Besuchte Übernahmepremiere am 24.05.14
An den Fäden der Macht
Die Neuinszenierung von Wagners "Lohengrin" durch Sabine Hartmannshenn hat jetzt auch das Duisburger Theater erreicht, eine durchaus aktuelle Deutung, die das Religiöse und Nationale des Werkes ins heutige Wirtschaftsmilieu setzt, einen Ansatz der durchaus auf das eigenwillige Denken des Komponisten zurückzuführen ist: Eigentlich sind die Karten zur Übernahme einer Bank/ eines Betriebes schon zu Beginn durch König Heinrich und seinen Heerrufer-Adlatus verteilt. Die Erbin Elsa wird von zwei Pflegerinnen flankiert und steht unter Psychopharmaka, was sehr schön das Sonnambule dieser Figur unterstreicht; Telramund und Ortrud sollen ünernehmen. Doch die Führung springt auf den neuen Hoffnungsträger über, statt einem Gottesurteil wird Telramund mit einem Aktenkoffer abgefunden. Natürlich reibt sich das Originallibretto mit der Gottfried-Intrige an diesem Ansatz, das Heidnische, das Märchen wird einfach aussen vor gelassen. Trotzdem gelingt der Regisseurin, deren Stärken deutlich in den intimen Szenen liegen, eine runde Deutung. Die Chorszenen leiden unter dem üblichen Übel des statischen Tableaus, mit anderem Dekor wäre kein Unterschied zu einer herkömmlichen Inszenierung. Doch Hartmannshenn hält sich sehr eng an die Wagner-Vorlage, nur setzt sie andere Vorzeichen, wenn Lohengrin sich zum Schluss dem "Business as usual" verweigert, bleibt die Traurigkeit der verpassten Chance bei allen Beteiligten im Raume stehen. Nur die Drahtzieher versuchen wieder die durchtrennten Strippen in die Hand zu bekommen. Dieter Richter baut ein am Kölner Gerling-Bau inspiriertes, sehr dekorativ-imposantes Bühnenbild, eine Macht und Intrigenzentrale. Die Kostüme Susana Mendozas zeigen heutig gediegenen Banken- und Haute-Volèe-Chic, im Münsterbild mit deutlichem Gruß an die "ach so geschmackvollen" Neureichen der Düsseldorfer Kö, hier streift die Inszenierung durch leicht komische Akzente schon einmal die Vorabendserien. Insgesamt kein Meisterwerk an Regie, doch eines mit dem man gut leben kann, zumal bei einem schwierigen Werk wie "Lohengrin".
Axel Kober ist zwar ein Dirigent von Bayreuth-Ehren, doch seine Leitung überzeugt mich nicht wirklich: schon das Vorspiel beginnt nicht richtig piano, insofern gerät die Steigerung ins teutonisch Dröhnende, die oszillierenden Stellen werden einzeln herausgestellt, doch eine Gestaltung über die Motivik, gar eine Dramaturgie der Musik findet nicht statt. Im Laufe des Abends bleibt zwar die laute Interpretation weitgehend bestehen, doch der dramatische Fluß wird weitestgehend gehalten. Freilich nicht immer, so kommt die Dynamik gerade vor dem Auftritt Elsas in der Münsterszene nicht von der Stelle und wird allzu breiig genommen. Das brilliante Vorspiel zum dritten Akt gerät etwas schwammig, ohne wirklichen Schwung zu bekommen. Die Duisburger Philharmoniker spielen ordentlich, doch sie können noch ganz anders in meiner Erinnerung.
Was wirklich erfreut, ist die Besetzung ganz aus dem Mitgliedern des Ensembles, nicht alle perfekt doch auf einem hohen Niveau: Corby Welch bringt seinen gut fokussierten Tenor in die Titelpartie ein, weniger ein heldischer, denn ein lyrischer Lohengrin, der klugerweise nie ins Forcieren gerät und sich Reserven bis zur Gralserzählung bewahrt, die dann auch mit schönem Atem und guter Gestaltung zu einem Höhepunkt der Aufführung wird. Die leichte Anwendung der Kopfstimme gerät sehr geschickt und geschmackvoll. Auch Sylvia Hamvasi ist eher eine "leichte" Elsa, was in den ersten zwei Akten mit manchmal fast instrumental geführtem Sopran sehr reizvoll klingt ("Einsam in trüben Tagen"), doch im Brautgemach gerät sie mit der dramatischen Geste doch an ihre Grenze und die Höhe wirkt spitz und flirrend. Stefan Heidemann als Telramund läßt anfangs Wagnergesang mit etwas bellender Konsonantengebung hören, doch im zweiten Akt toppt er den oft eindimensionalen Charakter mit kernig gesungenen Legatobögen zu einem Zentrum des Abends. Ihm zur Seite Heike Wessels als Ortrud von weniger dramatischem Strahl, als von elegant geführtem, sinnlich pastosem Mezzo. Im ersten Akt wirkt ihr Spiel etwas outrierend, weniger wäre da sicherlich mehr, doch träufelt sie danach gefährliches Gift vokaler Art in Elsas Ohren, bevor sie dann am Ende des dritten Aktes feurig abräumt. Die Szene zwischen ihr und Elsa im ersten Bild des zweiten Aktes ist ein psychologisch spannend inszeniertes Kammerspiel. Thorsten Grümbel als Konzernchef Heinrich der Vogler gehört vielleicht nicht zu den in der Tiefe bedrohlich dreuenden Bässen, doch die metallische Höhe passt hervorragend zu dem geforderten Rollenprofil, ebenso wie Dmitri Vargins geschmeidiger Bariton zum intriganten Heerrufer, optisch erinnert er fatal an Karl Theodor zu Guttenberg.
Die Edlen , Edelknaben, Brautjungfern, wie der ganze Chor zeigen beachtliches, vokales Profil, szenisch absolvieren sie die geforderten Aufgaben, da liegt der gemächliche Eindruck jedoch auf Kosten der Regie. Insgesamt erlebt man jedoch einen sehr imponierenden Wagner-Abend, den das Duisburger Premierenpublikum mit viel Bravos , Jubel und Applaus feiert.
Martin Freitag 26.5.14
Bilder siehe Düsseldorf