Besuchte Aufführung: 31. 3. 2014 im Cuvilliés-Theater (Premiere: 25. 10. 2012)
Komödie mit bitterbösem Unterton
Sie war ein Publikumsrenner in der vergangenen Saison: Brigitte Fassbaenders im Bühnenbild und den Kostümen von Bettina Munzer spielende Neuinszenierung von Donizettis „Don Pasquale“. Aufgrund des großen Erfolges der Produktion hat sich die Leitung des Staatstheaters am Gärtnerplatz entschlossen, sie in dieser Spielzeit erneut dem Publikum zu präsentieren. In finanzieller Hinsicht war das sicher eine gute Entscheidung, denn das Cuvilliéstheater, das dem Gärtnerplatztheater während der Sanierung des Haupthauses dieses Mal als Ausweichquartier diente, war brechend voll. Und der große Schlussapplaus nach Verklingen der letzten Töne legt die Vermutung nahe, dass das Stück in München auch bei den kommenden Aufführungen hohe Besucherzahlen aufweisen wird.
Anja-Nina Bahrmann (Norina)
Die Begeisterung des Publikums war insoweit nachzuvollziehen, als Frau Fassbaender eine kurzweilige und lebendige Regiearbeit gelungen ist, die zudem recht fetzig ausfiel. Auf die Führung von Personen versteht sich die ehemalige Sängerin, die am benachbarten Nationaltheater einst große Erfolge feierte, gut. Das kann man nicht bestreiten. Indes setzt sie mit ihrer Deutung von Donizettis Oper zu sehr auf pure Unterhaltung und bleibt eine zeitgemäße Hinterfragung des Inhalts und des Subtextes des Librettos schuldig. Langweilig wird es bei ihr zwar an keiner Stelle, dem neugierigen Intellekt bietet sie aber gar nichts. Sie versucht dem Ganzen ein modernes Ambiente überzustülpen, bleibt in diesem aber erzkonservativ. Insgesamt fiel ihre Herangehensweise an das Stück reichlich harmlos und bieder aus. Dieser betuliche Eindruck wurde durch den über der Szene schwebenden Amor, der die Unterwerfung sämtlicher Beteiligter unter das hohe Prinzip der Liebe versinnbildlichen sollte, nur noch verstärkt. Das wirkte schon etwas kitschig.
Anja-Nina Bahrmann (Norina), Marco Filippo Romano (Don Pasquale)
Immerhin entkleidet die Regisseurin die Personen ihrer Herkunft aus der commedia dell’ arte und macht aus ihnen glaubwürdige Charaktere. Diese werden von ihr zum großen Teil aber nicht gerade sympathisch vorgeführt. Vielmehr kehrt sie die negativen Seiten der Handlungsträger nachhaltig heraus und macht aus der Handlung eine bitterböse Komödie. Nun, dieser Ansatzpunkt ist nicht mehr neu. Das haben vor ihr schon andere Regisseure so gemacht. Teilweise hätte sie bei ihrer Interpretation etwas prägnanter vorgehen können. Insbesondere ihre negative Zeichnung der Norina blieb etwas an der Oberfläche und im gut gemeinten Ansatz stecken. Dieser an sich hochinteressante Ansatzpunkt wurde beispielsweise 2010 in Coburg von Werner Pichler sehr viel überzeugender umgesetzt. Gelungener fiel dagegen Frau Fassbaenders Zeichnung des Dr. Malatesta aus. Sie macht aus ihm einen Zahnarzt, sadistischen Strippenzieher und gewissenlosen Nutznießer, der die Fäden geschickt zu ziehen weiß und sich als spiritus rector des Ganzen erweist. Gnadenlos ist der zwar geizige, aber dennoch sympathische, joviale Lebemann Don Pasquale seinen Machenschaften und Intrigen ausgesetzt, so dass man schließlich Mitleid mit dem doch arg gebeutelten Titelhelden bekommt. Köstlich war der von Anfang an total betrunkene Notar, aus dem Brigitte Fassbaender kurzerhand eine junge Frau gemacht hat. Insgesamt war ihre Inszenierung nett und sicher eine gute Feierabendentspannung. Spannendes Musiktheater mit einer zeitgemäßen tiefschürfenden Aussage stellte sie aber nicht dar.
Ute Walther (Notar), Marco Filippo Romano (Don Pasquale), Dr. Malatesta, Anja-Nina Bahrmann (Norina)
Hervorragend war es um die musikalische Seite der Aufführung bestellt. Michael Brandstätter und das gut gelaunt aufspielende Orchester verstanden sich trefflich darauf, gute Rossini-Laune zu verbreiten. Der von ihnen erzeugte Klangteppich atmete federnde Leichtigkeit, Lockerheit, Spritzigkeit und ausgelassenen Esprit, ganz so wie es bei dieser komischen Oper sein muss.
In größtenteils neuer Besetzung präsentierte sich das insgesamt hervorragend disponierte Sängerensemble. Allen voran begeisterte Marco Filippo Romano in der Titelpartie. Hier haben wir es mit einer ungemein wohlklingenden, sonoren und farbenreichen, dabei flexiblen und wendigen Bassstimme bester italienischer Schulung zu tun, die mit den famosen darstellerischen Fähigkeiten ihres Trägers eine hervorragende Symbiose einging. Insgesamt gelang Romano ein sehr überzeugendes Rollenportrait, so dass der große Zuspruch seitens des Publikums nur zu verständlich war. Gleichermaßen hoch in der Gunst der Zuschauer stand Anja-Nina Bahrmann, die bereits bei der Premiere 2012 die Norina gesungen hatte. Auch heuer gab sie die Partie wieder als ganz ausgekochtes Luder, dessen böse Aktionen man erneut mit Vergnügen verfolgte. Auch gesanglich wurde sie ihrem Part mit in allen Lagen sauber durchgebildetem, ebenfalls bestens italienisch fokussiertem Sopran voll gerecht. Einen trefflichen Eindruck hinterließ auch Vittorio Prato, der in der Rolle des Dr. Malatesta gänzlich aufging. Er hat den Ansatzpunkt der Regie gut verinnerlicht und schauspielerisch mit großem Können umgesetzt. Gesanglich blieben bei seinem vorbildlich gestützten, kraftvollen Bariton ebenfalls keine Wünsche offen. Das hohe vokale Niveau seiner Mitstreiter vermochte Adrian Strooper als Ernesto nicht zu erreichen. Sein dünner, überhaupt nicht im Körper verankerter Tenor war nicht gerade ansprechender Natur. Auch der Notar von Ute Walther konnte nur äußerlich überzeugen. Rein stimmlich war ihre Darbietung mehr Sprechen auf den Tönen als Singen. Bestens präsentierte sich der von Jörn Hinnerk Andresen gewissenhaft einstudierte Chor.
Fazit: Eine gelungene Aufführung für Publikum, das Ablenkung vom Alltag sucht,
Ludwig Steinbach, 2. 4. 2014
Die Bilder stammen von Christian Zach.