Frankfurt, Konzert: „Rudolf Buchbinder“

Am 5. Juni 2023 fand ein außergewöhnliches Konzert in der Alten Oper Frankfurt statt, bei dem herausragende musikalische Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Frédéric Chopin und Antonin Dvořák präsentiert wurden. Das Programm versprach eine reiche Vielfalt an musikalischen Genüssen, angeführt von dem renommierten Pianisten Rudolf Buchbinder und dem Kammerorchester Wien-Berlin unter der Leitung von Konzertmeister Rainer Honeck.

(c) Marco Borggreve

Das Konzert begann mit der Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfonia Nr. 10 h-moll MWV Nr. 10. Die Sinfonia Nr. 10 in h-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy komponierte er 1823 mit gerade einmal vierzehn Jahren. Es handelt sich um ein Werk, das erst posthum veröffentlicht wurde, daher ist es weniger bekannt als einige seiner anderen Sinfonien. Die Sinfonia Nr. 10 ist geprägt von einer Mischung aus dramatischen und lyrischen Elementen und zeigt Mendelssohns meisterhaftes Können in der Komposition von Orchestermusik. Das Kammerorchester Wien-Berlin unter der Leitung von Rainer Honeck interpretierte diese Sinfonie mit großer Präzision und Sensibilität. Bereits der Beginn erzeugte Hochspannung. Ein derart intensives, sonores Piano ist selten zu erleben, dazu in höchster Klangschönheit. Die Musiker verstanden es perfekt, die komplexen kontrapunktischen Passagen gut zum Ausdruck zu bringen und die wechselnden Stimmungen des Werkes gekonnt darzustellen. Kein Wunder, denn die sechzehn Mitglieder des Orchesters waren hervorragend aufeinander eingestellt, sodass das Zusammenspiel mustergültig gelang.

Danach trat Rudolf Buchbinder auf die Bühne, um Chopins Klavierkonzert Nr. 1 e-moll Op. 11 darzubieten. Chopins Klavierkonzert Nr. 1 ist ein Höhepunkt der romantischen Klaviermusik. Das Werk zeichnet sich durch seine lyrische Schönheit, seine melodische Raffinesse und seine pianistischen Herausforderungen aus. Rudolf Buchbinder, einer der weltweit führenden Pianisten, wird vielleicht nicht so sehr als Chopin Interpret assoziiert wie bei Beethoven oder Brahms. Umso spannender war daher nun sein Zugang mit dem weltbekannten Klavierkonzert zu erleben. Und Buchbinder brillierte in seiner Interpretation an diesem Abend mit seinem famosen Spiel, dass es die schiere Freude war. Seine Lesart des Klavierkonzerts von Frédéric Chopin war von bemerkenswerter Qualität und zeugte von seinem tiefen Verständnis für die musikalische Sprache des Komponisten. Buchbinders Phrasierung war exquisit. Er verstand es, die Melodien und thematischen Motive des Klavierkonzerts auf subtile Weise zu modulieren und ihnen eine sensible Anmutung zu verleihen. Seine Fähigkeit, die verschiedenen Stimmungen deutlich herauszuarbeiten und sie in harmonischem Einklang zu präsentieren, war bewundernswert. Jede Phrase wurde mit größter Sorgfalt und Präzision geformt, wodurch die musikalische Botschaft des Stücks optimal zur Geltung kam. Die Dynamik von Buchbinders Spiel war äußerst nuanciert. Er beherrschte die Kunst, zwischen leisen und kraftvollen Passagen zu variieren und so eine fesselnde Spannung aufzubauen. Seine Interpretation des Klavierkonzerts von Chopin war geprägt von einer breiten Palette an dynamischen Schattierungen, die dem Werk eine tiefe emotionale Intensität verliehen. Von zarten, kaum hörbaren Tönen bis hin zu kraftvollen und leidenschaftlichen Ausbrüchen – Buchbinder beherrschte die gesamte Bandbreite der Dynamik und setzte sie mit großer Sensibilität ein. Buchbinders Empfindung für die musikalische Substanz des Klavierkonzerts war außergewöhnlich. Er verstand es, die emotionalen und poetischen Aspekte der Musik in seiner Interpretation einzufangen und sie mit immenser Hingabe zum Ausdruck zu bringen. Jede Note schien mit Bedacht gewählt und mit einer tiefen inneren Verbundenheit zum Werk gespielt zu werden. Buchbinder vermittelte eine zutiefst aufrichtige und eindringliche Interpretation, die das Publikum berührte. Seine Anschlagtechnik war bemerkenswert. Er beherrschte die technischen Herausforderungen des Klavierkonzerts mit großer Souveränität und Leichtigkeit. Sein Spiel war von einer perfekten Fingerkontrolle gekennzeichnet, die es ihm ermöglichte, sowohl schnelle Läufe als auch komplexe Akkordpassagen mit beeindruckender Präzision und Klarheit zu meistern. Gleichzeitig gelang es ihm, eine außergewöhnliche Klangschönheit zu erzeugen, indem er die Töne mit einer sanften Berührung zum Singen brachte und den Klavierklang mit einer bemerkenswerten Fülle und Tiefe ausstattete.

Insgesamt war Rudolf Buchbinders Klavierspiel im Konzert in der Alten Oper Frankfurt eine Meisterleistung. Seine herausragende Phrasierung, die nuancierte Dynamik, seine tiefe Empfindung für die Musik und seine beeindruckende Anschlagtechnik machten seine Interpretation des Klavierkonzerts von Chopin zu einem wahrhaft unvergesslichen Erlebnis für das Publikum.

Das Kammerorchester Wien-Berlin unter der Leitung von Konzertmeister Rainer Honeck präsentierte dazu eine eindrucksreiche Leistung. Durch die reduzierte Orchesterbesetzung stand Buchbinder maximal im Mittelpunkt des Geschehens. Das Ensemble bot ihm ein außergewöhnlich gutes Zusammenspiel und eine vorbildliche Begleitung. Jeder Musiker schien in perfekter Abstimmung mit den anderen zu sein, was zu einem homogenen und zusammenhängenden Klang führte. Die musikalische Kommunikation innerhalb des Orchesters war deutlich spürbar, wodurch die musikalischen Phrasierungen und Ausdruckselemente nahtlos und organisch ineinandergriffen. Dieses hohe Maß an Präzision und Koordination war essenziell, um die feinen Nuancen der Kompositionen zum Klingen zu bringen. Das Orchester verstand es, Rudolf Buchbinder als Solisten in idealer Weise zu unterstützen und dabei gleichzeitig die Eigenständigkeit der Orchesterstimmen zu wahren. Honeck leitete das Orchester mit großer Sensibilität und einem feinen Gespür für die musikalische Balance. Die Dynamik zwischen Solist und Orchester wurde gekonnt gestaltet, wodurch sich ein Dialog auf höchstem musikalischem Niveau entwickelte. Die Musiker zeigten eine besondere Aufmerksamkeit für die musikalischen Details und passten ihre Interpretationen flexibel an die Gestaltung des Solisten an. Bemerkenswert war die Fähigkeit des Kammerorchesters Wien-Berlin, die musikalischen Farben und Stimmungen der Werke zum Ausdruck zu bringen. Das gute Zusammenspiel, die vorbildliche Begleitung und die Fähigkeit, die musikalische Vision des Solisten Rudolf Buchbinder zum Leben zu erwecken, trugen maßgeblich zum Erfolg des Konzerts in der Alten Oper Frankfurt bei. Entsprechend groß war die Begeisterung. Buchbinder erhielt Blumen vom begeisterten Publikum. Dann pfefferte er eine Johann Strauss Paraphrase als Zugabe mit höchster Virtuosität in den Saal, die das Auditorium vollends in Euphorie versetzte.

Nach der Pause wurde Antonin Dvořáks Serenade für Streichorchester E-Dur Op. 22 aufgeführt. Die Serenade für Streichorchester von Dvořák ist ein bezauberndes Werk, das von einer heiteren und zugleich melancholischen Stimmung geprägt ist. Dvořák lässt die Streicher des Orchesters in einem reichen Klanggewebe verschmelzen und schafft so eine warme und mitreißende Atmosphäre. Das Kammerorchester Wien-Berlin brachte die Schönheit dieser Serenade mit anmutigem Spiel zum Ausdruck. Die Streicher erzeugten wieder ihren warmen und vollen Klang, der die lyrischen Melodien des Stücks zum Leben erweckte. Unter der Leitung von Rainer Honeck gelang es dem Orchester, die Dynamik und den Schwung der Komposition gekonnt zu gestalten. Abermals Begeisterung und auch hier erfolgte ein musikalischer Gruß aus der Musikstadt Wien als Zugabe: Die Polka schnell „Eingesendet“ von Josef Strauß. Ein schöner Konzertabend.

Dirk Schauß, 7. Juni 2023


Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 5. Juni 2023

Felix Mendelssohn Bartholdy                   

Sinfonia Nr. 10 h-moll MWV Nr. 10

Frédéric Chopin                                         

Klavierkonzert Nr. 1 e-moll Op. 11

Antonin Dvořák                                          

Serenade für Streichorchester E-Dur Op. 22

Rudolf Buchbinder, Klavier

Kammerorchester Wien-Berlin

Rainer Honeck, Konzertmeister und Leitung