Berlin: „Night and Day“, Laila Salome Fischer und Louis Durra in der Berliner Backfabrik

An der Grenze zwischen dem Prenzlauer Berg und Berlin-Mitte, in der Saarbrücker Str. 36-38, steht die „Backfabrik“, ein, wie es auf der Internetseite heißt, „Kreativquartier für die unterschiedlichsten Ideen und Konzepte.“ Die ehemalige Sahneeisproduktion der 1911 gegründeten Fabrik für Backwaren nennt sich jetzt „Clinker Lounge“ und entsprechend der ursprünglichen Nutzung war der Raum am 10. September 2023 wunderbar kühl, strahlte doch die spätsommerliche Sonne erbarmungslos auf die überhitzte Stadt.

Alles andere als unterkühlt war auch das vom Kammerorchester „Eroica Berlin“ veranstaltete Konzert „Night and Day“ mit der Mezzosopranistin Laila Salome Fischer und dem Pianisten Louis Durra. Lieder von Purcell bis Porter geleiteten in einen Zwischenbereich, der immer wieder von Hell nach Dunkel changierte und mit Leichtigkeit Genres und Epochen miteinander verband.

Die gebürtige Berlinerin ist ein echtes Phänomen, denn sie schafft es mühelos, von der herzergreifendsten Innigkeit des romantischen Gesangs zum frechen Chanson-Ton zu wechseln. Dazu spielt sie Ukulele und erhebt dies unscheinbare Instrument zu einem seriösen Lied-Begleiter. Ihr Partner am Klavier ist auch Komponist; dem Amerikaner gelingt es kongenial, innerhalb weniger Takte Schumann´sche Schwermut mit einem lässigen Swing-Rhythmus zu verbinden.

Nach dem einführenden „One charming night“ von Henry Purcell entführten die beiden Musiker das gebannt lauschende Publikum „Ins stille Land“ von Franz Schubert. Passend zu dessen romantischer Tonsprache folgten die Lieder „In der Fremde“, „Waldesgespräch“, „Die Stille“ und das berühmte „Mondnacht“ aus Robert-Schumanns-Liederkreis op.39. Diese Lieder trug die Sängerin so ergreifend und mit inniger Aufrichtigkeit vor, daß manchem die Tränen kamen.

In dieser Stimmung wollten die beiden Künstler das Publikum aber nicht verbleiben lassen und so schloß sich das namengebende „Night and Day“ von Cole Porter an, gefolgt vom buchstäblich bissigen „Ich bin ein Vamp“ von Mischa Spoliansky, bei dem die Sängerin auch ihr großes schauspielerisches Talent unter Beweis stellte.

In Stefano Landis „Augellin“ und den Liedern „In darkness let me dwell“ sowie „Come again“ von John Dowland erklang die intime Melancholie der Renaissance. Hand aufs Herz – Stings Interpretationen der Dowland-Werke können da nicht mithalten, so großartig er als „Police“-Sänger und in seinen Soloalben der frühen 80er war.

Richtig krachen ließ es die Mezzosopranistin dann mit dem parodistischen „What a Movie!“ von Leonard Bernstein und als ob das nicht des Variantenreichtums genug gewesen wäre, bewies sie, wie authentisch sie solche Schnulzen wie „Liebe kommt einmal von irgendwoher“ und „Lauter Sonnenschein“ von Eduard Künnecke mit dem Glanz der frühen Tonfilmzeit zu überziehen vermag.

„Berlin im Licht“ von Kurt Weill, das Auftragswerk einer Berliner Elektrizitätsgesellschaft, hätte zu diesem gleißenden Sonnentag nicht besser passen können und an Laila Salome Fischers Wiedergabe seines Lieds der „Seeräuberjenny“ hätten er und Bert Brecht am gerade mal drei Kilometer entfernten Schiffbauerdamm ihre helle Freude gehabt, so fies und kalt gab diese wilde Braut ihrer Freude am Untergang der anderen einen vollendeten Ausdruck. Daß es mit Spolianskys zauberhaftem „Where Flamingoes fly“ und dem atmosphärisch abrundendem „In the still of the night“ von Porter nicht zu Ende sein sollte, war schnell klar.

Das begeisterte Publikum forderte umgehend Zugaben und Fritz Kreislers „Im Theater ist nichts los“ war von der Komik und unglaublichen Wandelbarkeit der Sängerin her vielleicht das beste Stück des Abends – Laila Salome Fischer übertraf sich tatsächlich ständig selbst. Bei der Zeile „In Berlin spricht man nur von Berlin“ gab es viele Lacher, denn diejenigen, die den Moloch kennen, wissen um seine beständige Nabelschau.

(c) Andreas Ströbl

Louis Durra zeigte, was er für ein souveräner Improvisateur ist – es ist eine Freude, mit anzusehen und zu -hören, wie die beiden innerhalb von Sekunden in Stimmungen, Genres und Färbungen oszillieren.

Mit einem Lieblingsstück der Sängerin, „Dream a Little Dream of Me“ von „The Mamas and the Papas“ endete dann der wunderbare Nachmittag eines heißen Tages in Berlin. Da der auch mit dem Geburtstag von Laila Salome Fischer zusammenfiel, durfte man erleben, wie das Geburtstagskind diesmal tatsächlich die Schenkende war. Alles Gute, Laila!

Andreas Ströbl, 12. September 2023


Night and Day
Rezital

Laila Salome Fischer, Mezzosopran
Louis Durra, Klavier

Berlin
Clinker Lounge in der Backfabrik