Düsseldorf: „Das Rheingold“

Zum Zweiten

Premiere am 23.6.201

Der Düsseldorfer Intendant Christoph Meyer ließ sich auf der Premierenfeier zum Rheingold sichtlich vergnügt feiern, hatte er doch immerhin nach 27 Jahren Kurt-Horres-Ring (der auch in Köln lief) eine spektakuläre Neuinszenierung angestoßen, dafür ein berühmtes Produktionsteam gewinnen können und für den Großteil der Sänger und –innen aus dem exzellenten hauseigenen Fundus schöpfen können. Seine gute Laune ließ er sich auch nicht durch die vielen Buhrufe verderben, die bei „Berufs-Wagnerianern“ eigentlich immer zum Standard gehören. Und da Regisseur Dietrich W. Hilsdorf im persönlichen Gespräch mit dem Rezensenten ohnehin meinte, die Buhs hätten alle nur „dem Richter“ gegolten, schien auch er zufrieden zu sein mit seinem Werk. Wenngleich der Löwenanteil des Erfolgs dem Bayreuth erfahrenen Dirigenten Axel Kober und einem fantastischen Sängerensemble zu verdanken ist. Die oft gescholtenen Düsseldorfer Symphoniker, welche in der ungeliebten Stadt südwärts eine gelegentlich übermächtige Konkurrenz haben, wuchsen diesmal über sich hinaus. Kober schuf eine hoch spannungsreiche Dynamik, aufregende Spannungsbögen, die Musik steckte voller überraschender musikalischer Details und klanglicher Intensität, ohne jemals die Stimmen zu überdecken. Großes Kompliment !

Nicht minder müssen die Sänger gelobt werden, allen voran Norbert Ernst als listiger Loge und Simon Neal als Wotan. Ernst, der den Loge weltweit singt, zeigt sich schauspielerisch äußerst stark als listigen Macher und Strippenzieher; seinen stimmschönen –nicht allzu großen Tenor- setzt er sehr flexibel ein. Neal trumpft mit seiner kraftvollen und sicheren Stimme besonders in den Höhen auf – man darf gespannt sein auf seine folgenden Wotan-Debuts. Die beiden Riesen Fasold (Bogdan Talos) und Fafner (Thorsten Grümbel) polterten wunderbar rollengerecht durch die Szenerie und klangen klangschön und kraftvoll; besonders Talos sang sich in die Herzen des Publikums. Auch Alberich (Michael Kraus) sang und spielte, als sei diese Rolle für ihn eigens gemacht. Ebenso die Rheintöchter, offensichtlich als „leichte Mädchen“ gewandet (Anke Krabbe, Maria Kataeva, Ramona Zaharia); sie sind ein sehr kraftvolles, in sich wunderbar stimmig besetztes Trio. Erda (Susan Maclean) ist eher unauffällig und fällt gesanglich ein wenig ab, ebenso Sylvia Hamvasi (Freia), während Cornel Frey als tyrannisierter Mime rundum überzeugt.

Nicht ganz überzeugen konnte die Inszenierung, wenngleich es nicht wirklich zu Buhen gab – aber viele Fragen blieben offen. Etwa, warum Mime mit aus den Fingern züngelnden Flammen und im roten Frack (Kostüme Renate Schmitzer) wie ein Conférencier noch vor den genialen 136-Es-Dur-Takten, die den Beginn der Welt klanglich ausdrücken, den Mimen unbedingt „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten? deklamieren lässt; eine Anspielung auf Wagners Antisemitismus mit dem Text des Juden Heinrich Heine? Die Magie des Anfangs ist dadurch leider verpufft. Soll die Oper in ihrer Entstehungszeit angesiedelt sein? Ist mit dem Schürfen von Kohle und Gold die industrielle Revolution gemeint, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und des untergebenen Menschen, und die Übermacht des Geldes ? Das Einheitsbühnenbild (Dieter Richter) – wie so oft bei diesem Team – mit einem gemalten Vorhang zeigt ein großbürgerliches Ambiente, viele bunte Lämpchen und grüne Sitzmöbel gemahnen allerdings eher an ein Varietee-Theater oder an einen Zirkus, Wotan wird, von einem Tuch verdeckt, von Freia im Rollstuhl vergreist hereingefahren (kann allerdings später wieder selbst gehen und stehen); was hat ihn nur geheilt? Und warum bringt Loge den Alberich zu den Rheintöchtern? Was ist das Rheingold ? Ein goldener Nachttopf, aus dem gebechert wird ? Und was stiehlt Alberich?

Auch der Zugang nach Nibelheim und der Auftritt der Erda als elisabethanische Mutti durch ein rundes Plüschsofa ist wenig stimmungsvoll, wenig geheimnisvoll. Ebenso die Frage, wohin am Ende Wotan und die stimmlich etwas blasse Fricka (Renée Morloc) überhaupt ziehen ? Optisch eindrucksvoll war das ins Wohnzimmer transportierte Bergwerk des Alberich: Große, mit Gestein beladene Loren werden von pottschwarzen Arbeitern quer durchs Wohnzimmer gefahren, nachdem diese einfach die Wand durchbrochen hatten. Spektakulär eine riesige Drachentatze, die unter allerlei Staubentwicklung durch die Decke kommt (die Baggerschaufel im Kölner Siegfried aus dem Carsen-Ring lässt grüßen).

Die Geschichte um den entmannten Alberich und die Finanzkrise der Götter, die ihre Handwerker nicht zahlen können, erzählt Hilsdorf mit leichter Hand, wenig bedeutungsschwer, in einem klassischen Salonzimmer, ohne tiefsinnige Andeutungen auf das noch Kommende. Aber sehr unterhaltsam, mit vielen feinen Regie-Einfällen. Klar, dass einige meinen, dass da gebuht werden muss. Dennoch, der neue Ring in Düsseldorf war ein großer Abend, wenn auch nicht besonders bedeutungsschwer, aber mit tollen Sängern und Musikern. Der Rezensent gesteht gerne, dass er ob eines hünenhaften Vordermanns nur sehr stark eingeschränkte Sicht hatte. Aber das störte mitnichten, so konnte er noch aufmerksamer zuhören.

Michael Cramer 26.6. 2017

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