München: Jolanta

Konzertante Aufführung am 17.02.14 in der Kongresshalle (Premiere: 15. 02. 12)

König Renés Abend

Zu einem vollen Erfolg geriet die in der russischen Originalsprache – danke schön! – dargebotene Aufführung von Tschaikowskis letzter Oper „Jolanta“ am Staatstheater am Gärtnerplatz. Als Ausweichspielstätte diente diesmal die Alte Kongresshalle. Es geht um die Königstochter Jolanta, die seit ihrer Geburt blind ist und diesen Zustand demgemäß als ganz natürlich empfindet. Die Liebe zu dem Grafen de Vaudémont lässt in ihr den Wunsch aufkeimen, das Augenlicht zu erlangen – ein Wunsch, der am Ende auch in Erfüllung geht. Mit diesem symbolisch und psychologisch vielschichtigen Stück hätten gute Regisseure wohl einiges anfangen können.

Marco Comin

Da das Werk aber konzertant dargeboten wurde, lenkte nichts von der herrlichen Musik ab, die sich mit der des zeitgleich entstandenen „Nussknackers „ durchaus messen kann. Die Oper weist hohe Qualitäten auf, denen man sich nur schwer entziehen kann. In der Emotionalität der Lyrismen war Tschaikowski immer groß. Nicht anders verhält es sich hier. Enorm ist auch die Kraft der musikalischen Steigerungen, die am Ende in eine gewaltige Schlussapotheose münden und von Marco Comin und dem prachtvoll aufspielenden Orchester mit äußester Fulminanz und Majestät zu Gehör gebracht wurden. Bei diesem schon oft bewährten Dirigenten war Tschaikowskys Letztling in besten Händen. Er entfaltete zusammen mit den Musikern einen Klangrausch voller Üppigkeit und berauschendem Melos, der einen ganz in seinen Bann zog. Comin zeigte sich als Meister von Klangfarben, gefühlvollen Lyrismen und verstand sich zudem trefflich darauf, Spannung zu erzeugen. Das war eine ganz große Leistung. Das Gärtnerplatztheater kann stolz darauf sein, diesen famosen Dirigenten unter Vertrag zu haben.

Schlussapplaus

Insgesamt sehr gut schnitten auch die Sänger ab. In der Titelpartie war Liana Aleksanyan zu erleben, deren Stuttgarter Luisa Miller man noch in bester Erinnerung hat und die auch an diesem Abend mit ihrem innigen, emotional angehauchten und eine gute Focussierung aufweisenden Sopran der Jolanta ein glaubhaftes stimmliches Profil zu geben vermochte. Ebenfalls aus seiner Zeit in Stuttgart und Mannheim bekannt war Felipe Rojas Velozo, der mit ansprechendem, gut verankertem Tenor, den er ebenmäßig zu führen verstand, einen überzeugenden Grafen Vaudémont sang. In der Rolle seines Freundes, des burgundischen Herzogs Robert, bewährte sich mit prägnantem Bariton Gennadii Vashchenko. Holger Ohlmann war ein tiefgründig singender Pförtner Bertram. Immer noch über beträchtliche Mezzoreserven verfügte Snejinka Avramova in der Rolle von Bertrams Frau und Jolantas Amme Martha. Bei Elaine Ortiz Arandes und Ann-Katrin Naidu waren die Freundinnen der Prinzessin Brigitta und Laura in guten Händen. Boris Grappe, den man ebenfalls aus seiner Zeit am Nationaltheater Mannheim noch kannte, sang den maurischen Arzt Ibn-Hakia in der Mittellage ordentlich, ging aber in der Höhe oft vom Körper weg, woraus in dieser Lage ein flacher, halsiger Stimmklang resultierte. Eine tiefere Stütze hätte auch dem dünnen Tenor von Juan Carlos Falcóns Almerich gutgetan.

Sergey Kovnir als König René

Zu guter Letzt ist noch Sergey Kovnir zu nennen, der als König René alle seine Kollegen weit hinter sich ließ. Dieser geniale, äußersten Wohlklang verströmende Sänger, dem wohl die ganz große Karriere bevorsteht, vermochte in jeder Beziehung zu begeistern. Selten hat man eine so prachtvolle Bassstimme wie die seine gehört. Sonor und balsamisch, dabei ausdrucksstark, phantastisch focussiert und wunderbar auf Linie sang er sich bis in die höchsten Höhen des Sängerolymps vor. Ihn möchte man gerne öfters am Gärtnerplatz hören. Vorzüglich präsentierte sich der von Jörn Hinnerk Andresen einstudierte Chor.

Ludwig Steinbach, 19. 2. 2014
Fotos: Christian Zach