Besuchte Vorstellung: 11. Januar 2017
Aufführung der Operettenbühne Wien reißt das Schweinfurter Publikum mit
Nach den letzten Applauswogen, die Heinz Hellberg mit seiner Operettenbühne Wien für 20jährige Treue zum Theater Schweinfurt und für eine überaus gelungenen Vorstellung danken, springt der Schweinfurter Theaterdirektor Christian Kreppel auf die Bühne und gratuliert Heinz Hellberg für sein Jubiläum, 20 Jahre Operettenbühne Wien. Und er verspricht dem Maestro, dass er ihn noch oft verpflichten wird und die beiden ausverkauften Nachmittagsvorstellungen geben ihm Recht. Fast nicht endend wollender Applaus am Ende eines beschwingten, heiteren und erfrischenden Nachmittags. Doch nun der Reihe nach.
Die Operettenbühne Wien kommt mit der „Csárdásfürstin“ nach Schweinfurt, und wer kennt die Geschichte des Sohnes des Fürsten von und zu Lippert-Weylersheim nicht, der sich unsterblich in die reizende Chansonette Sylva Varescu verliebt. Nachdem diese auf eine Tournee gehen will, zwingt er sie mit seinem schriftlichen Heiratsversprechen zum Bleiben. Ihm ist die höfische Etikette egal, er liebt Sylva trotz aller Widerstände. Seine Eltern haben aber schon Verlobungskarten mit Komtesse Stasi gedruckt, die ihm seit Kindheit versprochen ist. Diese Karte kommt Sylva in die Hände und sie fährt überstürzt und total enttäuscht auf die Tournee. Wenige Tage vor Ablauf der schriftlichen Heiratsfrist erscheint sie bei Edwin Roland, dem Sohn des Fürsten und gibt sich als Frau seines Freundes Graf Boni aus. Edwin, der sich schon in sein Schicksal mit Komtesse Stasi abgefunden hat, glaubt nun, seine nach wie vor Geliebte als dann geschiedene Gräfin heiraten und seiner Familie vorstellen zu können. Nachdem sich Boni in Stasi verliebt hat, scheint alles einfach. Doch dann gibt sich Sylva als Chansonette zu erkennen, die um den Standesdünkel aufzuzeigen, sich verstellt hat. Sie verlässt Edwin und reist ab. Dieser jedoch kann nicht von ihr lassen und als sein fürstlicher Vater erfährt, dass seine eigene Frau, die Kupfer-Hilda vom Varieté ist, die sich hochgeheiratet hatte, gibt er seinen Widerstand auf. Sylva und Edwin sowie Boni und Stasi finden für immer zueinander.
Und um es gleich vorweg zu nehmen, das zwanzigjährige Jubiläum von Heinz Hellberg auf der Bühne in Schweinfurt ist in jeder Weise gelungen. Hellberg inszeniert die Operette in der authentischen ungarisch-wienerischen Form – und er tut gut daran. So macht Operette Spaß, so kann sie auch wieder in die Herzen ihres Publikums kommen, trotz aller Widerstände und trotzdem sie in den letzten Jahren einfach totgeschwiegen wird. Im Fernsehen kaum noch Operette, im Rundfunk ebenso, der öffentlich-rechtliche Auftrag alle Formen der musikalischen Unterhaltung anzubieten, wird auf das schmählichste ad absurdum geführt und leider erheben sich auch nicht die Stimmen der nach wie vor vielen Operettenliebhaber und zeigen an, dass man sie so nicht behandeln kann. Ein Aufschrei der Musikliebhaber müsste die Rundfunkanstalten erschüttern, und einer der liebenswürdigsten Formen der Musik, der Operette wieder die ihr gebührende Rolle zurückzugeben. Dies geschieht heute „nur“ auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und die Operette begeistert nach wie vor ihr Publikum – natürlich nur, wenn sie so stilsicher aufgeführt wird, wie von Heinz Hellberg und seinen Mannen.
Die Kostüme von Lucia Kerschbaumer sind wunderschön anzusehen, stimmig und prächtig und beleben das Bild auf das trefflichste wie auch das an die Gegebenheiten hervorragend angepasste Bühnenbild, für das Adrian Boboc verantwortlich zeichnet. Man kann sich in die damalige Zeit richtig hineinversetzen und das ist doch schon sehr viel. Der Funken springt über, über auf ein Ensemble, bei welchem es keinen Ausfall gibt.
Dies merkt man zuerst am hervorragend aufgelegten Orchester, welches von Heinz Hellberg straff aber gleichzeitig mit leichter Hand geführt wird. Er lässt es jauchzend galoppieren, nimmt es aber auch stimmschonend zurück, wenn es der Begleitung der Gesangssolisten dient. Melodienreichtum und reine Walzerseligkeit lassen das Publikum dahinschmelzen und es im Walzerrhythmus begeistert applaudieren.
Es ist eine schmissige und schwungvolle Operettenaufführung, an der es praktisch nichts auszusetzen gibt. Sowohl szenisch als auch musikalisch kann man eine Operette erleben, wie sie leider nur noch selten aufgeführt wird. Als Csárdásfürstin Sylva Varescu steht mit der Wienerin Kerstin Grotrian eine lebendige und stimmschöne Sopranistin auf der Bühne. Ein bisschen fehlt ihr zu Anfang gerade beim feurigen Csárdás das leidenschaftliche Feuer. Stimmschön, mit warmem und weichem Sopran, kann sie jedoch weiter entzücken und die ungarische Leidenschaft kommt halt ein bisschen später. Nun wird sie immer besser, fast könnte man sagen, sie singt sich warm, um dann auch in den Duetten mit ihrem Edwin zu glänzen. Insgesamt gesehen eine sehr gute, auch mit viel Beifall versehene Leistung. Als Edwin steht der junge blonde gutaussehende Österreicher Stefan Reichmann auf der Bühne. Er besitzt einen strahlenden, höhensicheren Tenor, den er mühelos einsetzt, vielleicht ihn manchmal etwas zu sehr schont. Aber wo hat man noch einen so blendend aussehenden und auch vorzüglich spielenden sympathischen jungen Tenor. Ich freue mich, dass man wieder einmal einen tenoralen Hingucker und Hinhörer besitzt. Beim Buffopaar bin ich etwas gespalten. Da ist einmal die ewig junge Susanne Hellberg als Komtesse Stasi, die über die Bühne wirbelt, als wäre das ihre eigentliche Berufung. Leidenschaftlich, voller Feuer und Temperament gibt sie alles und auch stimmlich bekommen wir eine überdurchschnittliche Leistung zu sehen und zu hören. Man fragt sich, wo diese kleine, zierliche Person dieses ganze Feuer herholt und freut sich dann doch, dass sie es besitzt und damit ihr Publikum begeistert. Zusammen mit ihrem Bühnenpartner, dem aus Slowenien stammenden David Hojsak als Graf Boni sind sie die eindeutigen Lieblinge des Publikums. Darstellerisch und tänzerisch weiß David Hojsak vollstens zu überzeugen, er bringt eine überaus sympathische Rollengestaltung auf die Bühne. Was mir leider fehlt, ist ein bisschen die Stimme, da ist er für mich einfach zu schwach, zu untergewichtig und selbst bei zurückgenommenem Orchester schwer verständlich. Ich weiß, dass das Publikum dies an diesem heutigen Nachmittag ganz anders sieht, für mich bleibt er ein darstellerisch, gestalterisch und tänzerisch überdurchschnittlicher, stimmlich – momentan – leider etwas untergewichtiger Darsteller. Das Publikum mitreißen kann er jedoch schon vorzüglich. Auf jeden Fall sind beide ein toll aufeinander eingestimmtes Buffopaar, bei dem es einfach Spaß macht zuzuschauen.
Einen tollen, leichtlebigen, aber auch weisen und mahnenden Feri Bácsi brachte der Ungar Csaba Fazekas auf die Operettenbühne. Einige Rezensenten freuten sich, dass er mit ungarischem Akzent spricht – ja, wenn das ein Ungar nicht schafft, wer dann? Jedenfalls verkörperte er den alternden Schwerenöter exzellent. Er lebt alle Facetten dieser Rolle aus und wird zu Recht gefeiert. Gefeiert wie auch das Fürstenpaar, welches von Viktor Schilowsky und Judith Bellai, die beide eine Luxusbesetzung für diese Rollen darstellen, weit über das normale Maß hinaus verkörpert wurden. Beide trumpften toll auf und Judit Bellai zeigte in Spitzenunterwäsche, was sie noch alles so drauf hat. Lang anhaltender Applaus zeugte davon, dass diese Aufführung wieder den Weg zu den Herzen des Publikums gefunden hat. So will man Operette sehen und hören und so macht die gute alte Operette auch weiterhin viel Freude.
Manfred Drescher 20.01.2017
Bilder (c) Operettenbühne Wien