Vorstellung am 15.05.2015
Fotos: Maurice Korbel / Theater Freiburg
Verdi at his Best
Mitreissend, feurig lodernd, packend – das ist die musikalische Sprache Verdis in seinem Erfolgswerk IL TROVATORE. Und genau so erklang sie gestern Abend im Theater Freiburg. Da mag mal der eine oder andere Ton etwas daneben gegangen, die Tempokoordination zwischen Chor und Dirigent nicht immer perfekt abgestimmt gewesen sein, dem positiven Gesamteindruck der musikalischen Seite des Abends tat dies keinen Abbruch. Dazu gesellte sich eine Inszenierung des schwierig auf der Bühne umzusetzenden Werks, welche nicht nur nicht gross störte, sondern gar einiges erhellte. Das ist heutzutage schon viel!
Enrico Caruso, der kleingewachsene grosse Tenor, soll einmal gesagt haben, alles was es brauche um IL TROVATORE erfolgreich in Szene zu setzen, seien die vier weltbesten Sänger. Nun, in Freiburg standen fünf ausgezeichnete Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. Denn hier erhielt die Rolle des Ferrando endlich einmal das ihr zustehende Gewicht. Die Regisseure Rudi Gaul und Heiko Voss verlegten die Handlung in eine Art Varieté- oder Kinosaal. Die Zeit war nicht genau definiert, denn die Bühne hatte mal etwas von Art déco der Stummfilmzeit, dann, wenn sich dieser Muschelsaal drehte, sah er aus wie von Christo und Jeanne-Claude verpackt, mit einer Öffnung die einer Vulva glich (Bühne und Kostüme: Olga Motta). Die Kostüme und Teile der Handlung spielten mit deutlichen Assoziationan an Stanley Kubricks blutigen Kultfilm A CLOCKWORK ORANGE.
So trat eben der erwähnte Ferrando als Conférencier, Magier und Séance-Künstler auf, weissgekleidet, mit rotem Zylinder, roten Kothurnen und (wie alle Männer) mit über der Kleidung getragenem, sehr auffälligem Suspensorium. Jin Seok Lee füllte die Rolle mit seinem sonoren Bass hervorragend aus, lieferte im ersten Bild eine packende Erzählung der Vorgeschichte und begleitete die Handlung mit seiner immensen Präsenz im weiteren Verlauf des Abends. Sein Dienstherr, Graf Luna, wurde von Alejandro Lárraga Schleske mit einnehmend timbriertem Bariton gesungen. Darstellerisch vielleicht etwas statisch, doch das mag auch an der insgesamt etwas vernachlässigten Personenführung durch die Regisseure gelegen haben, da auch die anderen Protagonisten vielfach eher unbeholfen, ja fast unbeteiligt herumstanden oder -gingen. Das galt auch für den Manrico von James Lee. In den ersten beiden Akten punktete er mit seinem souverän eingesetzten, viril und markant klingenden Tenor. Im dritten Akt hatte er zu Beginn einige kleinere Intonationsprobleme, stürzte sich dann mutig und mit Attacke in die gefürchtete Stretta Di quella pira, das erste hohe C ging leider krächzend daneben, doch für den Schlusston des All’armi war die Stimme wieder voll da. Sehr schön gelangen ihm die Szenen mit seiner vermeintlichen Mutter Azucena, in denen er Tröstender, Zweifelnder und Fragender (nach seiner wahren Herkunft) zugleich war.
Diese Azucena war eine Wucht: Anja Jung verfügt über die perfekte Stimme für diese Rolle, welche wohl eine der dankbarsten und intensivsten aus Verdis Feder ist. Frau Jungs Rollengestaltung zeichnete sich durch eine dunkle Grundfarbe aus, sie vermochte die sie psychisch verzehrenden Gewissensbisse über den Mord am eigenen Kind und die in ihrer Seele drohend wuchernden Rachegedanken auf eindringliche Art und Weise zu akzentuieren. Töne die durch Mark und Bein gingen, loderten wie heisse Lava, sich gleissend vom Brustregister in die Höhe drehten und in ein entrücktes Piano wechseln konnten (Schlussbild Ai nostri monti). In ihrem Lager beschäftigte Azucena eine ganze Horde Kinder (mit blutigen Narben), welche in ihrem Auftrag mit blutroter Farbe Poster malen mussten, die sich mit Kindesmord und Hexenverbrennungen beschäftigten. Eine Art selbstauferlegter Psychotherapie? Die fünfte wichtige Person der Oper ist natürlich die Primadonna, Leonora, welche die von einander nichts wissenden Brüder als Rivalen um ihre Gunst in fataler Art aufeinander treffen lässt. Christina Vasileva sang die anspruchsvolle Partie mit einer fulminanten Selbstverständlichkeit. Sauber die Triller und kleinen Fiorituren, den grossen Tonumfang mühe- und bruchlos durchschreitend, von fortissimo Ausbrüchen wie durch Magie in tragfähige Piani zurückgleitend. Wunderbar! Selbstverständlich musste sie in platinblonder Pony Perücke und im kurzen Schwarzen auftreten.
Wie sich die Bilder gleichen: Auch in der KÖNIGIN VON SABA am Abend zuvor war platinblond und schwarz angesagt gewesen. Gibt es noch ein anderes Frauenbild? Auch die Inez (sehr gut Viktoria Varga) war identisch gekleidet, den Büstenhalter als Betonung der weiblichen Attribute mussten die Damen über dem Kleid tragen, genau wie die Männer ihr Suspensorium. In der Soldatenszene räkelten sich dann drei dieser Blondinen lasziv an den roten Speeren, eine ziemlich geschmacklose Mischung zwischen Strip-Club und Golgatha. Aber eben, Kubrick liess grüssen!
Der eigentlich gut disponierte Chor und Extrachor des Theater Freiburg vermochte die ziemlich rasanten Tempovorgaben von Johannes Knapp am Pult des sehr prägnant die Verdischen Begleitfiguren ausführenden Philharmonischen Orchesters Freiburg nicht immer auf Anhieb aufzunehmen, so dass es zu kleineren Wacklern kam.
Witzig und einfallsreich waren die holzschnittartigen Comic Videosequenzen von Thilo Nass auf dem Vorhang (und auf der Leinwand des Kinos), welche erklärend die einzelnen Tableaus miteinander verbanden.
Kaspar Sannemann 17.5.15
Bilder: Theater Freiburg / Rainer Murnyi