Es ist hörbar eine große Liebe: Richard Strauss und Sebastian Weigle. Frankfurts scheidender Generalmusikdirektor widmete dem großen Komponisten, den er so vortrefflich zu dirigieren weiß, ein komplettes Konzertprogramm. Der Abend begann mit dem erschütternden musikalischen Mahnmal „Metamorphosen“, welches Strauss unter dem Eindruck des im Krieg zerstörten Münchens komponierte. Richard Strauss schrieb in seinem letzten Orchesterwerk einen bewegenden Klagegesang, der auch heute die von Kriegsgeilheit befallenen Menschen, aufrütteln, stoppen müsste. Richard Strauss beklagt und verarbeitet darin seine kriegszerstörte Heimatstadt. Der Komponist war von dem Grauen bewegt und beeindruckt. So erwuchs die Idee, eine Komposition mit dem Gedanken „Trauer um München“ zu schreiben. Es entstand ein variationsreiches und sehr polyphon gehaltenes Werk. Der große Saal der Alten Oper war nahezu komplett finster, lediglich die stehend spielenden Streicher wurden dezent beleuchtet. Eine passende Atmosphäre, zudem auch, weil sie die notwendige Ruhe beförderte und das sonst so enervierende Blättern im Programmheft unterbunden wurde.
Die Streicher des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters verwöhnten die Zuhörer mit erlesener, schwelgerischer Klangqualität. Sehr gut aufeinander hörend, durchmaßen sie die gesamte Bandbreite der weiten Phrasierungsbögen, die Strauss so vollendet zu schreiben wusste. Aus leidvoller Klage erwuchsen lichtvolle Momente, die die Musiker in kompakte, klar konturierte Spannungsbögen entwickelten. Sebastian Weigle war ein sehr engagierter befeuernder Impulsgeber, der am Ende die Musik endlos lange ausklingen ließ. Wunderbar die Stille nach der Musik. Ein intensiver, ergreifender Moment.
Nach dem Kriegsende, kurz vor seinem Tod, schrieb Richard Strauss vier Lieder, die sich mit Abschied und Tod beschäftigten. Texte von Eichendorff und Hesse gaben diesen Vokalpreziosen ihre poetische Tiefe. Wie bereits früher, so zitierte sich Strauss in diesem finalen Werk selbst, hier mit „Tod und Verklärung“. Auch Erinnerungen an das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms lassen sich entdecken. Der Tod in der musikalischen Gestalt von Richard Strauss ist, wie übrigens auch bei Brahms, freundlich und tröstend. Dies gibt diesen Liedern einen tiefen, unerklärlichen Zauber. Als Solistin war die international erfolgreiche Sopranistin Anne Schwanewilms zu hören, die sich gerade mit vielen Fachpartien aus dem Werk von Richard Strauss einen Namen machte. Ihre Stimme hat eine aparte Mezzofärbung bei glockig, kopfigem Höhenklang und guter Intonationssicherheit. Zu vernehmen war ein schöner, herbstlich angehauchter Sopranklang, der nicht die große Klanggeste suchte, sondern sich im introvertierten Gesang bevorzugt aufhielt. Ihren Vortrag gestaltete sie vornehmlich als vokalisierendes Instrument. Bei schöner, kultivierter Klanggebung vernachlässigte sie leider in viel zu hohem Maße die Textverständlichkeit. Bis auf wenige Worte oder Einzelsilben war der Text schlicht unverständlich. Dies war bei den wunderbar poetischen Texten von Hesse und Eichendorff besonders bitter, die die vier letzten Lieder erst zu einer ganz besonderen Wirkung in ihrer Ausdrucksdichte führen, wenn der Text verständlich, interpretierend zu Gehör gebracht wird. Auch in der Zugabe „Morgen“ blieb es bei schön anzuhörenden Vokalisen, bei kaum erfahrbarer Ausgangssprache. Schade.
Sebastian Weigle war ein hingebungsvoller Begleiter. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielte auf hohem Niveau. Konzertmeister Ingo de Haas, der in diesem Programm mit vielen Soli gefordert war, veredelte mit warmer Färbung und feinem Legato das Lied „Beim Schlafengehen“.
Die 1911 in Dresden uraufgeführte Komödie für Musik »Der Rosenkavalier« ist das bekannteste Bühnenwerk von Richard Strauss. Der alte Theaterfuchs wusste die mitreißende Wirkung seiner Komödie gut einzuschätzen und destillierte daraus verschiedene Konzertextrakte, wie den Walzerfolgen und eine groß angelegte Suite. So wurde der „Rosenkavalier“ auch häufiger Stammgast im Konzertbetrieb. Beeindruckend ist, wie selbstverständlich es dem Komponisten gelingt, auch in der Suite allen Figuren der Komödie klanglich intensive Gestalt zu geben.
Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester spielte lustbetont auf, süffig im Tuttiklang und wunderbar filigran zugleich. Sebastian Weigle hatte sichtbar größte Freude an diesem „Rosenkavalier“ im Schnelldurchgang. Wie glücklich kann Weigle sich schätzen, dass sein Orchester nach seiner langen Amtszeit als GMD immer noch so beseelt und vorbildlich engagiert mit ihm musiziert. Das ist selten und ist somit umso mehr ein eindrucksvoller Beleg seines kostbaren künstlerischen Wirkens in Frankfurt.
Intensive Huldigungen für Weigle und sein Orchester.
Dirk Schauß 28. März 2023
Richard Strauss
Metamorphosen für 23 Solostreicher
Vier letzte Lieder
Suite aus der Komödie für Musik „Der Rosenkavalier“ Op. 59
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Anne Schwanewilms, Sopran
Sebastian Weigle, Leitung