Osnabrück: „Rusalka“, Antonín Dvořák

Lieber Opernfreund-Freund,

ganz zauberhaft präsentiert sich derzeit die Osnabrücker Rusalka. Regisseur Christian von Götz lässt das Märchen Märchen sein, holt es aber in die Entstehungszeit der Oper am Fin de Siècle. Mithilfe einer ausnehmend überzeugenden Sängerriege entführt er die Zuschauer in ein rauschhaftes Klang- und Bilderfest.

© Stephan Glagla

Ausstatter Lukas Noll hat dem aus Lübeck stammenden Regisseur einen dreigeteilten Aufbau auf die Osnabrücker Drehbühne gestellt, der auf der einen Seite Rusalkas Naturwelt zeigt und den Zuschauer auf einer zweiten in ein Jugendstilbad entführt, das den Palast aus dem Libretto ersetzt und in dem die fremde Fürstin ihre Malesten mit Trinkkuren zu lindern versucht. Auf beiden Seiten finden sich zahlreiche Jugendstilelemente, die den Zuschauer direkt in die Entstehungszeit des Werkes führt. In einem kurzen Moment ist auch die dritte Seite zu sehen, die dem Prinzen als Atelier dient, denn hier jagt jeder seinem Idealbild hinterher: Es ist nicht nur Rusalka, die sich nach dem Prinzen, dem Menschsein und einer Seele sehnt. Auch der Prinz hat sich ein detailliertes Bild gemalt von der Frau an seiner Seite. Zu Beginn ist darauf noch eine nymphenhafte Rusalka-Gestalt zu sehen, im zweiten Akt tauscht er sie gegen ein Bild der fremden Fürstin aus, die selbst wie ein Gemälde erscheint: Lukas Noll hat sie in eine golddurchwirkte Robe gesteckt, wie sie Judith auf Gustav Klimts berühmten Gemälde Judith und Holofernes trägt, das 1901 entstanden ist – dem Uraufführungsjahr der Oper. Das ausgetüftelte Lichtdesign von Ingo Jooß und die Videos, die auf die Kulissen projiziert werden, schaffen zusätzlich Stimmung und ziehen den Zuschauer förmlich in die fantastische Märchenwelt hinein. So gelingt von Götz ein Gesamtkunstwerk, in dem er die klassische Erzählung im Wesentlichen für sich selbst stehen lässt, allenfalls den Fokus auf die inneren Sehnsüchte der Protagonisten lenkt.

© Stephan Glagla

Auf der Bühne selbst stehen sich drei exzeptionelle Sängerdarstellerinnen gegenüber, allen voran Tetiana Miyus, die sich die Seele aus dem Leib spielt, während sie mit facettenreichem Sopran voller Lyrik und Kraft zugleich die Zerrissenheit ihrer Figur glaubhaft macht. Nana Dzidziguri ist eine Wucht als Hexe Ježibaba, stattet ihren ohnehin schon saftigen Mezzo mit düsteren, kehligen Farben aus und ist auch darstellerisch bis in die letzte Faser hinein die undurchsichtige Zauberin. Susann Vent-Wunderlich schleudert Rusalka ihre Beschimpfungen so kraftvoll und durchdringend entgegen wie Turandot Kalaf die Rätsel. Seit ihrem Eintritt ins Osnabrücker Ensemble 2012 hat sie ihrem höhensicheren Sopran eine satte Mittellage hinzugefügt, die blendend zur fremden Fürstin passt, so dass es einem förmlich in den Sitz drückt. Nicht vergessen will ich außerdem Susanna Edelmann, die als Badeschwester (eigentlich Küchenjunge) feine und situationskomische Akzente setzt.

© Stephan Glagla

Der geballten Frauenpower stehen ebenso stimmgewaltige Sänger gegenüber: Sung Min Song stemmt die Mörderpartie des Prinzen ohne erkennbare Anstrengung. Dem Südkoreaner gelingen feine Piani wie eindrucksvolle Ausbrüche gleichermaßen. Dazu verfügt er über einen ausgesprochen klangschönen Tenor mit glänzen Höhen. Eher tief geht es bei Dominic Barberi zu, der als Wassermann überzeugt. Im Laufe des Abends läuft das Osnabrücker Neu-Ensemblemitglied zu Höchstform auf und demonstriert alle Möglichkeiten seines imposanten Basses. Jan Friedrich Eggers komplettiert zusammen mit dem hinreißenden Elfentrio bestehend aus Susanna Edelmann, Chihiro Meier-Tejima und Kathrin-Bauer das spielfreudige Ensemble.

© Stephan Glagla

Im Graben liegt am gestrigen Abend die Verantwortung bei Benjamin Huth, den mir das Internet eher am Theater Plauen-Zwickau verortet. Der junge Dirigent entführt das Publikum mit seinem seelenvollen Dirigat in die vollkommene spätromantische Traumwelt der Dvořák’schen Tonsprache und so macht er mit den Musikerinnen und Musikern des Osnabrücker Symphonieorchesters den Abend perfekt.

Ihr
Jochen Rüth, 5. Februar 2025


Rusalka
Oper von Antonín Dvořák

Theater Osnabrück

Premiere: 18. Januar 2025
besuchte Vorstellung: 4. Februar 2025

Regie: Christian von Götz
Musikalische Leitung: Benjamin Huth
Osnabrücker Symphonieorchester

weitere Vorstellungen: 9. und 12. Februar sowie 6. und 14. März 2025