Wiederaufnahme am 25. September 2021
Hohes Niveau
Julie Adams
Die traurige Geschichte der Wassernixe Rusalka konnte man bisher nur im Streaming und in wenigen Aufführungen am Schluss der vergangenen Spielzeit sehen. Jetzt ist sie wieder häufig live im Spielplan zu erleben, was ja erhebliche Vorteile hat, weil die Stimmen unverfälscht zu hören und die gesamte Bühne zu sehen ist, während sich im Streaming die Kamera viel zu oft auf einzelne Akteure richtet. Aber in Pandemie-Zeiten gibt es leider weiterhin gewisse Einschränkungen, angefangen mit der Begrenzung der Zuschauerzahlen. Auch sind die Chorszenen beim großen Fest im 2. Akt ebenso wie die kleine Rolle des Kochs gestrichen. Wieder gibt es nur die in der Orchesterbesetzung reduzierte, reichlich bläserlastige Fassung von Marián Lejava. Das Staatsorchester ließ sich dadurch jedoch in keiner Weise irritieren, sondern sorgte unter der sicheren, wie immer präzisen und differenzierten Stabführung von Braunschweigs GMD Srba Dinić für die von Antonin Dvorak beschworene romantische, atmosphärereiche Stimmung der Elfenwelt. Gut, dass das so ist, denn auf der Bühne muss man darauf weitgehend verzichten. Obwohl Regisseur Dirk Schmeding mit Bühnenbildner Ralf Käselau und Kostümbildnerin Julia Rösler das Märchenhafte des Stücks beibehält, setzen sie doch einen völlig anderen Akzent, als der Komponist und sein Librettist Jaroslav Kvapil beabsichtigt haben. In der zugleich modernen wie märchenhaften Neuinszenierung gibt es wenige im Ansatz atmosphärisch dichte Momente. So, wenn die Nixe mit ihrer großen Schwimmflosse in einer vermüllten Wasserlache auf Grund sitzend den auf dem Wassertank reflektierten und erglühten Mond wie in einer Traumwelt ansingt. Auch das starke Schlussbild in dem nebelverhangenen Waldsee mit der im Hintergrund schwankenden Schilfwand (Video: Johannes Kulz) ist stimmig. Dass der aus einem riesigen Abflussrohr kletternde Wassermann als hinkender Lurch und die Hexe als Lumpen sammelnde Obdachlose daherkommen, ernüchtert dann ebenso wie der „Prinz“, ein Surfer, der mit seinem Cabrio im Sumpf steckenbleibt. Offenbar bezweckt das Regieteam als Grundidee, dass sich Rusalka, zusätzlich durch den Betrug des geliebten Prinzen angetrieben, durch dessen Tötung letztlich an der gesamten Menschheit rächt, weil diese die Natur so rücksichtslos zerstört.
Julie Adams/Ekaterina Kudryavtseva
Musikalisch und stimmlich wurde in der Wiederaufnahme ein beachtlich hohes Niveau gezeigt. Als Rusalka konnten die Braunschweiger die amerikanische Sopranistin Julie Adams gewinnen. Sie gab der sich in die Menschenwelt hinein sehnenden Nixe glaubhaft Gestalt und überzeugte sängerisch mit ihrer in allen Lagen bis in die sicheren Höhen ausgeglichenen Stimme. Ihre Vorzüge erwiesen sich besonders in den ruhig und geradezu anrührend ausgesungenen lyrischen Passagen wie im berühmten „Lied an den Mond“ und in der großen g-Moll-Arie nach der Rückverwandlung in ihre Nixengestalt, wobei insgesamt auch prachtvoller dramatischer Impetus nicht fehlte. Der sonore und zugleich flexibel mit vorbildlichem Legato geführte Bass von Jisang Ryu passte bestens zum besorgten Wassermann, dem die große Klage um die seiner Welt verloren gegangene Rusalka ergreifend gelang. Den zunächst unbekümmerten Prinzen, der am Schluss seinen großen Fehler erkennt, stellte Joska Lehtinen glaubwürdig dar. Seiner klaren, prägnanten Stimme fehlte etwas der nötige tenorale Glanz.
anderer Prinz/Julie Adams
Die fremde Fürstin ist hier eine ansehnliche Strandschönheit aus einer großen Delial-Werbestellwand, die Ekaterina Kudryavtseva mit ihrem starken, deutlich ins schwerere Fach weisenden Sopran sehr gut ausfüllte. Edna Prochnik gab die mysteriöse Hexe Jezibaba mit sicherem, durchdringendem Mezzo und ausgeprägter Bühnenpräsenz.
Was der Heger (Zachariah N. Kariithi mit charakteristischem Bariton) und der Küchenjunge (mit wie immer kultiviertem Mezzo Milda Tubelytė) eigentlich treiben, wird nicht so ganz deutlich; sie kamen wie lustlose Arbeiter der städtischen Müllabfuhr daher, die an den Rändern des ausgetrockneten Teichs Müll einsammeln müssen. Die drei Waldelfen, die geradezu lustvoll im Müll herumwühlen, waren Jelena Banković, Annika Westlund und Zhenyi Hou, deren klare Stimmen gut zueinander passten.
Das Publikum bedankte sich für die sehens- und hörenswerte Produktion mit starkem Beifall bei allen Mitwirkenden.
Fotos: © Thomas M. Jauk
Gerhard Eckels 26. September 2021
Weitere Vorstellungen: 1.,3.,7.,14.,31.10.+7.,20.,28.11.+8.,27.12.2021