Amsterdam: „Fin de partie“

György Kurtag

Premiere: 6. März 2019

Besuchte Vorstellung: 8. März

Wenn ein 93-jähriger berühmter Komponist seine erste Oper präsentiert, so ist das ein besonders Ereignis. György Kurtags „Fin de Partie“ war von Alexander Pereira in Auftrag gegeben worden, sollte bereits an dessen früheren Stationen Zürich und Salzburg uraufgeführt werden, kam aber erst im letzten November an der Mailänder Scala heraus. Die Amsterdamer Oper zeigt die Uraufführungsinszenierung von Pierre Audi jetzt für drei Vorstellungen.

Aus dem Beckett-Klassiker hat György Kurtag 14 Szenen ausgewählt, die insgesamt zwei Stunden Musik ergeben: Der blinde und im Rollstuhl sitzende Hamm traktiert seinen Diener Clov, während seine Eltern Nell und Nagg in Mülltonnen leben.

Mit 72 Musikern ist das Orchester für eine moderne Oper nicht allzu groß besetzt. Fünf Schlagwerker, Flügel, Celesta, Bajan und Cymbalon sorgen für besondere Klangfarben. Kurtag hat seine Partitur sehr sparsam und sängerfreundlich instrumentiert. Ungewöhnlich ist, dass die Klangtupfer dieser gestischen Musik bei jedem Ton von einer Instrumentengruppe zur anderen wechseln.

Gelegentlich hat man den Eindruck, dass dem Stück eine Kürzung um 20 bis 30 Minuten gutgetan hätte, gleichzeitig ist man immer wieder fasziniert davon, wie Kurtag die Klangfarben mischt. Überraschend auch, dass bei Hamms Gesängen oft das Orchester nur spielt, wenn er auch singt und auch in seinen Pausen schweigt, als sei die Musik ein Teil seines Gesangs.

Der ehemalige Kölner Generalmusikdirektor Markus Stenz, der auch schon die Mailänder Uraufführung geleitet hat, steht am Pult des Radio Filharmonisch Orkest und führt Musiker und Sänger mit seiner souveränen Schlagtechnik durch die vertrackte Partitur, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Dabei gelingt es ihm immer wieder emotionale und humoristische Elemente aufblitzen zu lassen.

Auch auf der Bühne ist die Besetzung der Uraufführung zu erleben: Frode Olsen singt die gewaltige Partie des Hamm mit aasig-nölendem Bass. Mit energischem Bass, der sich manchmal zu schneidender Intensität steigert singt Leigh Melrose den hyperaktiv humpelnden Diener Clov. Als Vater Nagg verbreitet Leonardo Cortellazzi Belcanto-Aura. Die Nel der Hilary Summers, darf mit dem Gedicht „on all that strand“ einen lyrisch-schönen Prolog singen.

Weil die Figuren bis auf den Diener Clov alle zur Bewegungsarmut verdammt sind, kann Regisseur Pierre Audi sich bei den anderen Figuren nur Gesten, Mimik und Blicke inszenieren. Dies gelingt aber punktgenau und wird von den Darstellern spielfreudig umgesetzt.

Bühnenbildner Christof Hetzer lässt das Stück nicht in einem Innenraum spielen, wie es von Beckett eigentlich vorgesehen ist, sondern vor einem Haus, das aber in zwei andere Häuser, die wiederum nach vorne geöffnet sind, eingeschachtelt ist. Diese drei Häuser werden mehrfach verschoben, wodurch etwas Abwechslung in das Bühnenbild kommt. Dies führt aber auch zu kleinen Umbaupausen, in denen man die Erschöpfung des Publikums durch das absurde Theater auf der Bühne spüren kann.

Eine absurde Geschichte am Rande: Eigentlich hatte die Oper Dortmund für den Mai die Deutsche Erstaufführung geplant. Alexander Pereira hat diese aber verhindert, weil die Mailänder Inszenierung Exklusivitätsrechte besitzt. Dortmund bringt seine Produktion deshalb erst im Januar 2021 heraus.

Rudolf Hermes 10.3.2019

Bilder (c) DNO