Dvořák
Slawische Tänze op. 72

Bei seinem Gastspiel in der Alten Oper legte das Chamber Orchestra of Europe bei seiner Programmauswahl einen Schwerpunkt auf die Musik Ost-Europas. Ein große Bandbreite der Empfindung war zu erleben.

Den Beginn machte ein berühmter musikalischer Geburtstagsgruss. Es war am 24. Dezember 1870 als Richard Wagner seiner Frau Cosima zu ihrem 33. Geburtstag die Komposition „Siegfried-Idyll“ widmete und im kleinsten Kreise uraufführte, um genau zu sein: auf der Treppe im Landhaus des Komponisten in Tribchen, in der Nähe zu Luzern. Cosima verweigerte längere Zeit die Freigabe dieser Komposition für die Öffentlichkeit, weil ihr dieses musikalische Geschenk zu persönlich erschien. Auch deshalb, weil es zur Erinnerung an derer beiden Sohn Siegfried gedacht war. Die Musikwelt nahm später diese entzückende musikalische Oase tief in ihr Herz auf, so dass es zu den bekanntesten Orchesterwerken Richard Wagners gehört. In dieser einzigen symphonischen Dichtung, die Wagner schrieb, verarbeitete er Motive aus seinem gleichnamigen Musikdrama.

Sir Antonio Pappano kann auf eine breite Erfahrung mit der Musik Richard Wagners zurückblicken. Erst kürzlich leitete er den kompletten „Ring“-Zyklus am Royal Opera House Covent Garden. Und seine große Kompetenz, sein Auskosten lyrischer Kantabilität, konnte er sogleich mit dem einfühlsamen Chamber Orchestra of Europe unter Beweis stellen. Dabei orientierte er sich an der Fassung der Uraufführung und führte es in Frankfurt mit gerade einmal 13 Musikern auf. Punktgenau wurde die schwebende Grundstimmung getroffen, weich und sonnig-heiter gerieten die Aufschwünge in den aufblühenden Streichern. Dazu sauber intonierte Farbtupfer der Bläser. Ein wunderbarer kammermusikalischer Beginn.

Als Solistin war sodann die niederländische Geigerin Janine Jansen zu erleben. Gemeinsam mit Pappano musizierte sie das Violinkonzert No. 1 des polnischen Komponisten Karol Szymanowski. Das 1916 entstandene Werk besticht durch eine sehr eigene Klangwelt. Das Farbspektrum dieser eingängigen Komposition, die auch manche Orientalismen enthält, ist groß und ungemein faszinierend zugleich. Janine Jansen ist eine Künstlerin, die sich nicht allein im Standard-Repertoire der bekannten Violinkonzerte beheimatet sieht. Immer wieder erweiterte sie ihre Repertoire auch um weniger bekannte Werke und widmete sich ebenso ausgiebig zeitgenössischer Musik. Ihre Affinität zur Musik Szymanowskis war unüberhörbar. Und dieses Violinkonzert ist in seiner Vielfalt und Form so ganz anders. Es gleicht in seiner Einsätzigkeit eher einer Ballade oder Tondichtung. Die technische Bandbreite ist dabei sehr groß. Für Janine Jansen war dies alles keine erkennbare Herausforderung. Sie wirkte so symbiotisch mit dieser schillernden, zuweilen auch ekstatisch anmutenden Musik verbunden. Immer warm im Tonfall, kantabel in den Phrasierungen und hoch aufmerksam, folgte sie mit größter Expressivität dem musikalischen Verlauf. Ihr wunderbares Spiel kam allerdings auch durch den besonders warmen Ton ihrer Stradivari Geige zur Geltung. Das Zusammenspiel mit dem heftig geforderten Chamber Orchestra of Europe geriet ausgezeichnet. Sir Antonio Pappano gab unermüdlich seine ganze Energie in das Orchester und Janine Jansen tat es ihm gleich. So geriet derer beiden Zusammenspiel sehr homogen und mitreißend, was das Publikum deutlich würdigte. Janine Jansen freute sich über den Zuspruch und bedankte sich mit Sir Antonio Pappano am Flügel mit einer innigen Zugabe, der Nocturne von Lill Boulanger. Große Begeisterung beim Publikum.

Nach der Pause dann gab es Gelegenheit, die Slawischen Tänze op. 72, von Antonin Dvorak zu hören. Entstanden sind diese in den Jahren 1886/1887. Voraus gegangen war ein spektakulärer Erfolg mit der ersten Sammlung der Slawischen Tänze op. 42, die im Konzertbereich größere Bekanntheit erlangten und vor allem tschechische Tänze enthielt. In seiner zweiten Sammlung, die in der Alten Oper zu hören war, sind es u.a. Tänze aus der Slowakei (Odzemek), Polen (Polonaise) und dem Balkan (Kolo).

Vorherrschend in den Kompositionen ist dennoch das böhmische und mährische Klangkolorit. Faszinierend ist einmal mehr das musikalische Genie Dvoraks, das in seinem Reichtum der Melodie grenzenlos scheint. Das Feuerwerk der Rhythmen und die Lebensfreude, aber auch die subtile Melancholie wurden von Pappano glänzend erfasst. Dieser einzigartige Vollblutmusiker befeuerte seinen Klangkörper fortwährend. Alle seine Impulse wurden von dem hingebungsvoll musizierenden Orchester perfekt umgesetzt. Dieser Klangkörper zeigte in allen Gruppen höchstes spielerisches Niveau. Neben den warmen Bläserfarben und dem glanzvollen Streicherklang, begeisterte auch das knackige, sehr differenziert akzentuierte Schlagzeug, das hier ein wichtiger Farbgeber in den Tänzen ist. Kein Wunder also, dass das Publikum vor Begeisterung, bereits z.T. auch nach den einzelnen Tänzen, schier aus dem Häuschen geriet. Und Pappano und das Chamber Orchestra of Europa revanchierten sich mit der Wiederholung des furiosen siebten Tanz, einem Kolo aus dem Balkan.

Viel Jubel in der sehr gut besuchten Alten Oper Frankfurt.

Dirk Schauss 4.6.2019