Premiere: 18. Januar 2018
Wenn die Amsterdamer Oper Richard Wagner auf den Spielplan setzt, dann inszeniert Hausherr Pierre Audi, am Pult steht Chefdirigent Marc Albrecht und auf der Bühne versammeln sich die Stars des internationalen Wagner-Gesangs. So auch bei der Premiere von „Tristan und Isolde“. Die Produktion war schon im Mai 2016 im Pariser Theatre des Champs-Elysees herausgekommen und im Herbst 2016 auch in Rom zu sehen.
Nachdem man einige Produktionen von Pierre Audi erlebt hat, muss man feststellen, dass die Gesamtwirkung sehr stark vom beteiligten Bühnenbildner abhängig ist. War der „Ring“ in den Räumen von George Typsin ein monumentales und raumgreifendes Spektakel, so wirkten die Parsifal-Räume von Anish Kapoor eher hilflos. Beim „Tristan“ ist Christof Hetzer der Ausstatter.
Die Räume werden zwar von Jean Kalman schön ausgeleuchtet, wirken aber beliebig und austauschbar: Der erste Akt spielt vor den Mettallwänden eines abgewrackten Schiffes. Dadurch, dass die Wände verschiebbar sind, entstehen immer neue Raumvariationen, die zudem sängerfreundlich sind, da die Stimmen gut in den Zuschauerraum reflektiert werden.
Der zweite Akt spielt auf einem Friedhof der alaskischen Tikigaq vor riesigen Walrippen. Im dritten Akt befinden wir uns in einer Steinwüste. Da diese Räume keinerlei Schall reflektieren, müssen die Sänger die ganze Zeit an der Rampe agieren. Immerhin kann man Audi bescheinigen, dass seine Personenregie sorgfältig gearbeitet ist und glaubhafte Figuren zeichnet. Allerdings könnte diese Regie genauso in einem klassischen Bühnenbild oder auf komplett leerer Bühne stattfinden.
Eine originelle Idee, welche bei konsequenter Durcharbeitung die ganze Inszenierung hätte prägen können, ist ein schwarzer Stein. Im ersten Akt ersetzt er den Liebestrank. Tristan und Isolde halten sich diesen Stein an die Stirne. Im zweiten Akt steht er anfangs als großes Monument der Liebe auf der Bühne, von dem nachher aber nur eine Gitterstruktur übrigbleibt. Im letzten Akt sucht Tristan in der Steinwüste nach diesem Liebessstein.
Ein großartiges Dirigat bietet Marc Albrecht am Pult des Nederlands Philharmonisch Orkest. Albrecht formt ein einen weichen Mischklang, der stark an Bayreuth orientiert ist. Selten hat man diese Oper so kammermusikalisch gehört. Höhepunkte setzt Albrecht sparsam, aber dann sehr wirkungsvoll ein. Die Tempi fließen ruhig dahin und obwohl das Liebesduett im zweiten Akt nicht gekürzt ist, dauert die Aufführung nur knapp über fünf Stunden.
Auf der Bühne ist ein starkes Wagner-Ensemble zu erleben. Für wahre Gänsehautmomente sorgt Stephen Gould als Tristan. Sein kräftiger und farbenreicher Tenor hat nie Probleme mit der gigantischen Partie. Zudem singt er textverständlich und wenn er dann im zweiten Alt geradezu lyrisch „So stürben wir“ anstimmt, geht das unter die Haut. Ist sein Tristan eher ein abgeklärter Philosoph, so ist die Isolde von Ricarda Merbeth von jugendlichem Enthusiasmus geprägt. Eine Mezzo-Fundierung fehlt ihrer Stimme, die sehr hell und klar klingt, so dass man manchmal das dramatische Feuer vermisst, dass andere Isolden besitzen.
Geradezu balsamisch singt Günter Groissböck den König Marke. Trotz der Länge seiner Klage im zweiten Akt, kann sich der Hörer hier dem puren Wohlklang hingeben. Einen kernig-markanten Kurwenal singt Ian Patterson, während Michelle Breedt als Brangäne in den dramatischen Passagen die Anstrengungen der Rolle erkennen lässt.
In dieser Aufführung begeistert vor allem die musikalische Seite, die Regie ist weitgehend unspektakulär. Positiv muss aber vermerkt werden, dass hier nicht versucht wird, dem Stück krampfhaft eine neue Deutung zu geben und dass die Regie die Geschichte und die Musik ernst nehmen und diesen genügend Raum lassen.
Rudolf Hermes 23.1.2018
Bilder (c) Ruth Walz