Mailand: „Gedenkkonzert Puccini“, Klavier: James Vaughn

Dieses zu Puccinis Todestag vor 100 Jahren angesetzte Konzert bzw. die Form seiner Durchführung hat viel Rauschen im internationalen Blätterwald hervorgerufen. Vorgesehen war ein dem Orchester vorbehaltener erster Teil mit der Darbietung (mit Ausnahme des Intermezzos aus der „Butterfly“) von Stücken, die Puccini vor seinem endgültigen Durchbruch auf der Opernbühne komponiert hatte. Nach der Pause mit der „Tregenda“ aus „Le Villi“ noch ein zu der erwähnten Phase gehöriges Stück und abschließend der 4. Akt von „Manon Lescaut“, welches Werk Puccini zu erstem Weltruhm verhelfen sollte. Als Manon und Des Grieux waren Anna Netrebko und Jonas Kaufmann vorgesehen, als Dirigent natürlich der Musikdirektor des Hauses Riccardo Chailly.

Für diesen Tag war ein Generalstreik gegen finanzielle Maßnahmen der Regierung Meloni ausgerufen worden, aber in der Scala hatte man gehofft, eine ausreichende Orchesterbesetzung versammeln zu können, weil ja nicht gefragt werden darf, wer am Streik teilzunehmen gedenkt. Erst recht kurz vor Konzertbeginn stellte sich heraus, dass zu viele Orchestermusiker streikten, als dass an eine symphonische Wiedergabe zu denken war. So wandte sich Intendant Dominique Meyer kurz nach 20 Uhr an das Publikum, erklärte die Situation, aber auch, dass es gratis ein Ersatzprogramm mit Klavierbegleitung geben werde, weil  der Kartenpreis in jedem Fall an die Käufer zurückgezahlt würde. Dann wurden die Stühle der Musiker weggeräumt, ein Klavier hereingebracht, und das Konzert begann mit etwa 35-minuetiger Verspätung.

Begonnen wurde mit „Addio, mio dolce amor“ aus „Edgar“, mit welcher Arie Mariangela Sicilia den ursprünglichen ersten Teil bereichern hätte sollen. Es folgte „Torna ai felici dì“ aus „Le Villi“, gesungen von Luciano Ganci, der für die Proben von „La forza del destino“ in Mailand anwesend war. Nun sang Sicilia „Mi chiamano Mimì“, zu der sich für „O soave fanciulla“ jetzt Jonas Kaufmann gesellte. Ganci interpretierte „Addio fiorito asil“, gefolgt von „Il bel sogno di Doretta“ aus „La Rondine“, wieder mit Sicilia. Jetzt war wieder Kaufmann mit „Ch’ella mi creda“ an der Reihe, dann Sicilia mit „O mio babbino caro“. Und nun folgte wie vorgesehen der 4. Akt „Manon Lescaut“ mit Netrebko/Kaufmann. Sicilia sang Liùs „Tu che di gel sei cinta“, Kaufmann „E lucevan le stelle“, Netrebko den Musette-Walzer. Intoniert wurde dann von allen Beteiligten ein mir unbekanntes Stück, das wie eine Art Schlaflied klang, und der Abend endet mit „Nessun dorma“, gesungen von Kaufmann.

Sicilia hatte also statt einer fünf Arien gesungen, dazu kamen die beiden Beiträge von Ganci und die zusätzlichen Nummern der beiden Stars. Aber wie war die Wirkung? Mariangela Sicilia verfügt über einen sehr schönen, technisch gut fundierten lyrischen Sopran, den sie in den ausgewählten Stücken bestens einzusetzen wusste und damit ihr umfangreiches Pensum glanzvoll bewältigte. Luciano Ganci ließ mit seinem strahlenden Tenor einmal mehr bedauern, dass er bei der Eröffnungsproduktion erst mit späteren Aufführungen der „Forza del destino“ zum Einsatz kommen wird. Und die beiden Stars? Anna Netrebko straft alle Jene Lügen, die einen Verfall ihrer stimmlichen Möglichkeiten herbeireden wollen, und interpretierte die sterbende Manon mit herzzerreißender Intensität, um dann mit der Musette eine völlig gegensätzliche Figur mit derselben Klasse zu singen. Jonas Kaufmanns Stimme klingt nicht mehr ganz in der alten Frische, aber Expressivität und Charisma sind unverändert, wodurch er seinem Ruf ja doch gerecht wurde. Und der süffige Klang, den Chefkorrepetitor James Vaughn dem Klavier entlockte, ließ bald nicht mehr an den Verlust der Orchesterbegleitung denken.

Fazit: Ein wunderbares Konzert und eine tolle Geste des Hauses, ermöglicht durch die Großzügigkeit der mitwirkenden Künstler.

Eva Pleus, 9. Dezember 2024

Leider keine offiziellen Bilder


Puccini-Gedenkkonzert
Teatro alla Scala

29. November 2024

Solisten: Anna Netrebko, Mariangela Sicilia, Luciano Ganci, Jonas Kaufmann
Klavier: James Vaughn