Como: „Aida“, Giuseppe Verdi

AsLiCo (Associazione Lirica e Concertistica) wurde 1949 gegründet, um jungen Künstlern als Sprungbrett für eine Karriere zu dienen, und von Bergonzi bis Zancanaro, über (um nur eine kleine Minderheit zu nennen) Scotto oder Ricciarelli gingen viele große Namen aus dieser verdienten Vereinigung hervor. In den letzten Jahren fand deren Tätigkeit in Como (rund 50 km von Mailand und 27 km von der Schweizer Grenze entfernt) ihren Sitz und bespielt mit ihren Produktionen norditalienische Häuser wie Pavia, Cremona, Brescia oder Bergamo. Die breitgefächerten Veranstaltungen des von der Gemeinde Como organisierten künstlerischen Sommers begannen mit drei Vorstellungen von Verdis Oper, die im Freien stattfinden sollten. Tatsächlich konnte aber nur der zweite Abend draußen gespielt werden, während die Premiere und die hier besprochene Aufführung wegen Schlechtwetters ins Teatro Sociale verlegt werden mussten. Dieses Haus ist im klassizistischen Stil gehalten und bietet 900 Zuschauern Platz. Da die Veranstalter mit eventuellem Schlechtwetter gerechnet hatten, gab es zwei verschiedene Ausstattungen – aus Photos war zu entnehmen, dass sich die Handlung im Freien innerhalb einer gläsernen Pyramide abgespielt hat.

© Claudia Cozzi

Für die Vorstellung im Saal gab es praktisch kein Bühnenbild, vor schwarz ausgeschlagenen Wänden nur ein paar Holzkisten mit der Aufschrift „Transport für Kunstgegenstände“ und eine aus Holzlatten gezimmerte Kabine für Aidas ersten Auftritt. Die Kostüme für den König, Amneris, Ramphis und die (diesmal stets sichtbare) Priesterin konnten mit goldenen Hoheitsattributen auf den Köpfen der Sänger punkten, während das pelzige Kostüm des Radames eher zum Siegfried gepasst hätte und Aida in ziemlich undefinierbaren Gewändern steckte (Bühne und Kostüme: Davide Amadei). Schlimm war aber die Regie, die sich Alessio Pizzech für dieses Ambiente ausgedacht hatte: Sie wirkte wie deutsches Regietheater, aber ohne die Qualität, die dieses oft zumindest in der Führung der Schauspieler auszeichnet. Radames ist kein stolzer Krieger, sondern ein armer Hund, dem die Heeresführung aufgezwungen wird (zu welchem Zweck er zur Schwertweihe mit einer Kopfbedeckung à la Ku-Klux-Klan gezerrt wird). Der Entschluss zur Flucht mit Aida erfolgt nicht wegen derer sinnlichen Überzeugungskraft (die so gut aus der Musik herauszuhören ist), sondern weil er mit vorgehaltener Pistole von der Geliebten dazu gezwungen wird! Der Regisseur missverstand auch das „Sacerdote, io resto a te“ des ägyptischen Heerführers, ist dies doch eine freiwillige Geste, während er hier sofort in Ketten gelegt wird.

© Claudia Cozzi

Das Ballett entfiel (was angesichts der nicht sehr geräumigen Bühne verständlich ist), aber der farbige Tänzer Nnamdi Nwagwu entschädigte mit einer großartigen Leistung. Aber auch hier wird nicht klar, worum es geht, denn während seines Auftritts schminken zwei Damen Aida mit verschiedenen (äthiopischen?) Symbolen. Wie oft wird eine absurde Regie durch gute stimmliche Leistungen aufgewogen, aber diesmal war das nur bei den Damen der Fall. Vor allem Sofia Janelidze gab eine beeindruckende Amneris mit viel stimmlicher Power, wobei die Tiefe ihres schönen Mezzos noch ausbaufähig wäre. In der Titelrolle ließ Clarissa Costanzo einen interessant timbrierten Sopran mit guten piani und filati hören; dennoch fragte man sich, ob die Rolle für die junge Sängerin nicht etwas zu früh kommt. Aufhorchen ließ die junge chinesische Mezzosopranistin Aoxue Zhu, die – unterstützt auch durch ihre fast stetige Anwesenheit auf der Bühne – eine ausgezeichnete Priesterin sang. Bei den Herren gab es leider ein gesangliches Niveau,wie es einer angesehenen Vereinigung wie AsLiCo bei der Auswahl der Sänger nicht passieren dürfte. Dario Di Vietri stemmte sich durch den Radames, wobei die Stimme manchmal zerbröselte, der Amonasro von Luca Galli war ein Schreihals, der König von Nicola Ciancio röchelte (das war vielleicht dem Regieeinfall geschuldet, dass der König in sich zusammengesunken herumsitzen muss und am Schluss auf einer Bahre fortgetragen wird – die Theokratie hat gesiegt – kein schlechter Einfall, aber die Umsetzung…).

© Claudia Cozzi

Der Ramphis von Luca Gallo war kaum zu vernehmen, und auch der Bote von Ermes Nizzardo legte keine Ehre ein. Sehr bemüht war die Leitung des Orchestra 1813 durch Enrico Lombardi. (Der Klangkörper besteht aus jungen Leuten, die AsLiCo und dem Teatro Sociale verpflichtet sind, weshalb man sich für den Namen das Jahr ausgesucht hat, in welchem das Haus erbaut wurde, aber auch die Operngiganten Verdi und Wagner geboren wurden). Der einheitlich mit weißen Gewändern und Turbanen gekleidete Chor 200.Com bestand nicht aus professionellen Sängern, agierte aber mit großer Begeisterung und war von Massimo Fiocchi Malaspina sehr gut einstudiert. Der Beifall am Schluss war überaus lebhaft, die Damen wurden gefeiert und die Herren nicht abgestraft

Eva Pleus, 12. Juli 2023


Giuseppe Verdi: Aida

Teatro Sociale

Premiere: 29. Juni 2023, besuchte Vorstellung 3. Juli 2023

Inszenierung: Alessio Pizzech

Bühne und Kostüme: Davide Amadei

Chorleitung: Massimiliano Fiocchi Malaspina

Chor 200.Com

Dirigent: Enrico Lombardi

Orchestra 1813