Amsterdam: „Lessons in Love and Violence“

George Benjamin

Premiere: 25. Juni 2018

Ein ungeschriebenes Theatergesetz lautet, dass es von einer Geschichte nur eine erfolgreiche Oper geben kann. In den Wettstreit treten nun zwei Opern über den homosexuellen englischen König Edward II.. Nachdem die Deutsche Oper Berlin im Februar 2017 Andrea Scartazzinis gleichnamige Oper uraufgeführt hat, legt jetzt George Benjamin seine „Lessons in Love and Violence“ nach. Uraufführung war im Mai in London, die Oper in Amsterdam zeigt die neue Oper nun als kontinentale Premiere.

Im Gegensatz zu Scartazzini fokussieren George Benjamin und sein Librettist Martin Crimp ganz auf die fünf zentralen Figuren: Den König und seinen Liebhaber Gaveston, die Königin Isasbel, den intriganten Berater Mortimer sowie den Kronprinzen. Dazu gibt es noch drei Nebenfiguren, die in kleine Rollen schlüpfen.

Die titelgebenden „Lessons“ erlebt der Kronprinz: Nachdem sich König Edward nur um seinen Liebhaber, das leichte Leben und die Künste kümmert, wird er Schritt für Schritt von Mortimer und der Königin entmachtet. Der Kronprinz lernt, dass potenzielle Aufrührer getötet werden müssen und entledigt sich schließlich selbst Mortimers, der ihn zum König gemacht hat.

George Benjamin, der die Amsterdamer Aufführungsserie selbst dirigiert, nutzt ein großes Orchester, dass jedoch stets federleicht klingt. Permanent ist die unterschwellige Bedrohung und der nahende Untergang dieses Königs zu hören. Die Spannungen und Konflikte der Geschichte sind plastisch und gestenreich vertont, sodass die Partitur einem Regisseur viele Anregungen geben kann.

Zudem fließt Benjamins Musik in ihren atonalen Spannungen ganz natürlich und organisch dahin, und wirkt nie, als wolle sie den Hörer verschrecken. Stattdessen fühlt man sich vom Komponisten bestens durch das dramatische Geschehen geführt.

Benjamin hat seine Musik den Uraufführungs-Interpreten perfekt in die Kehlen geschrieben. Selbst schnelle Passagen oder ungewöhnliche Lagen, machen keinerlei Mühen. Die Baritöne von Stéphane Degout als König und Gyula Orendt als Gaveston tönen mit viel Wohlklang. Barbara Hannigan singt die Königin mit geschmeidiger Eleganz, und Samuel Boden singt den Prinzen mit sehr schönem Countertenor. Einzig Intrigant Mortimer, der von Peter Hoare mit kräftigem Charaktertenor gesungen wird, besitzt einige grelle Farben, aber die gehören zur Rolle.

Regisseurin Katie Mitchell verzichtet im Gegensatz zu Christof Loy in Berlin auf Lack- und-Leder-Comedy, sondern siedelt das Stück in einer eleganten Gegenwart an. Ausstatterin Vicki Mortimer hat einen schicken Raum entworfen, der aus einem Bett, einem Aquarium und einer Kunstvitrine entworfen, dessen Bestandteile schnell verschiebbar sind, so dass der Raum sich von Bild zu Bild verändert und auch den Niedergang des Königs optisch darstellt.

Unklar bleibt aber, was George Benjamin und Martin Crimp an dieser Geschichte wirklich interessiert, denn die eine Relevanz des Stoffes für den heutigen wird nie richtig deutlich. Hatte man bei Scatazzini in Berlin den Eindruck, es ginge darum einer historischen Homosexuellen-Ikone ein musikalisches Denkmal zu setzen, bleibt hier unklar, was die Schöpfer dieser Oper ihrem Publikum mitgeben wollen.

Nach der Amsterdamer Aufführungsserie wird die Produktion sich weiter auf die Reise begeben, denn Koproduktionspartner sind die Opernhäuser von Lyon, Chicago, Barcelona und Madrid. In Deutschland ist die Inszenierung vom 7. bis 20 April 2019 an der Hamburgischen Staatsoper zu sehen.

Rudolf Hermes 27.6.2018

Bilder (c) DNO