Wenn Startänzer befreundete Partner zu einer Ballett-Gala einladen, verspricht das stets ein Tanzfest der Sonderklasse. Beim Staatsballett gab es solche Abende bereits in der Malakhov-Ära, nun folgte am 17. 5. 2018 Polina Semionova mit ihrem Programm Polina & Friends in der Lindenoper. Mit seinen diversen Tanzstilen bot dieses interessante Kontraste und fand die jubelnde Zustimmung des Publikums im ausverkauften Haus.
Die Starballerina selbst hatte mit vier Beiträgen von der Klassik und Neoklassik bis zur Moderne großen Anteil am Erfolg der Veranstaltung, die sie in sehr persönlicher Art zu einer Hommage an die Compagnie machte, wo sie ihre Laufbahn begonnen hatte. So ließ sie es sich nicht nehmen, zu Beginn des Abends das Publikum in deutscher Sprache und ungemein sympathisch zu begrüßen, um noch einmal auf die Bedeutung des Berliner Staatsballetts für ihre internationale Karriere hinzuweisen. Zum Auftakt bot sie mit Daniel Camargo, ehemals Erster Solotänzer des Stuttgarter Balletts und seit 2016 Principal Dancer beim Dutch National Ballet, den Pas de deux aus Le corsaire in der Choreografie von Marius Petipa. Ein spektakuläreres Entrée war kaum denkbar, denn der Brasilianer überwältigte mit Sprüngen von artistischer Bravour und sie glänzte an seiner Seite mit aristokratischer Noblesse. Ähnlich imponierend war der Pas de deux aus Kenneth MacMillans Manon, ein signature piece der Semionova, bei dem ihr Friedemann Vogel, Erster Solist des Stuttgarter Balletts, zur Seite stand. Er hatte zuvor bereits das Solo Mopey in der Choreografie von Marco Goecke absolviert – eigenwillig in seinen schüttelnden, flatternden, zuckenden Bewegungen. Als Des Grieux konnte Vogel dagegen den leidenschaftlichen jugendlichen Liebhaber geben und er hatte in der kapriziösen Manon der Semionova die ideale Partnerin. Eine weitere Facette ihres Könnens zeigte die Tänzerin im zweiten Teil im Duett Without Words auf Musik von Franz Schubert in der Choreografie von Nacho Duato. Dieser sensible Pas de deux mit den typischen Bewegungselementen des Choreografen – abgewinkelte Glieder, zusammen fallende Körper – wirkte in der Programmfolge wie ein lyrisches Intermezzo. Mit ihrem Partner Ivan Zaytsev vom Mikhailovsky Theater St. Petersburg bestritt sie auch die offiziell letzte Nummer des Programms – das Duett Cantata auf Musik der Gruppe Assurd in der Choreografie von Mauro Bigonzetti. In diesem temperamentvollen, leidenschaftlichen Tanz sah man stupende Würfe und Schleuderfiguren. Vor dem geplanten Defilee aller Solisten wartete die Gastgeberin noch mit einer Überraschung auf und zeigte jenen Beitrag, der am Beginn ihrer Berliner Jahre stand – das Solo Demo auf einen Song von Herbert Grönemeyer (Choreografie: Rudi Reschke), in welchem sie das virtuose Vokabular der Klassik demonstrieren und danach sogar den Komponisten auf der Bühne begrüßen konnte.
Verdienstvoll, dass die Startänzerin auch jungen Kollegen des Staatsballetts die Gelegenheit für einen Auftritt ermöglichte. Danielle Muir und Konstantin Lorenz boten mit romantischer Allüre im Pas de deux aus Giselle eine beachtliche Talentprobe. Auch Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Ballettschule Berlin sowie des Landesjugendballetts Berlin bekam die Chance, bei der Gala mitzuwirken. Und dieser Beitrag, All Long Dem Day in einer Choreografie von Goecke, fand dann auch enthusiastisches Echo beim Publikum. In einem rasanten Wirbel zeigten die Nachwuchstänzer ihr großes Potential, das für die Zukunft hoffen lässt.
Polina Semionovas Bruder Dmitry Semionov war in zwei Beiträgen zu sehen – mit der Ersten Solistin des Staatsballetts Ksenia Ovsyanick im Duett Intimate Distance (Choreografie: Jiri Bubenicek), das gleichermaßen Nähe und Distanz wie Zuneigung und Aggressivität beschreibt, und mit der Ersten Solistin des Semperoper Ballett Svetlana Gileva in dem Pas de deux Elegie aus Schwanensee, in dem sich Odette-Zitate mit eigenen Erfindungen des Choreografen Xin Peng Wang mischen. Man hofft, den charismatischen Tänzer in seiner Hamlet-Aura wieder öfter auf den Berliner Bühnen zu sehen.
Zwei Principal Dancer vom San Francisco Ballet ergänzten die internationale Solistenriege. Die Russin Maria Kochetkova und der Italiener Carlo Di Lanno zelebrierten den Pas de deux aus Dornröschen – sie mit einer kapriziösen und er mit einer bravourösen Variation. Entbehrlich war dagegen ihr Solo Degunino auf eine Choreografie von Marcos Morau – eine Zappelnummer mit marionettenhaften Bewegungen. Aber dies war auch der einzige Schwachpunkt eines insgesamt glanzvollen Abends, zu dem man Polina Semionova und dem Staatsballett herzlich gratulieren darf.
Bernd Hoppe 18.05.2018