Bad Hersfeld: „Hair“

Premiere: 16.08.2019, besuchte Vorstellung: 18.08.2019

Let the sunshine in!

Genau 50 Jahre nach dem legendären Woodstock-Festival fand in der Bad Hersfelder Stiftsruine am vergangenen Freitag die Wiederaufnahme-Premiere des Musicals Hair statt. Da diese Produktion bereits im vergangenen Sommer das Publikum derart begeistern konnte, dass sämtliche Vorstellungen nahezu ausverkauft waren, wurde das Stück in diesem Jahr erneut in den Spielplan aufgenommen. Und auch in diesem Jahr sind für die Vorstellungen bis zum 31. August 2019 nur noch Restkarten erhältlich. Gil Mehmert nimmt in seiner Inszenierung dann auch direkten Bezug auf das große Festival, das Setting ist eine Hommage an Woodstock und die Bühnenaufbauten sind entsprechend nach diesem Open-Air-Ereignis gestaltet (Bühne: Jens Kilian). Seine Uraufführung feierte das „American Tribal Love Rock Musical“ allerdings bereits ein Jahr vor Woodstock im April 1968. Zehn Jahre später erschien der Film von Milos Forman, der die mehr oder minder losen Motive und Charaktere der Bühnenversion mit mehr Handlungen und Entwicklungen verband.

Für Mehmert bleibt Hair aber in erster Linie „ein großer Trip im Rausch des Lebens“, so dass er die Handlung bis auf einige wenige unabdingbare Grundzüge streicht und sich mehr auf das Grundwerk von 1968 bezieht. Gefeiert wird in Bad Hersfeld eine Art Konzert-Happening als Hommage an eine Generation, die für einen Sommer die Zeit angehalten hat. Leider bleibt hierbei die Personenführung komplett auf der Strecke. An sich sind alle Rollen beliebig und austauschbar. Die Entwicklung die Claude im Kampf zwischen Pflichtgefühl und Elternhaus auf der einen Seite und pazifistische Überzeugung und Hippie-Freunde auf der anderen Seite durchmacht ist kaum noch vorhanden. Von irgendwelchen besonderen Beziehungen innerhalb der Gruppe ganz zu schweigen. Leider geht bei solch einem Inszenierungsansatz dann gleichzeitig viel vom Stück und den darin enthaltenen Botschaften verloren. Keine Frage, Mehmert liefert im zweiten Akt ins Mark gehende Kriegsszenen, dies ist dann zum Finale auch genau der Moment wo man traurig feststellt, welches Potential auch heute noch in diesem Werk steckt, vielleicht sogar mehr denn je. Genutzt wurde dieses Potential hier leider nur in Ansätzen.

Der guten Stimmung des Publikums steht dies allerdings nicht entgegen, im Gegenteil. Zum Ende gibt es einen orkanartigen Applaus für das gesamte Ensemble, welches in der Tat ganz hervorragende Arbeit leistet. Stellvertretend für die insgesamt 26köpfige Besetzung seien hier auf Grund einiger größerer Solostücke nur Bettina Mönch als Sheila, Merlin Fargel als Berger, Christof Messner als Claude und Martina Lechner als Jeanie genannt. Besonders die großen Ensemble-Nummer wissen besonders zu gefallen. In Bad Hersfeld werden die Songs in englischer Sprache präsentiert, „weil die Songs eher Haltungen beschreiben und weniger die Handlung vorantreiben“, begründet Gil Mehmert diese Entscheidung. Dies ist auch für das gewünschte Konzertfeeling die richtige Entscheidung. Das übriggebliebene Grundgerüst der Handlung wird dagegen auf Deutsch vorgetragen. Bei den erwähnten Ensemble-Nummer wie den bekannten „Aquarius“, „Hair“ oder „Let the sunshine in“ kommen auch die Choreografien von Melissa King besonders zur Geltung. Die Band der Bad Hersfelder Festspiele unter der musikalischen Leitung von Christoph Wohlleben liefert ebenfalls eine tadellose Leistung ab.

Markus Lamers, 19.08.2019
Bilder: © BHF / Klaus Lefebvre