Frankfurt: „Renault Capuçon“, Opern- und Museumsorchester unter Thomas Guggeis

Ein Höhepunkt des Abends war zweifellos Robert Schumanns Violinkonzert in d-Moll, dargeboten vom herausragenden Geiger Renaud Capuçon. Schumanns Werk wurde 1853 komponiert, aber erst nach seinem Tod im Jahr 1937 wiederentdeckt und uraufgeführt. Es ist das einzige Violinkonzert von Schumann und zeigt Einflüsse der Romantik sowie des klassischen Konzertstils. Obwohl es technisch anspruchsvoll ist, liegt der Schwerpunkt des Konzerts mehr auf lyrischem Ausdruck und emotionalem Gehalt als auf virtuoser Brillanz. Mit meisterhafter Technik und tiefem musikalischem Verständnis entführte Capuçon das Publikum in die Welt der Romantik, indem er gekonnt die Zwielichtigkeit und Leidenschaft dieses Werkes auf fesselnde Weise zum Ausdruck brachte.

© Sophia Hegewald

Im ersten Satz faszinierte Capuçon mit seiner beeindruckenden Phrasierung und nuanciertem Ausdruck. Seine Virtuosität und sein feines Stilempfinden ließen die melodischen Linien lebendig werden, während er gleichzeitig seine klangliche Vielfalt und dynamische Bandbreite zeigte. Seine Artikulation war klar und ausdrucksstark, wodurch jede Note mit Emotion und Leidenschaft erfüllt war. Klug dosierte er die Intensität des Vibratos, sodass sein Vortrag vielschichtig geriet. Im langsamen zweiten Satz offenbarte Capuçon seine sensiblen Interpretationsfähigkeiten, indem er eine zarte und innige Atmosphäre schuf. Seine überragende Technik ermöglichte es ihm, die lyrischen Passagen mit einer anmutigen Eleganz und einem warmen Ton zu gestalten. Dabei bewahrte er stets eine feine Balance zwischen Intimität und Ausdruckskraft, was zu einem berührenden und bewegenden musikalischen Erlebnis führte. Im dritten Satz zeigte Capuçon seine Virtuosität und sein ausgeprägtes Stilempfinden. Mit mitreißender Energie und feurigem Temperament meisterte er die technischen Herausforderungen des Satzes mit Leichtigkeit und Bravour. Seine brillante Fingerfertigkeit und sein dynamisches Spiel brachten die rhythmische Vitalität und die tänzerische Lebendigkeit dieses Satzes zum Ausdruck, wobei er das Publikum mit seinem mitreißenden Spiel in den Bann zog. Die aufmerksame Leistung des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters unter der Leitung von Thomas Guggeis bildete eine gute Grundlage für das herausragende Solospiel von Renaud Capuçon. Das Orchester begleitete den Solisten mit sensibler Aufmerksamkeit und reagierte auf jede Nuance seiner Interpretation. Unter der einfühlsamen Leitung von Guggeis entstand eine harmonische Balance zwischen Solisten und Orchester, wodurch die emotionale Tiefe und Intensität des Werkes auf überzeugende Weise zur Geltung kamen. Auch Guggeis beließ es nicht bei der Begleitung, sondern gestaltete den Orchesterpart äußerst aktiv, sodass die Abgründe hinter den schönen Melodieverläufen stets präsent waren. Capuçon hatte sich eine besondere Zugabe gewählt. Mit feiner Hingabe zelebrierte er die kleine Étude aus der Oper „Daphne“ von Richard Strauss. Hinreißend! Zum Abschluss des Konzerts erklang Maurice Ravels „La Valse“, ein poetisches und zugleich verstörendes Poème chorégraphique, das als Symbol einer untergehenden, tänzelnden Epoche gilt. „La Valse“ wurde 1920 von Maurice Ravel komponiert und ist ein sinfonisches Gedicht, das die künstlerische Reaktion auf das Ende des 1. Weltkriegs und das damit verbundene Ende der europäischen Gesellschaftsstrukturen darstellt. Ravel selbst beschrieb das Werk als eine Hommage an den Walzer, jedoch mit einer düsteren Note. Die Komposition ist von einer beunruhigenden Atmosphäre geprägt, die den Zerfall der alten Weltordnung und die Zerrüttung der Gesellschaft symbolisiert. Ravel verwendete eine reiche Orchesterpalette und komplexe Rhythmen, um die unterliegende Spannung und Zerbrechlichkeit zu vermitteln. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Thomas Guggeis beeindruckte das Publikum mit einer mitreißenden Interpretation.

© Simon Fowler

Unter Guggeis‘ kundiger Führung entfaltete das Orchester eine klangliche Pracht und dramatische Intensität, die die Wirbelwind-Energie des Walzers ebenso einfing wie die düstere Atmosphäre seiner Untergangsstimmung. Mit makelloser Technik und einfühlsamer Interpretation bot das Orchester eine fabelhafte Darbietung dieses symbolträchtigen Werkes, das den Abschluss des Konzertabends bildete. Jubel im großen Saal. Die Kombination zwischen dem neuen GMD und dem Orchester trägt reiche Früchte. Dies bleibt auch international nicht unbemerkt, denn Guggeis erhält weiterhin Einladungen von den großen Orchestern und Bühnen der Welt. In diesem Jahr erfolgte bereits sein Debüt an der Mailänder Scala und in Bälde leitet Guggeis erstmals das Cleveland Orchestra.

Dirk Schauß, 20. März 2024


Besuchtes Konzert
am 18. März 2024
in der Alten Oper Frankfurt

Renaud Capuçon, Violine
Thomas Guggeis, Leitung
Frankfurter Opern- und Museumsorchester