Erl: „Das Rheingold“

Ein großer Abend im Erler Passionsspielhaus!

Nun fand die lang erwartete Premiere des Vorabends des neuen Erler „Ring des Nibelungen“ in der Inszenierung von Brigitte Fassbaender unter der musikalischen Leitung von Eric Nielsen statt. Wir erlebten am Abend nach der nicht ganz so überzeugenden Premiere der „Königskinder“ von Engelbert Humperdinck, die im Festspielhaus stattfand, ein die Erwartungen noch übertreffende erstklassige Aufführung des „Rheingold“ im Passionsspielhaus, wo auch Gustav Kuhn immer schon seine Wagner-Produktionen aufführen ließ.

Rheintöchter und Alberich

Selbst mit den eher beschränkten Mitteln dieser Spielstätte kam einem zu keinem Zeitpunkt in den Sinn, dass es sich eher um eine halbszenische Inszenierung der weltberühmten Mezzosopranistin Fassbaender handelt, deren Bühnen- und Kostümbildner Kaspar Glarner mit dem Licht von Jan Hartmann für zeitweise fantastische Momente sorgt, die einen tief in die „Rheingold“-Dramaturgie und -Ästhetik eintauchen lassen. Geschickt wird auf drei breiten Projektionsflächen mit dezenter Videotechnik gearbeitet. Vor der mittleren hinter den Sängern ist das Riesenorchester schemenhaft zu erkennen. Eine ausgezeichnete Personenregie mit ein paar speziellen und so noch nicht erlebten Momenten, die vielleicht gerade eine weibliche Handschrift zeigen, schafft Fassbaender eine ungewöhnlich hohe Intensität in der Schilderung der Erlebnisse, Schicksale und Charaktere der Protagonisten, bis bin zu den Rheintöchtern, sodass ihr „Rheingold“ in der Tat wie eine „Kriminalkomödie“ daher kommt, wie sie im Programmheft schreibt. Ein szenisch und dramaturgisch ungewöhnlich fesselnder Abend mit überwiegend neuen Sängern im Wagnerfach, von denen ich neben der bewährten Dshamilja Kaiser als Fricka besonders den Loge von Ian Koziara, den Alberich von Craig Colclough, die allenfalls etwas zu hell singende Erda von Judita Nagyová und den Mime von George Vincent Humphrey hervorheben möchte. Simon Bailey als Wotan agiert zwar sehr überzeugend, lässt es aber etwas an vokalem Volumen fehlen.

Die Riesen in Verhandlung mit den Göttern

Dass es auch musikalisch ein großer, ja eigentlich sensationeller Erfolg werden würde, war schon am ersten Raunen des tiefgründigen Es-Dur-Akkords aus der Tiefe der Bühne zu vernehmen, mit dem das wohl nach Wagner originalbesetzte Orchester der Tiroler Festspiele eine nahezu fantastische „Rheingold“-Performance hinlegte, unter der offenbar höchst kenntnisreichen Hand von Eric Nielsen.

Das Leben, doch nicht den Ring!

Wer dieses Werk noch nicht kennt und in seiner Essenz kennen lernen will, der sollte nun nach Erl kommen, oder im Juni 2022 in den Palast der Künste MÜPA in Budapest, wo Hartmut Schörghofer seine ohnehin schon gelungene halb-szenische „Ring“-Inszenierung überarbeiten wird. Der „Tristan“ von Simon Stone beim laufenden Festival d’Aix en Provence sei hingegen nur hartgesottenen Kennern im Endstadium empfohlen. In Erl kann man wieder einmal erleben, wieviel Aussagekraft in Wagners Musik steckt und in welchem Maße sie ein Über-Inszenieren ad absurdum führt.

Klaus Billand

https://www.klaus-billand.com

Fotos: Xiomara Bender/Festspiele Erl