Premiere: 18.09.2021, besuchte Vorstellung: 21.09.21
Eine Bemerkung vor allem: Der Abend Schnittstellen (II) zeigt einmal mehr, dass – so sagt es Karl Valentin – Kunst schön ist, aber viel Arbeit macht und so sind an diesem Abend der Kölner Oper so viele Künstler in verschiedenster Funktion involviert, dass im Sinne einer besseren Lesbarkeit, zwecks einer Übersicht aller Verantwortlichen und Kreativen auf die Homepage der Oper Köln verwiesen sein soll: https://www.oper.koeln/de/programm/schnittstellen-ii/5776
Nun aber zum Eigentlichen, zur Besprechung eines so eigenwilligen, wie bemerkenswerten Abends, der unter dem genannten Titel, eine Art Werkschau junger Künstler präsentiert, die allesamt durch Interartes e.V. und prominente Fürsprecher zu einem Stipendium im Castello di Gargonza gelangt sind. Jetzt mag der geneigte und kundige Leser denken "Eine Werkschau junger Künstler, das gibt es ja allenthalben". Doch hier irrt, wer denkt, dass es hier um den Vortrag besonders bekannter Arien durch besonders talentierte junge Menschen geht. InterArtes e.V. weist uns schon im Namen den Weg, dass es hier um die Interdiszplinäres geht und da wird es genau spannend. So haben sich hier Schriftsteller, Komponisten, bildende Künstler und Architekten zusammengefunden und wagen eine Begegnung mit dem Musiktheater.
Die Interimspielstätte im Staatenhaus bildet hier ein ideales Setting. Saal 3, sonst von der Kinderoper in Beschlag genommen, ist quasi leer. In der Mitte stehen drehbare Hocker, auf dem sich das Publikum den ringsherum stattfindenden Aktionen immer wieder zuwenden kann. Dabei ist das Gebotene in jeder Hinsicht bemerkenswert und sicher auch diskutabel. Häppchenweise begegnet der Zuschauer Verstörendem, Inspirierendem, Begeisterndem, Lärmendem, Beseelendem… Den Auftakt bildet Daphné Hejebris "Quartett". Hier wird direkt zu Beginn klargemacht, dass Sehgwohnheiten hinterfragt werden. Die vier Musiker des klassischen Streichquartetts, sind nur in vier lebensgroßen LED-Monitoren zu sehen, zwischen Ihnen steht die Komponistin am Laptop und entfesselt die mal verbindende, mal kontrastierende und ergänzende Live-Elektronik. Atonal und wild kommt dieses Quartett daher, bevor der Blick wandert und in Genoel von Liliensterns "Perdü" in dadistischer Textmanier über Ende und Verlassenheit reflektiert wird. Die Sänger leisten hier Bemerkenswertes, denn diese Musik verlangt technisch alles. Der Zuschauer sieht sich hier einer faszinierenden Raumskulptur gegenüber, die mittels Licht und Verspiegelung Menschen erscheinen und verschwinden lässt, die mal hermetisch und dann doch wieder so transparent wirkt.
Nach der Pause folgt der vielleicht belangloseste Teil des Abends. "The Ends" wird semikonzertant in einer Art Konzertpavillon mit integriertem, kreisendem Mond gegeben. Grelle Kostüme lassen alles etwas komisch erscheinen, helfen aber nicht über eine enervierende und wenig interessante Musik hinweg.
Nach einem literarischen Intermezzo geht es schließlich an "Pepita Lunarium", eine Kurzoper, von der auch nur die ersten beiden Szenen gezeigt werden. Hier zeigt sich einmal mehr das Interdisziplinäre, denn das Thema der Oper ist das neue Bauen und Leben in Städten und so nimmt sich das Werk nicht nur im Inhalt, sondern auch im Bühnenbau und in der begleitenden Video-Installation teils humoristisch-überzeichnet dieser Frage an. So abstrakt die übrigen Darbietungen waren, so konkret wird es hier und nicht zuletzt eine unglaublich präsent agierende Kathrin Zukowski nimmt den Zuschauer als (singende) Erzählerin mit auf die Reise in diese so sterile Welt.
Der Abend, der nur noch zwei Mal zu sehen sein wird, sei all denen dringend empfohlen, die Lust haben sich auf Experimentelles einzulassen. Es ist sicherlich eine geballte Ladung Kunst, die auf den Zuschauer einprasselt und es ist schier unmöglich auf alles, was an diesem Abend zu sehen und zu hören ist im Einzelnen einzugehen. Was aber nachdrücklich bleibt, ist ein spannendes Kaleidoskop, mit dem man vielleicht einen Blick in eine Zukunft des Musiktheaters werfen kann. Der Abend inspiriert sicherlich, lässt aber auch viele Fragen offen. Das mag man gut finden, denn er bietet viel Gesprächsstoff für ein Glas Wein nach dem Opernbesuch, er weckt aber auch den Wunsch das Gesehene im Gespräch mit den Künstlern zu hinterfragen.
Die Bilder stammen von ©Teresa Rothwangl
Sebastian Jacobs. 23.9.2021