Einen Strauss’schen Schatz ausgegraben
Premiere am 02. Mai 2015
Großer Beifall
für eine gelungene Ausgrabung einer unbekannten Operette von Johann Strauss – Im Gespräch mit dem Intendanten Wolfgang Schaller wird dessen Stolz richtig spürbar, der Stolz darauf, erneut eine Ausgrabung eines unbekannten Werkes von Johann Strauss als großen Erfolg auf die Bühne gebracht zu haben. Und dieser Stolz ist vollkommen zu Recht vorhanden, denn nach „Der Carneval in Rom“, „Das Spitzentuch der Königin“ und „Prinz Methusalem“ ist dies nun die vierte Ausgrabung einer Strauss’schen Operette und macht Dresden zum Mekka der Strauss Freunde. So sitzen auch heute in der Premiere mit Dr. Eduard Strauss (dem Urgroßneffen von Johann Strauss), seiner Frau und seinem Sohn und dem Vorsitzenden der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft Dr. Ingolf Roßberg viele weitere Mitglieder der Gesellschaft im Zuschauerraum – und eines kann man vorwegnehmen, sie alle waren begeistert von der spritzigen Darbietung des „Cagliostro in Wien“. Einige Stimmen, die ich nach der Premiere aufgefangen habe, werde ich am Schluss noch „anhängen“. Doch nun kurz zu dem Stück, welches nicht jedem Operettenfreund geläufig sein dürfte.
Nun ja, vom eigentlichen sehr verwirrenden Inhalt, in dem auch die Kaiserin eine große Rolle gespielt hat, ist in der Neubearbeitung von Ansgar Weigner nicht allzu viel übrig geblieben. Geblieben ist aber, dass man nach wie vor nicht so recht weiß, um was es denn nun eigentlich geht, die Handlungsstränge sind beinahe so verwirrend gelegt wie in der Originalfassung. Alexander, Graf Cagliostro ist in der Neuinszenierung ein charmanter Schwindler, Gauner und Scharlatan, der den Leuten mit sogenannten Wundermitteln das Geld aus der Tasche zieht. Er narrt sie mit Zaubereien, mit Tränken, denen er eine starke Verjüngungsmöglichkeit zuschreibt und mit dem Hinweis, dass er in der Lage sei Gold zu machen. Fast alle kann er um den Finger wickeln, nur Pater Fodor, der gerne mit der Witwe Adami angebandelt hätte, Zölibat hin oder her, misstraut ihm, ebenso wie der Bezirksvorsteher Lieven, welcher der heimliche Geliebte der Tochter der Frau von Adami ist. Mit Hilfe von Cagliostros Gehilfen Blasoni, der in der Inszenierung ihm so lange dienen muss, bis eine von ihm Cagliostro zugeführte Dame, dessen Liebeskünsten standhält, erst dann wäre er frei. Daneben präsentiert Cagliostro auch seine angeblich 1000jährige Tochter und Jungfrau Lorenza und drei ihm völlig treu ergebene Vasallen, die ihm bedingungslos folgen und alle Arbeiten und seinen sie noch so unsinnig für ihn erfüllen. Erst als Cagliostro versucht der Frau von Adami ihr Vermögen zu entreißen und gleichzeitig deren Tochter zu verführen, platzt die ganze Seifenblase und Cagliostro wird überführt und muss fliehen. Fällt es schon schwer, diese Geschichte einigermaßen halbwegs zu erzählen, so fällt es auch schwer, sie auf der Bühne richtig zu entwirren. Aber muss man das wirklich oder sollte man sich nicht von der wunderschönen Musik von Johann Strauss einfangen lassen und die vielen Gags und humorvollen Einlagen als das ansehen, was sie sind, ein Mittel, die Zuschauer auf das Beste zu unterhalten. Und dies gelingt an diesem Abend auf jeden Fall. Dazu ein gut aufgelegtes Orchester und überwiegend ausgezeichnete Sänger, was will das Operettenherz denn mehr. Das Bühnenbild von Jürgen Kirner weiß zu gefallen und ist farbenprächtig und abwechslungsreich wie die Kostüme von Renate Schmitzer. Andreas Schüller hat die musikalische Leitung und er hält das Orchester der Staatsoperette Dresden zusammen, schmissig und voller Feuer lässt er die Musik aufblühen und unterstützt dabei auch fürsorglich seine Sänger und überdeckt sie nicht mit Orchesterwogen. Viel Beifall für das Orchester und seinen Dirigenten ebenso wie für den Chor, der von Thomas Runge einstudiert worden ist und seine Sache ausgezeichnet macht. Die Dramaturgie liegt in den Händen von Heiko Cullmann und die technische Leitung hat Mario Radicke.
Der scheinheilige Wundertäter und Scharlatan Graf Cagliostro wird von Christian Grygas gegeben. Sein klarer, runder, hoher und voller Bariton, der an den entsprechenden Stellen auch durchschlagskräftig sein kann, weiß in jedem Punkt zu überzeugen. Er trumpft bei seinen Auftritten richtig auf, die rein erotische Aura ist sicher noch ein klein bisschen ausbaufähig. Blitzsauber, wie gestochen setzt Elena Puszta ihre Koloraturen als seine Tochter Lorenza und die 1000Jahre, die sie sein soll, sieht man ihr in keiner Sekunde an und hören sowieso nicht, eine rundum überzeugende Leistung. Ebenso rundum überzeugend der Blasoni von Hauke Möller. Der arme Gehilfe des Schwindlers, der so gerne seine Freiheit möchte, wird von ihm mit sicherem, klarem und stimmschönem Tenor dargeboten, daneben weiß er auch darstellerisch vollstens zu überzeugen. Eine ganz tolle Leistung an diesem Abend. Ebenfalls mit hohem hellem und sicherem Tenor versehen der Sänger des Pfarrer Fodors Radoslaw Rydlewski. Auch er hat ein zusätzlich großes schauspielerisches Potential und macht seine Rolle zu einem Paradestück. Ingeborg Schöpf, eine tragende Säule der Staatsoperette Dresden, setzt ihren Sopran zum ersten Mal in einer Altersrolle ein und man merkt ihr bei jeder Geste die Freunde und den Spaß an, den ihr die Rolle macht – und sie gibt ihrem Gaul, zur Freude des Publikums, auch reichlich Zucker. Maria Perlt als ihre Tochter Emilie überzeugt nicht nur mit einem lockeren frischen Spiel sondern vor allem auch mit einem warmen, leuchtenden, sehr vielseitig einsetzbaren Sopran, den man unter Anspielung auf ihren Namen auch als perlenden Sopran bezeichnen könnte. Eine große Hoffnung, die hier in Dresden heranwächst. Mit vollem runden und durchschlagskräftigen Bariton verkörpert Gerd Wiemer den Bezirksvorsteher Lieven rollendeckend, Als Severin macht der Tenor Frank Ernst eine gute Figur und das Trio Andreas Sauerzapf, Marcus Günzel und Jannik Harneit machen als die drei Cagliostrogehilfen Giovanni, Emanuele und Francesco eine mehr als gute Figur. Sie versprühen so viel Spielwitz und Freunde und kosten auch den kleinsten Witz bis zum Letzten aus. Toll gemacht. Christiane Klotzek und Michael Kuhn vervollständigen als Familie Pfannberger das Ensemble.
Eine rundum gelungene Vorstellung, wenn man die etwas verworrene Handlung nicht zu ernst nimmt, die den wundervollen Melodienreichtum von Johann Strauss wieder einmal beweist. Unter anderem war ich nach der Premiere auch mit Dr. Eduard Strauss im Gespräch. Er meinte, dass die Originalinszenierung etwas undurchsichtig war und er die Neuinszenierung sehr positiv sehe. Auch wenn es eine kleine Schwindelei mit dem „Zigeunerbaron“ gegeben habe (Cagliostro hatte seine Abschiedsarie mit der Musik von ´Ja, das alles auf Ehr´ aus dem Zigeunerbaron gesungen) sei auch dies legitim, die Hauptsache sei doch, dass die wunderschöne Strauss Musik weiterhin ihre Freunde in der ganzen Welt finden würde und er persönlich freue sich ganz besonders über die Strausspflege in Dresden. Dr. Ingolf Roßberg, der Vorsitzende der Deutschen Johann Strauss Gesellschaft hob hervor, dass das Publikum begeistert mitgegangen sei und dass man in Kürze ja ein neues Operettentheater in Dresden einweihen könne, was ein unglaublicher Kraftakt von Staatsoperette, Stadtrat und vielen weiteren Verantwortlichen gewesen ist und nicht hoch genug einzuschätzen sei. Dresden sei eine Hochburg der Strauss’schen Musik erklärte er mit einem besonderen Dank an den Intendanten Wolfgang Schaller, der noch darauf hinwies, dass das Richtfest für den Rohbau der neuen Staatsoperette am 20. August sein werde und man davon ausgehe, dass man das neue Haus im Dezember 2016 einweihen könne. Dafür auch vom „Der Opernfreund“ alles erdenklich Gute.
Manfred Drescher 11.5.15