Frankfurt: „The Cave“, Steve Reich und Berit Korot

Vorstellung: 18. Dezember 2016

Seit Jahren bringt die Oper Frankfurt im Bockenheimer Depot Uraufführungen und Opernraritäten sowie Deutsche oder Frankfurter Erstaufführungen, wie kürzlich „The Cave“ von Steve Reich. Das vom Komponisten Multimediales Oratorium in drei Teilen genannte Werk ist eine dokumentarische Video-Oper, in der Steve Reich gemeinsam mit der Videokünstlerin Berit Korot den Spuren der Beziehung zwischen Juden und Muslimen folgt und damit die 4000 Jahre alte biblische Geschichte von Abraham, seinen beiden Frauen Sara und Hagar sowie seinen Söhnen Ismaël und Isaak vergegenwärtigt. Die Uraufführung dieser „Video-Oper“ fand übrigens im Mai 1993 im Rahmen der Wiener Festwochen statt.

Die Handlung in Kurzfassung: Die Höhle Machpela in Hebron – sie ist auch die Höhle des Patriarchen – ist Ruhestätte des Erzvaters Abraham und seiner Nachkommen. Sowohl für Juden wie auch für Muslime hat die Stätte eine enorme religiöse Bedeutung, führen doch beide ihre Abstammung auf Abraham zurück.

Auf fünf großen Videoleinwänden erscheinen die Bildsequenzen von Interviews mit Israelis, Palästinensern und Amerikanern zu fünf Fragen: „Wer war Abraham?“ – „Wer war Sara?“ – „Wer war Hagar?“ – „Wer war Ismaël?“ – „Wer war Isaak?“ Die unterschiedlichen Antworten spiegeln die Sichtweisen der verschiedenen Kulturen wider und entwerfen ein Kaleidoskop an Erinnerungen und Reflexionen. Es ist eine neue Art des Musiktheaters, das Steve Reich mit seiner repetitiven Musik und Berit Korot mit ihren anschaulichen Videos, die auch die karge Landschaft um Hebron und das Gewölbe einer Moschee zeigen, unter der die Höhle von Machpela liegt, geschaffen haben.

Steve Reich (geb. 1936) studierte in Oakland unter anderem bei Darius Milhaud und Lucio Berio Komposition und begann neben dem Studium am San Francisco Tape Music Center zu arbeiten. Im Jahr 1966 gründete er das Ensemble Steve Reich and Musicians und komponierte viele Stücke für diese Gruppe, aber auch für andere Ensembles, in denen er mitspielte. Im Jahr 1976 heiratete er die Videokünstlerin Berit Korot (geb. 1945), mit der er den Sohn Ezra bekam.

Er entdeckte seine jüdische Tradition und besuchte 1977 Israel. Seit den 1970er Jahren ist er international einem breiten Publikum durch seine „Minimal Music“ bekannt. Er wurde 2006 mit dem Praemium Imperiale, dem „Nobelpreis der Künste“ ausgezeichnet, 2007 wurde ihm der Polar-Musikpreis zuerkannt und 2009 bekam er den Pulitzer-Preis verliehen.

Die israelischen, palästinensischen und amerikanischen Interviewpartner waren zum Teil Prominente – Künstler, Archäologen, Professoren, Lyriker –, aber auch Priester, Journalisten, Manager und einfache Arbeiter, also ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Ihre Aussagen wurden auf den Video-Leinwänden, wo auch immer wieder Zitate aus dem Alten Testament zu lesen waren, zu Reichs Musik eingespielt. Da sich die Musik oftmals wiederholte, wie es bei den Komponisten der Minimal Music üblich ist, wurden auch die Zitate ausschnittsweise wiederholt, was einen eigenen, „stotternden“ Effekt ergab.

Dazu sang ein vierköpfiges britisches Sängerensemble (mit Wangenmikrophonen): die Sopranistin Joanna L’Estrange, die Mezzosopranistin Micaela Haslam, der Tenor Alastair Putt und der Bariton Tom Bullard. Die bei dieser „Video-Oper“ wichtige Klangregie oblag Norbert Ommer, für das Lichtdesign zeichnete Jürgen Koß verantwortlich.

Das Ensemble Modern, das 1980 gegründet wurde und inzwischen zu den führenden Ensembles für Neue Musik zählt, wurde vom amerikanischen Dirigenten Brad Lubman mit großem Einsatz geleitet.

Das dieser „Video-Oper“ gespannt lauschende Publikum zollte am Schluss allen Mitwirkenden lang anhaltenden Beifall.

Bilder (c) Barbara Aumüller

Udo Pacolt 20.12.2016

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)

PS:

Die „Video-Oper“ The Cave wird noch am 20. und 21. Dezember 2016 im Bockenheimer Depot gespielt. Darüber hinaus wird während des „heim:spiele“ genannten Programms des Ensemble Modern noch „Music for 18 Musicians“ von Steve Reich am 25. und 26. Dezember 2016 sowie „Spectacle Spaces“ von Mauricio Kagel und Martin Matalon am 31. Dezember 2016 und am 1., 3., 4., 5. Jänner 2017 aufgeführt.