Hildesheim: „Die verkaufte Braut“

Premiere am 30. April 2016

Unterhaltsam

Das TfN (Theater für Niedersachsen) hat in Hildesheim wieder einmal deutlich gemacht, worauf die Erfolgsgeschichte des Unternehmens beruht, nämlich auf „Theater für alle“! Es gibt keine ärgerlich verkopften Umdeutungen oder rabiate Verlegungen in aktuelles Zeitgeschehen, für die man erst langatmige Erklärungen (oft vergeblich) im Programmheft lesen muss; die Geschichten werden einfach so erzählt, wie sie vom Librettisten und Komponisten zur damaligen Zeit gedacht waren. Friedrich Smetanas „Verkaufte Braut“ wird hier in einer merkwürdigen deutschen Mischfassung geboten, deren Urheber leider nicht erwähnt werden. In zeitlosen Kostümen wurde vor einer bühnenbreiten Wirtshaus-Fassade mit vorgebauter Biergartenterrasse agiert, die die ohnehin kleine Spielfläche zunächst noch einzuengen schien (Ausstattung: Philippe Miesch). Sie eröffnete allerdings mit vielen Türen mannigfaltige Auftrittsmöglichkeiten und –varianten, die auch schnelle Chorauftritte erlaubten. Das nutzte der Hildesheimer Oberspielleiter Guillermo Amaya mit intelligenter, stringenter Personenführung, um ein sehr lebendiges Bild dörflichen Treibens zu zeigen. Soloszenen wurden gekonnt unauffällig belebt, z.B. durch lautlos abräumende Kellnerinnen oder einzeln vorbeikommende Gäste.

Arantza Ezenarro/Konstantinos Klironomos

Die musikalische Leitung hatte Werner Seitzer, der das Orchester zu Höchstleistungen animierte. Von der von den Streichern besonders exakt gespielten Ouvertüre bis zum mitreißenden Furiant gingen die Musiker engagiert mit, was beim Applaus mit vielen Bravos quittiert wurde. Chor, Extra- und Kinderchor tummelten sich munter zur Kirchweih und sangen frisch, sauber und klangvoll; die Tenöre stachen allerdings etwas zu sehr hervor (Einstudierung: Achim Falkenhausen). Dazu wurden die Choristen auch noch tänzerisch gefordert, was sie mit Bravour absolvierten (Tänze: Natascha Flindt).

Arantza Ezenarros/Jan Kristof Schliep

In der Titelrolle durchlebte Arantza Ezenarro als attraktive Marie alle Facetten der jungen Liebe, die große Enttäuschung durch den vermeintlichen Verrat ihres Liebsten und schließlich die wundersame Lösung seines Verhaltens. Mit klarem Sopran, blitzsauberen Spitzentönen und ruhig ausgesungenen Bögen breitete sie ihre ganze Gefühlspalette aus. Ihr geliebter Hans – der listig die vom Heiratsvermittler angestrebte Verbindung Maries mit dem Sohn des Micha hintertreibt, in dem er Kezal seine Braut für 300 Gulden verkauft, ohne zu offenbaren, dass er selbst Michas verschollener erstgeborener Sohn ist – wurde von Konstantinos Klironomos lebensnah gespielt. Zu Beginn setzte er seinen strahlkräftigen Tenor noch etwas hart ein, überzeugte aber schnell, als er im Duett mit Marie auch zu zarteren Tönen fand. Den zweiten Sohn Michas, Wenzel, – der von den Eltern eigentlich vorgesehene Ehemann für Marie – spielte Jan Kristof Schliep glaubhaft als sympathischen, nur mit einem Sprachfehler behafteten jungen Mann, der bislang von seiner Mutter in engem Umfeld dem wahren Leben gegenüber total abgeschirmt war. Kein Wunder, dass er, nun allein im Nachbardorf, zuerst der Kellnerin Marie und dann der Tänzerin Esmeralda total verfällt. Sein runder Tenor mit ausgeglichener Stimmführung passte sehr gut zu dieser Rolle. (Schliep war auch als Berater mit verantwortlich für die tolle Zirkuseinlage der Jugendlichen, da er selbst mit 14 Jahren die Jonglage erlernte und als 17-Jähriger in Hannover in dieser Oper als Artist und Feuerspucker auf der Bühne stand!) Der eigentliche Drahtzieher Kezal blieb in der Darstellung Levente György s ohne Ausstrahlung und auch stimmlich blass; er erfreute aber durch beste Intonation in allen Lagen.


Die gesamte Ensembleleistung wurde von Uwe Tobias Hieronimi (Kruschina) und Neele Kramer (Ludmila) als Maries Eltern, Tilman Birschel (Tobias Micha) und Theresa Hoffmann (Háta) als Hans‘ und Wenzels Eltern, Anton Kuhn (Zirkusdirektor), Martina Nawrath (Esmeralda) sowie

Daniel Chopov (Ein „Indianer“) erfreulich gut abgerundet.

Die Hildesheimer Zuschauer feierten alle Mitwirkenden frenetisch und mit stehenden Ovationen; es war wirklich ein unterhaltsamer Opernabend, der Spaß gemacht hat.

Marion Eckels 1.5.2016

Bilder: Jochen Quast

Weitere Vorstellungen: 4.,11.5.+4.,11.,24.6.2016