Gelsenkirchen: „The Vital Unrest“, Bridget Breiner

Premiere: 25. März 2017, besuchte Vorstellung: 22. April

Solch ein großes Ballettrepertoire hat es am Musiktheater im Revier lange nicht mehr gegeben: Zwei Produktionen im großen und vier im kleinen Haus sind in dieser Saison in Gelsenkirchen zu sehen, darunter vier Premiere. Mit „The Vital Unrest“ zeigt Bridget Breiner nun einen sinfonischen Ballettabend, bei dem Camille Saint-Saens Orgelsinfonie im Zentrum steht.

Eröffnet wird das Programm mit der Choreographie „There is a Vitality“ zur Sinfonie „Response“ des Letten Georgs Pelecis, die extra für diese Programm geschrieben wurde. Pelecis greift die Besetzung der Orgelsinfonie auf, verwendet auch Orgel und Klavier. Die Integration aller Instrumente gelingt ihm allerdings weniger sinnfällig wie Saint-Saens: Die fünf Sätze und ihre großen Klaviersoli stehen zu sehr nebeneinander und ergeben noch kein großes Ganzes.

Die Sinfonie mit hellen Harmonien, leuchtenden Farben und verspielte Rhythmen ist eine zeitgenössische Musik, die gut hörbar ist und auch ein breites Publikum anspricht. Die Choreografie von Bridget Breiner gibt sich ebenso bodenständig: Die Abläufe sind ein natürlicher Fluss, der in viele Einzelereignisse verteilt ist. Synchronität und die große klassische Geste stehen hier nicht im Zentrum, jedoch wirkt sich das Fehlen eines großen Bogens in der Musik auch nachteilig auf den Eindruck der Choreografie aus. In Erinnerung bleibt jedoch das kraftvolle Solo von Ledian Soto.

Nach der Pause folgt „Blessed Unrest“ zur Saint-Saens-Sinfonie und nun erlebt das Publikum, wie ein großartiges Werk der Orchesterliteratur Bridget Breiner zu einer ebenso großartigen Choreografie inspiriert. Breiner folgt dem großen Geist des neoklassischen Tanzes und so scheinen viele Szenen von George Balanchine inspiriert zu sein.

Einen starken Eindruck macht auch das Bühnenbild von Jean–Marc Puissant. Er hat große ineinander laufende Farbflächen entworfen, die den Raum begrenzen. Im Zentrum steht eine abstrakte Pflanze aus gebogenen Wellblechplatten. Natürlich wird nicht auf diesem Bühnenbild getanzt, das optisch-akustisch Zusammenspiel zwischen Bühnenraum, Choreographie und Musik ist fast perfekt. Dennoch müsste mit den Tänzerinnen und Tänzern an der Synchronität und der Linienführung gefeilt werden.

Dieser Breiner-Choreografie ist eine echte Freude. Erstaunlich ist, wie es der Ballettchefin gelingt, mit gerade einmal 12 Tänzern die Wirkung einer großen klassischen Compagnie zu erzeugen. Hier kann man der Breiner nur eine Vergrößerung ihrer Compagnie wünschen.

Und der „Choreografie „Blessed Unrest“ kann man nur wünschen, dass Sie den Weg an die großen Häuser findet. Dieses Stück würde nämlich auch auf den großen Bühnen von Paris, Amsterdam, München oder Berlin einen starken Eindruck machen.

Rudolf Hermes 2.5.2017

Bilder (c) MiR