Berlin: „La Fiamma“, Ottorino Respighi

© Monika Rittershaus

Ottorino Respighi und sein Librettist Claudio Guastalla wussten, warum sie ihre La Fiamma aus dem Norwegen des 16. in das Italien des 7. Jahrhunderts verlegten, obwohl es dort und zu dieser Zeit keine Hexenverbrennungen gab. Ganz besonders interessant ist zudem die Stadt Ravenna, in der zuvor der Ostgotenkönig Theoderich, dessen gewaltiges Grabmal dort noch zu bewundern ist, eine Versöhnung zwischen Römern und Goten angestrebt hatte, welches Experiment unter seinen Nachfolgern durch die vereinte Kraft von West- und Oströmern aus Italien und aus Konstantinopel ein unrühmliches Ende genommen hatte. Seitdem herrschte in Ravenna ein Exarch von byzantinischen Gnaden, erlebte die Stadt aber auch eine kulturelle Blüte ohnegleichen, deren Zeugnis vor allem die Mosaiken in San Vitale oder San Apollinaire in Classe sind, Orte, die im Libretto durchaus Erwähnung finden. In diesem Ambiente ließ sich eher als in Norwegen der angemessene Handlungsort für eine Musik erahnen, die nach des Komponisten Wunschdenken einen Beitrag dazu leisten sollte, der italienischen Musik auch in Zukunft einen hohen Stellenwert zu garantieren. Eine hoch interessante Zeit und ein eben solcher Ort also, auf die aber Regisseur Christof Loy zugunsten einer Verlegung in die Entstehungszeit der Oper verzichtet, so wie bereits in seinen bisherigen Produktionen an der Deutschen Oper, denen von Zandonais Francesca da Rimini, Schrekers Der Schatzgräber und Korngolds Das Wunder der Heliane, den Werken eine kühle, elegante, eher zeitlose als zeitgebundene Optik von großem ästhetischem Reiz angedeihen ließ, die nicht selten den heißen Atem, die emotionale Wucht der zwischen Historismus und Modernität angesiedelten Musik konterkarierte. Für La Fiamma wählte er mit Bühnenbildner Herbert Murauer eine Optik, die den Zuschauer an die Konzertmuschel der DO in sanften Holztönen denken lässt, einige Treppenstufen, zeitweise, aber nicht nur, wenn es ums Erinnern geht, ein Stück Natur im Hintergrund. Hebt sich der Vorhang, denkt man zunächst, es stehe die Aufführung eines Oratoriums bevor. Eintönigkeit herrscht auch bei den Kostümen von Barbara Drohsin, die das Volk in einheitliches Schwarz kleidet, in unmittelbarer Umgebung der Silvana tragen die Damen dazu weiße Krägelchen und Manschetten, Silvana selbst schleppt zu Beginn ein grünes, nach dem Verfallen in sündige Liebe ein rotes Tuch mit sich herum., kann sich von ihrem Kleinen Schwarzen alle drei Akte hindurch nicht trennen. Der reichliche Verbrauch von Trockeneis zwingt dem Besucher auch eher ein wissendes Lächeln als ehrliche Ergriffenheit ab. Immer mehr im Verlauf des Abends drängt sich zudem der Verdacht auf, Respighi sei doch eher ein Sinfoniker als ein Opernkomponist gewesen, obwohl Carlo Rizzi am Dirigentenpult seine Erfahrungen mit italienischer Oper in angenehmster Art und nicht zuletzt durch das Eingehen auf die Bedürfnisse auf der Bühne unter Beweis stellt. Kein Wunder, dass der Dirigent ebenso wie der Regisseur für den diesjährigen Oper! Award nominiert sind.

© Monika Rittershaus

Zur ernüchternden Optik gesellen sich Gesangspartien, die zwar vieles von den Sängern fordern, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, wahrhaft zu glänzen. In den Vorabbekundungen war immer wieder die Rede von einer Oper der drei Frauen, von Silvana, die sich in den Sohn ihres alternden Gatten verliebt und beim Sterben des Letzteren das Ihre zu einem schnelleren Ableben beiträgt, von der sie knechtenden Schwiegermutter Eudossia, und von Agnese di Cervia, die sie zunächst vor dem Tod durch Verbrennen retten kann. Die am ehesten zu Herzen gehende Szene gehört allerdings einer vierten Frau, der Gefährtin Monica, die sich in denselben Mann verliebt wie Silvana und deswegen von dieser ins Kloster verbannt wird. Zwischen den beiden gibt es die Szene, die am ehesten die Fähigkeit hat, den Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Dazu tragen natürlich auch das innige Spiel und die feine lyrische Sopranstimme von Sua Jo das Ihre bei. Höchst eindrucksvoll ist auch der Auftritt von Doris Soffel als Agnese mit schonungslosem stimmlichem wie darstellerischem Einsatz. Von der Elsa zur Ortrud hin hat sich der Sopran von Martina Serafin entwickelt, so dass sie nicht nur die erbarmungslosen (gewollten ) Höhenschärfen, sondern auch die tiefere Lage dieser eigentlichen Mezzopartie zur Verfügung hat. Geplant war die Silvana für Ausrine Stundité, an ihre Stelle war Olesya Golovneva getreten und bewältigte eine wahre tour de force mit hingebungsvollem Spiel und dem Einsatz einer klaren, hellen, gut tragenden Sopranstimme. Kaum an einen italienischen Tenor denken ließ Georgy Vasiliev als Donello mit glanzloser, allerdings ebenmäßig geführter Stimme. Eine klarere Diktion des Italienischen ist beiden Sängern anzuraten. Schmunzeln konnte man, wenn man sich den als Basilio mit machtvollem Bariton auftrumpfenden Ivan Inverardi als Träger eines Cilicio, eines Bußgürtels vorstellte. Imposant war der Exorzist von Patrick Guetti, auch Caitlin Gotimer als trauernde Mutter und Manuel Fuentes als Bischof konnten gefallen. Chor und Extrachor (Leitung Jeremy Bines) spielten und sangen höchst eindrucksvoll, mehr als einmal im Verlauf des Abends fragte man sich, welche Wirkung das Werk hätte entfalten können, wenn dem Reichtum im Orchestergraben eine angemessene Optik gegenüber gestanden hätte.

© Monika Rittershaus

Ein bisschen nach bemühter Rechtfertigung dafür, dass man ein Werk auf die Bühne lässt, dessen Uraufführung einst Benito Mussolini besuchte, klingt, wenn auch mit leise vernehmbarem Zweifel, die Anekdote, die im Programmheft zum Besten gegeben wird, nach der der Komponist eine Einladung des Diktators ablehnte und nur die Gattin zum anberaumten Termin schickte. Und wenn er gegangen wäre? Dann zählt immerhin noch, dass der Librettist ein Jude war.

Ingrid Wanja, 29. September 2024


Ottorino Respighi
La Fiamma

Deutsche Oper Berlin

Besuchte Premiere am 29. September 2024

Inszenierung: Christof Loy
Musikalische Leitung: Carlo Rizzi
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin