Mit Giuseppe Verdis Oper „La forza del destino“ (Die Macht des Schicksals) schließt die Bonner Oper die Verdi-Trilogie des Regie-Altmeisters David Pountney glanzvoll ab. Bereits mit dem „Maskenball“ und vor allem mit der „Sizilianischen Vesper“ widmete sich Pountney weniger populären und sperrigen Werken des Meisters. Die „Macht des Schicksals“ mit ihrer außergewöhnlichen Länge, extrem verworrenen Handlung und stilistischen Buntscheckigkeit wird traditionell kritisch beäugt. Der Mix aus Liebesromanze, bigotter Kloster-Frömmelei, latentem Rassismus, lärmender Kriegs-Euphorie und verhaltener Friedenssehnsucht ergibt eine Melange von Stimmungsbildern, die Verdi zusätzlich grotesk überdreht oder ironisch bricht.
Von dramaturgischer oder stilistischer Stringenz im klassischen Sinne kann nicht die Rede. Aber muss das im Zeitalter eines experimentellen Theaterverständnisses, das keine Grenzen zu kennen scheint, ein Nachteil sein? Gewiss nicht, wenn ein erfahrener, ebenso traditionsbewusster wie Neuem aufgeschlossener Theatermann wie David Pountney am Werke ist.
Die vielen Brüche der an etlichen Stellen unglaubwürdigen Handlung will er ebenso wenig übertünchen wie Will Humburg am Pult des Beethoven Orchesters. Der lässt es an dramatischen Höhepunkten und lärmendem Kriegsgerassel ebenso mächtig krachen wie er das zarte Friedensgebet Leonoras in überirdisch sanfte Klänge bettet. Jede Fassette der schillernden Partitur, jeder noch so schroffe Stimmungswechsel wird kompromisslos ausgespielt.
Nicht anders nimmt Pountney das Werk szenisch in Angriff. Damit sich der bunte Szenen-Salat jedoch nicht in völlig willkürliche Unverbindlichkeit verflüchtigt, rückt er die rätselhafte Figur der „Zigeunerin“ Preziosilla stärker ins Rampenlicht. In Pountney tritt sie nicht nur als Kriegstreiberin in Erscheinung. In Bonn begleitet sie als eine Art dunkel verschleierte Schicksalsgöttin die gesamte Handlung. Mit ihrem Stab gibt sie Einsätze für die unheilverkündenden Eingangsakkorde der Ouvertüre, während sich im Hintergrund das Rad der Fortuna dreht. Und an dem dreht sie, als „Macht des Schicksals“, an entscheidenden Schrauben der Handlung, bis sie am Ende wieder den Takt angibt. Zu den diesmal unendlich zarten Schlussakkorden im Angesicht der Leichen von Leonora und deren unversöhnlichem Bruder Don Carlo.
Schrille Kostüme von Marie-Jeanne Lecca sowie ausdrucksstarke, flexibel wandelbare Bühnenbilder von Raimund Bauer unterstreichen die szenische Buntscheckigkeit des Stücks. Der mit einer großen Partie bedachte Chor muss dabei nicht nur gesanglich in diverse Rollen des gemeinen Volks, der Soldaten und Mönche schlüpfen, sondern auch in ein ganzes Arsenal von Kostümen. Wobei es Pountney gelingt, mit seiner Erfahrung und seinem handwerklichen Können den Chor souverän und spannend zu führen.
Nicht weniger erfahren ist Maestro Will Humburg im Umgang mit Verdi und dem Beethoven Orchester. Mit seinem ebenso intensiven wie differenzierten Dirigat führt er die Solisten hilfreich durch den langen Abend, fordert ihnen aber auch das Letzte an Einsatzbereitschaft ab. Vermeiden kann freilich auch er nicht, dass mancher Sänger stärker forcieren muss als erwünscht. So Franco Vassallo als Don Carlo, der seine große Baritonstimme prachtvoll entfalten kann, dynamisch allerdings an seine Grenzen stößt. Ähnlich wie George Oniani als Don Alvaro, dessen durchsetzungsstarker, in den Höhen leicht beengter Tenor wiederholt unter Druck geriet. Leichter haben es da Pavel Kudinov mit seinem balsamisch weichen Bass als Padre Guardiano und Enrico Marabelli, der sich als skurril-cholerischer Fra Melitone gesanglich und komödiantisch voll austoben darf.
Eine Riesenrolle nach der anderen stemmt Yannick-Muriel Noah an der Bonner Oper. Nach ihrer beeindruckenden „Tosca“ überzeugt sie nicht weniger als Leonora. Eine mit selbstbewusst auftrumpfenden Passagen und zerbrechlich zarten Lyrismen bedachte Partie, die die Sängerin tonschön und nahezu mühelos zum Klingen bringen kann. Mit hintergründiger Dämonie gestaltet Dshamilja Kaiser die in der Inszenierung vielschichtig angelegte Partie der Preziosilla.
Begeisterter Beifall des Premieren-Publikums für einen rundum beeindruckenden Kraftakt des Bonner Hauses.
Pedro Obiera, 4. Februar 2025
La forza del destino
Giuseppe Verdi
Oper Bonn
Premiere am 2. Februar 2025
Regie: David Pountney
Dirigat: Will Humburg
Beethoven Orchester Bonn
Die nächsten Aufführungen im Bonner Opernhaus: am 8., 11., 16., 21. und 23. Februar sowie am 8. und 23. März