Berlin: Mozart, Strauss

Emanuel Ax (Klavier). Die Berliner Philharmoniker, Ltg.
Andris Nelsons

Mozart
Klavierkonzert in Es -dur, KV 449

Richard Strauss
Burleske in d-moll für Klavier und Orchester

Richard Strauss
Also sprach Zarathustra

Zu den eitlen Tastenlöwen gehört der 65-jährige Emanuel Ax mit Bestimmtheit nicht, er wirkt eher wie ein liebenswürdiger Grandseigneur, doch durchaus mit einer Prise Schalk. Diesen setzt er in der immens schwierigen Burleske in d-moll von Richard Strauss dosiert ein, aber erst gegen Schluss des Werks, wenn er selbst noch vom Flügel aus zwischen seinen Einsätzen zu „dirigieren“ beginnt. (Das ist natürlich nicht gegen den eigentlichen „Chef“ Andris Nelsons gemünzt, sondern zeigt einfach auf, wie sehr Ax in dieser spätromantisch schwelgerischen Burleske mitlebt.) Am Anfang steht ganz die konzentrierte Kraft für die blitzenden Läufe und die Akkordkaskaden, welche er mit stupender Raffinesse und makelloser Präzision spielt. Eindrücklich ist das fein ausgehorchte Zusammenspiel mit den weiteren wichtigen Akteuren, der Pauke z.B. oder den Fagotten und der fein abgestimmte Dialog mit den Berliner Philharmonikern, welche an diesem Abend von Andris Nelsons mit weit ausgreifender Gestik und einer schon beinahe musikantischen Spritzigkeit geleitet werden. Die musikalischen Stimmungen scheinen bei diesem Dirigenten direkt bis in seine Fingerspitzen zu fließen, sein Körper ist oft in gebeugter, spannungsgeladener Haltung zu sehen, aus der dann die Emotionen zu explodieren scheinen. Oft legt er den Taktstock zur Seite und gestaltet die Musik mit beiden Händen und allen Fingern, formt kleinste Verästelungen der Flöte oder Tremoli der Violinen nach. Mit solch präzisem Feinschliff gehen Ax und Nelsons auch das den Abend eröffnende Klavierkonzert KV 449 von Mozart an. Hochkonzentriertes Dialogisieren, feinfühliges aufeinander Hören, klare Formgebung und ein leichter Hauch ins Romantisierende prägen den Kopfsatz. Ungeheuer zart und innig erklingt das Andantino, sentimental ja, weinerlich nein. Pianist und Orchester werfen sich die Bälle mit ruhiger, präziser Hand zu, weich und wunderschön fließend. Der dritte Satz mündet dann in eine lockere Kehraus-Stimmung, geschmackvoll und ein wenig verhalten. Alles überaus sauber und nie überhastet gespielt. Schöne dynamische Abstufungen und wirkungsvoll herausgearbeitete kontrapunktische Passagen prägen diesen Schlusssatz. Für den großen Applaus bedankt sich der Pianist beim Publikum mit einem herrlich weich und ohne kitschiges Rubato gespielten Stück von Chopin.

Nach der Pause treten die Berliner Philharmoniker dann in Großbesetzung aufs Podium, für Strauss´ Tondichtung ALSO SPRACH ZARATHUSTRA. Andris Nelsons achtet stets auf die Durchhörbarkeit des musikalischen Ausdrucks, sein Zugang ist bei aller Wucht, welche in Teilen diese Werks steckt, ein sehr analytischer. Sehr schön und kontrastreich lässt er die gegensätzlichen Aspekte aufeinanderprallen, sich wieder voneinander abgrenzen, das Grelle, das Süffisante, das Tänzerische, das Introvertierte, das Süße. Wunderbar hält er mit den herausragend aufspielenden Musikerinnen und Musikern der Philharmoniker (besonders schön die warmen Kantilenen der Bratschen und die zauberhaften Soli des ersten Konzertmeisters Noel Bendix-Balgley) die Spannungsbögen über die einzelnen Teile und die verdichteten Stellen voller Komplexität aufrecht. Von berückender Intensität das Verklingen im Pianissimo. Am liebsten hätte man die Tondichtung ein zweites Mal gehört, um noch tiefer in diese Musik eintauchen zu dürfen.

Werke:

Wolfgang Amadeus Mozarts 14. Klavierkonzert KV 449 ist ein Werk des Übergangs. Mozart entfernt sich langsam von der althergebrachten Form des Solokonzerts und baut die noch immer vorhandenen Strukturen aus. Die Bläser sind zum letzten mal ad libitum in die Partitur eingetragen, ab dem 15 Klavierkonzert werden sie obligat. Die Komposition beginnt mit einer relativ langen Orchestereinleitung, bevor das Soloinstrument mit einer Variation des Hauptthemas einsetzt. Die dramatische Ausdruckskraft von Teilen dieses Satzes weist deutlich auf Beethoven voraus. Eine kleine harmonische Überraschung verleiht dem Andantino einen beinahe schmerzvollen Einschlag. Das abschliessende Rondo führt auch in ungewöhnliche und entlegene Tonarten. Mozart trug erstmals verschiedene Angaben zu seiner Komposition in ein eigene Werkverzeichnis ein. An seinen Vater schrieb er: "Das ist ein Concert von ganz besonderer Art, und mehr für ein kleines, als großes Orchester geschrieben."

Richard Strauss kam als 21jähriger als Assistent zu Hans von Bülow nach Meiningen. Dort komponierte er seine

Burleske in d-Moll. Eigentlich wollte er sie seinem Mentor Hans von Bülow widmen, doch der lehnte es ab, die Uraufführung zu spielen, obwohl auch er ein ausgezeichneter Pianist war. Dem viel beschäftigten Musiker war der Probenaufwand für dieses schwierige Stück zu gross. Strauss widmete es dann Eugen d’Albert, welcher es unter der Leitung des Komponisten zur Uraufführung brachte.

Dieser Burleske sitzt der Schalk wahrlich im Nacken. Die Komposition weist neben allen witzigen Referenzen an Struass‘ Idole Brahms und Wagner auf seinen TILL EULENSPIEGEL voraus. Der Pianist Rudolf Buchbinder, der das Werk oft aufgeführt hat, sagt dazu: "Man kann da einiges hineininterpretieren: frech, hinterfotzig, da gibt’s schon einiges. Das ist ja typisch Richard Strauss, es ist ja schon der ganze Till Eulenspiegel drin. Und dann kommt der Moment, wo er genau weiß, dass man auf die Tränendrüse drücken muss. Plötzlich diese Cantilene. So sind einige Stellen in dieser Burleske." Den Auftakt überlässt Strauss der Pauke. Im weiteren Verlauf werden sich die vier Pauken immer wieder prominent in den Vordergrund drängen!

Rund zehn Jahre nach der Burleske entstand die Tondichtung ALSO SPRACH ZARATHUSTRA. Da Strauss eigentlich dem Christentum nicht sehr zugeneigt war, erstaunt es nicht, dass er Nietzsches kulturkritischen Angriffen nicht gerade ablehnend gegenüberstand. Nietzsches Hymne entspricht in ihrem sprachlichen Rhythmus einer Art Musikstück. Auch Gustav Mahler hat sich für den Text interessiert. Strauss hat die neun Teile seiner Komposition nach Kapiteln aus Nietzsches Gedicht benannt. Berühmt wurde der Anfang: Die grandiose Natur-Motiv Steigerung c´-g´c´´ ist wohl das berühmteste crescendo der Musikgeschichte und fand Eingang in Filmmusikscores, Popmusik und Werbespots (von Stanley Kubricks 2001 – A SPACE ODYSSEY über die Simpsons zu LED ZEPPELIN und ELVIS PRESLEY bis zur Werbung für eine deutsche Biermarke). Doch auch was sich nach diesem alle in seinen Bann führenden Beginn tut, ist beachtlich und zeigt Richard Strauss in Höchstform der effektvollen Orchestrierungs- und Motiv-Verarbeitungstechnik. Ein immenser Bogen führt zum zwiespältig zwischen H- und C-Dur changierenden Finale.

Kaspar Sannemann, den 17. Oktober 2014

Der Originalbeitrag befindet sich bei www.oper-aktuell.info