Schweinfurt: „Die lustige Witwe“

Aufführung des Thalia Theaters Wien am 07. März 2019

Zufriedene Mienen nach einer flotten Aufführung mit der unvergesslichen Musik von Franz Lehár

Nach der sensationellen „Fledermaus“ zum 500ten Gastspiel der Bamberger Symphoniker kehrte in Schweinfurt wieder der Alltag ein. Der Alltag in Form einer ausverkauften Vorstellung der unverwüstlichen „Lustigen Witwe“ von Franz Lehár. Das bekannte Thalia Theater Wien hat in einer Koproduktion mit dem Opernhaus Usti nad Labem und der Kammeroper Prag diese schmissige Operette nach Schweinfurt gebracht. Wie sagt Franz Lehár selbst über sein Meisterwerk: „In der lustigen Witwe habe ich versucht, auf die Bretter der Operettenbühne lebendige Menschen zu bringen. Der Held der Operette Danilo, will die reiche Witwe nicht heiraten, weil er sich eben nicht verkaufen möchte. Erst als er von ihr hört, dass sie angeblich arm ist (da ihr Geld ihr neuer Gemahl erhält) gibt er seiner Liebe Ausdruck. Der Triumph der Liebe über den Materialismus, das ist der ethische Sinn der Handlung trotz der Operettenausstattung“ Soweit Franz Lehár und seine herrliche Musik ist weitaus schmissiger und aufregender, als seine fast philosophischen Worte zu dem Stück.

Wieder einmal kann man den rührigen Intendanten Christian Kreppel nur für sein feines Händchen loben. Er hat ein Gespür für den Nerv des Publikums und für das, was bei seinem Publikum besonders ankommt. Auch an diesem Nachmittag ist es wieder so, ein Publikum welches sich in die Märchenwelt der Operette entführen lässt und glücklich am Ende gut gelaunt aus dem Theater geht. Glücklich einige wunderschöne unbeschwerte Stunden voll mit den tollsten Tönen aus Orchester und Solisten in sich aufgesaugt zu haben.

Frauke Schäfer (Hanna Glawari) und Chor

Und wir bekommen heute eine wunderschöne altbackene, und dies ist im wahrsten Sinne nur positiv gemeint, spritzige und authentische Aufführung zu hören und zu sehen. Der in Bulgarien geborene Bassist Ivaylo Guberov, der auch in die Rolle von Baron Mirko Zeta, des pontevedrinischen Gesandten schlüpft, bringt die wunderschöne Geschichte schnörkellos auf die Bühne. Hier merkt man, dass ein Sänger die Inszenierung macht, ein Sänger, der genau weiß, wie seine Sangeskollegen reagieren, was sie brauchen und wie sie sich wohlfühlen. Und das überträgt sich dann natürlich auch auf das Publikum. Er verwirklicht sich nicht dadurch, dass er das Stück verhunzt und vermodernisiert, er stellt nicht sich in den Mittelpunkt, sondern er vertraut auf die schmeichelnde Musik Lehárs, auf den zarten Schmelz der Arien und Melodien und stellt diese in den Vordergrund. Ach, wäre es doch nur bei vielen anderen Bühnen auch nur so, oder auch nur ansatzweise. Die Rolle des mit Hörnern versehenen Gesandten füllt er mit durchschlagskräftigem, warmem und vollem Bass eindrucksvoll aus. Zusammen mit Jiri Pokorny, der für die Choreografie verantwortlich zeichnet und Dana Haklová, die für die Ausstattung zuständig ist, zaubern sie ein buntes, ausdrucksvolles und abwechslungsreiches Stück auf die Bühne. Alles passt zusammen, vor allem dann im dritten Akt, wo das Ballett einen wilden CanCan Ritt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, zaubert. Der Chor und das Ballett können sich unter der Einstudierung von Jan Snitil sehen und hören lassen und tragen viel zum Erfolg der Aufführung bei.

Rudolf Pfister (Njegus), Michael Kurz (Danilo)

Das Orchester spielt ohne Fehl und Tadel, ist gut eingespielt und aufeinander eingestimmt. Die musikalische Leitung hat der tschechische, aus Brüna stammende Milan Kanak. Er ist an diesem Nachmittag, wie seine Musiker, sehr gut aufgelegt. Es lässt sie gefühlvoll, aber auch durchschlagskräftig auftrumpfen, lässt sie fast ungezügelt galoppieren um sie dann wieder straff zurückzuholen und zu zurückhaltenderen Tönen zu bewegen, wenn es darum geht, die Stimmen der Sänger nicht zu übertönen. Man merkt, dass es sich hier um ein gut aufeinander eingespieltes Team handelt, welches Höchstleistung bringt und sich völlig zu Recht den Applaus des Publikums erarbeitet.

Der, sagen wir mal sich nicht unbedingt um die Arbeit reißender Schwerenöter, Lebemann und Weiberheld Graf Danilo Danilowitsch, wird von Michael Kurz gegeben. Michael Kurz, der aus Neuwied am Rhein stammende Tenor, ist hier kein Unbekannter, oft glänzte er mit seinem hohen, hellen und durchschlagskräftigen Tenor und ich habe noch seine tolle Leistung als Camille de Rosillon im Ohr. Diesmal ist er überraschend nicht ganz so strahlend in den Höhen wie sonst, die Durchschlagskraft seines robusten Organs etwas gedämpft, alles ein bisschen wie in Watte gelegt. Das wir uns richtig verstehen, es ist immer noch eine überzeugende Leistung, aber alles mit etwas gebremsten Schaum. Ich vermute, dass dies auch ein bisschen damit zusammenhängt, dass er in dieser Rolle debütiert und deshalb an diesem Nachmittag nicht ganz so frei aufsingt, wie ich es von ihm gewöhnt bin. Darstellerisch wie gewohnt eindrucksvoll und überzeugend. Ihm zur Seite die in Frankenthal in der Pfalz zur Welt gekommene Sopranistin Frauke Schäfer als glamouröse und lebenslustige Hanna Glawari. Mit leuchtendem, sicher geführtem, gefühlvollem, strahlendem und höhensicherem Sopran kann sie das Publikum begeistern und zu Beifallsstürmen hinreißen. Ihr Wiljalied singt sie zurückhaltend, mit Zauber und viel Herzblut, anrührend mit vollem beweglichem Ton und man merkt richtig, wie das Publikum den Atem anhält um die letzten flirrenden Töne ja nicht zu verpassen. Beide ergänzen sich auch sehr gut und liefern darstellerisch eine weit über dem Durchschnitt liegende Leistung ab. Wenn Michael Kurz die Rolle ein paar Mal verinnerlicht hat, wird sich mit Sicherheit auch wieder das von mir etwas vermisste Feuer einstellen. Das Publikum feiert die beiden jedenfalls mit stark anhaltendem fast euphorischem Beifall. Sie haben sich dies mit Fug und Recht auch verdient.

Frauke Schäfer (Hanna), Michael Kurz (Danilo)

Die Leistung von Ivaylo Guberov als Baron Mirko Zeta habe ich ja bereits eingangs gewürdigt. Seine Frau Valencienne, die ja, wie wir alle wissen eine anständige Frau ist, wird von der aus Kärnten stammenden Heidi Manser verkörpert. Sie, die darstellerisch überragend ist, besitzt einen warmen, ausdrucksstarken aber an diesem Nachmittag sehr zurückhaltenden Sopran. Scheinbar wird sie doch vom Orchester etwas zu stark zugedeckt und kann manchmal mit ihrer sehr schönen und warmen Stimme kaum durchdringen, sie ist teilweise dadurch auch etwas schwer zu verstehen. Ich jedenfalls habe sie schon wesentlich durchschlagskräftiger und voluminöser erlebt. Das Publikum merkt dies kaum und gibt begeisternden Applaus. Den hat sie sich auch redlich verdient, allein den CanCan im 3. Akt gestaltet sie sehr eindringlich. Ihr tenoraler Liebhaber wird von dem in Horn in Niederösterreich geborenen Martin Mairinger mit hellem, klaren, durchdringenden Tenor mit sicherer Höhe gegeben. Er hat keinerlei Probleme, die Stimme spricht in allen Lagen gut an und besitzt viel Glanz in der Spitze. Da kann man schon verstehen, dass die arme Valencienne etwas schwach wird und sich auf ein kleines unschuldiges Abenteuer einlässt. Erwähnt sei noch Rudolf Pfister in der eigentlich kleinen und unbedeutenden Rolle als Kanzlist Njegus. Diese gestaltet er aber zu einem darstellerischen Kabinettstückchen und kann mit Recht viel Beifall des Publikums auf sich ziehen. In allen weiteren, recht vielen kleinen Nebenrollen gibt es keinerlei Ausfälle, alle wissen zu überzeugen und liefern eine überzeugende Ensembleleistung ab.

Diese Aufführung macht ganz einfach nur Spaß. Sie gefällt, ist herrlich konventionell auf die Bühne gestellt, nimmt das Publikum in jedem Augenblick mit und lässt für eine Weile die pulsierende und hektische Welt außerhalb der Mauern des Theaters vergessen. Wieder einmal, wie so oft in Schweinfurt, ein herrlich abwechslungsreicher Nachmittag, fernab von allem Unbill des Alltags. Man lässt sich für ein paar Stunden verzaubern, taucht ein in eine unwirkliche Märchenwelt und ist zufrieden und begeistert. Man hat aufgetankt, aufgetankt mit einer der herrlichsten Nebensächlichkeiten der Welt, die uns dennoch so viel zu geben im Stande ist, der wunderbaren Musik und der verzauberten und bezaubernden Welt der Operette.

Manfred Drescher 10. März 2019

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