Frankfurt, Konzert: „Berliner Philharmoniker“, Kirill Petrenko

Am Abend des 7. November 2023 versammelte sich eine erwartungsvolle Schar von Musikliebhabern in der prachtvollen Kulisse der Alten Oper Frankfurt, um an einem unvergesslichen musikalischen Erlebnis teilzunehmen. Die Berliner Philharmoniker, unter der ebenso inspirierenden wie versierten Leitung von Kirill Petrenko, sollten an diesem Abend ein Konzert darbieten, das die Herzen der Zuhörer höherschlagen ließ. Das Programm dieses besonderen Abends versprach eine faszinierende Reise durch die Welt zweier herausragender Komponisten: Max Reger und Richard Strauss.

Das Konzert eröffnete mit Max Regers „Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart, Op. 132“. Max Reger, der zu den bedeutenden deutschen Komponisten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zählt, war bekannt für seine intensive Auseinandersetzung mit Bachs Kontrapunktik und seine Fähigkeit, komplexe polyphone Strukturen zu schaffen. Die „Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart“ sind ein beeindruckendes Beispiel für Regers meisterhafte Verarbeitung von Themen und Motiven. In diesem Werk, das auf Mozarts berühmtem „Duport“ Thema seiner Variationen basiert, führte Reger die Zuhörer in eine faszinierende Klangwelt, in der er Mozarts Melodie in ein dichtes Netz von Variationen einwebte. In diesem Stück, das Mozarts Melodie als Ausgangspunkt nahm, offenbarte sich Regers Kunstfertigkeit in der Verwandlung des Ursprungsthemas in ein polyphones Gewebe, das bis zur Unkenntlichkeit variiert wurde, nur um in der eindrucksvollen Schlussfuge wieder in seiner ganzen Pracht zu erstrahlen. Die Berliner Philharmoniker traten souverän auf und überzeugten mit beeindruckender Klarheit und Präzision.  Kirill Petrenko leitete sein Orchester mit einer meisterhaften Souveränität und einer klaren Interpretationsstrategie, die dazu beitrug, die komplexen Strukturen zu entwirren und die zentrale Melodie zum Leuchten zu bringen. Das Ergebnis war eine Darbietung von exquisiter Qualität, die die subtile Schönheit von Regers Werk in den Vordergrund rückte. Petrenko zeigte einmal mehr seine Fähigkeit, tief in die Partitur Strukturen einzutauchen und die verschiedenen Orchesterstimmen mit einer Entdeckungsfreude zum Leben zu erwecken, die schier grenzenlos wirkte. Das Orchester, bestehend aus herausragenden Solisten, präsentierte ein faszinierendes Spiel von dynamischer Bandbreite und erzeugte magische Klangwirkungen durch vorbildliche Phrasierungen. Ein einzigartiger Genuss. Die erste halbe Stunde des Konzerts verging wie im Flug, und das Publikum belohnte die Künstler mit tosendem Applaus.

(c) Monika Rittersbusch

Der Höhepunkt des Abends war zweifellos Richard Strauss‘ „Ein Heldenleben, Op. 40“. Dieses sinfonische Gedicht aus dem Jahr 1898 ist ein Schlüsselwerk des spätromantischen Repertoires. Richard Strauss schuf mit „Ein Heldenleben“ ein außergewöhnliches Werk, das eine Art musikalisches Selbstporträt darstellt. Das Stück ist in sechs Abschnitte unterteilt und erzählt die Geschichte eines Helden, der in seiner Beziehung zur Welt und zu seiner Muse, dargestellt durch ein aufsehenerregendes Violinsolo, triumphale Siege und auch Kämpfe erlebt. Strauss nutzt in diesem Werk eine spektakulär reiche Orchesterbesetzung und zeigt einmal mehr seine Fähigkeit, Klangfarben und Effekte in einer unvergleichlichen Weise einzusetzen.  Die Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko entfalteten hier ihre gesamte Virtuosität und zeigten sich als wahre Meister ihres Fachs. Die Musiker nutzten die Gelegenheit, sich solistisch bestens zu präsentieren, doch am beeindruckendsten war die Fähigkeit eines jeden Einzelnen, sich in den Dienst des Gesamtklangs zu stellen. Konzertmeister Daishin Kashimoto glänzte mit einem umwerfenden Violinsolo, dass die Rolle der Gefährtin des Helden charakterisierte. Seine Passagen waren von einer außergewöhnlichen Emotionalität und Menschlichkeit geprägt, und das Publikum lauschte gebannt den zauberhaften Klängen, die er seinem Instrument entlockte. Dies war ein weiteres Beispiel für die Spitzenqualität, die das Orchester unter Kirill Petrenko stets aufs Neue präsentiert. „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss ist ein Werk von bemerkenswerter musikalischer Tiefe, das aufgrund seines Reichtums an musikalischem Gehalt selbst bei einer Dauer von einer Dreiviertelstunde viel zu kurz erschien. Auch die übrigen Solisten brillierten in ihren jeweiligen Parts: Wenzel Fuchs an der Klarinette sorgte für scharfe und spielerische Farbtupfer, während Emmanuel Pahud und Sébastian Jacot mit ihren Flötenklängen zauberhafte Nuancen einbrachten. Albrecht Meyer an der Oboe und der hingebungsvolle Dominik Wollenweber am Englischhorn schufen anmutige Melodien, und die Blechbläser beeindruckten mit majestätischen Klängen, die das dynamische Spektrum des Orchesters in seiner ganzen Pracht zeigten. Stefan Dohr führte die Gruppe der Hörner mit einer unvergleichlichen Meisterschaft an und versetzte das atemlos lauschende Publikum in große Verzückung. Die Schlagzeuger überzeugten mit kraftvollen und expressiven Darbietungen, und die herrliche Streichergruppe trug dazu bei, dass das Werk in seiner ganzen Pracht erstrahlte.

Kirill Petrenko meisterte die beiden Stücke des Abends mit größter Sicherheit. Bei Strauss setzte er klug auf klare Strukturen und emotionalen Überschwang, eine Kombination, die die Zuhörer tief berührte. Besonders die ruhigen Momente, die von den Musikern mit großer Sensibilität ausgearbeitet wurden, hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Dazu ist es faszinierend zu erleben, mit welch großer Energie er fortwährend den Klangkörper befeuert. Seine Körpersprache ist dabei offensiv und stets im Vorausblick auf den Werkverlauf spürbar. Petrenko, der fleißige und demütige Partitur Experte gewährleistet mit seiner vorbildlichen künstlerischen Haltung musikalische Erlebnismomente von großer Seltenheit. Dieser Abend war dafür ein eindrucksvoller Beleg, was auch das völlig hingerissene Auditorium so empfand. Und auch das ist Petrenko: lange hätte er in den Jubelchören baden können, statt dessen achtete er primär darauf, dass der Applaus vor allem die Musiker erreicht.

Das Konzert der Berliner Philharmoniker in der Alten Oper Frankfurt bot eine faszinierende musikalische Reise durch die Werke von Max Reger und Richard Strauss. Unter der herausragenden Leitung von Kirill Petrenko zeigte das Orchester seine unvergleichliche Fähigkeit, sowohl die anspruchsvolle, verschlungene Sprache von Reger als auch die reiche Tiefe von Strauss‘ Werk mit höchster Hingabe und Perfektion zum Leben zu erwecken. Das Publikum hatte das Privileg, an diesem Abend Zeuge eines musikalischen Triumphs zu sein. Stehender Jubel brandete auf, und die Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko untermauerten erneut ihren verdienten Ruf als eines der besten Orchester der Welt.

Dirk Schauß, 9. November 2023


Konzert in der Alten Oper Frankfurt
am 7. November 2023

Die Berliner Philharmoniker spielten Werke von Reger und Strauss.

Kirill Petrenko