Berlin: „Giselle“

Saisoneröffnung beim Staatsballett Berlin

Mit einer Serie von Giselle-Aufführungen in wechselnden Besetzungen startete das Staatsballett die Saison 2022/23. Von besonderem Interesse war die Nachmittagsvorstellung am 18.9. 2022, denn der neue Erste Solotänzer David Soares gab als Albrecht sein Rollendebüt in dieser Produktion, die seit 2000 das Repertoire der Compagnie ziert. Als Prinz Desirée in Dornröschen hatte er seinen Einstand in Berlin gegeben und konnte nun auch in dieser Rolle mit smarter Jugendlichkeit und romantischer Aura überzeugen. Technisch gelang ihm nicht jede Figur perfekt, aber in den beiden großen Pas de deux des 2. Aktes war er nicht nur in seinen Variationen ein brillanter Interpret, sondern auch seiner Giselle ein zuverlässiger Partner mit sicheren Hebungen. Ksenia Ovsyanick vereinte in ihrer Darbietung Anmut, Schlichtheit, Verletzlichkeit und Bravour, war ergreifend in der Wahnsinnsszene am Ende des 1. Aktes und überwältigend als ätherisches, schwebendes Wesen in den empfindsamen Pas de deux. In einem weiteren Rollendebüt konnte man Vera Segova als hoheitsvolle Myrtha erleben. Minimale nervöse Wackler beeinträchtigten ihren Auftritt kaum, denn ihre Attitüde war bestechend. Einen sympathischen Hilarion mit kraftvollen Sprüngen in seiner Sterbeszene gab Alexei Orlenco; Yuria Isaka und Dominic Whitbrook überzeugten in den Variationen des Bauern-Pas-de-deux mehr als in den gemeinsamen Aktionen. Exzellent in Synchronität und Haltung waren die Wilis im 2. Akt. Paul Connelly am Pult der Staatskapelle Berlin konnte seine reichen Erfahrungen als Ballett-Dirigent einbringen, ohne einige Bläserpatzer verhindern zu können.

Bernd Hoppe, 24.9.22