Baden: „Die Csárdásfürstin“, Emmerich Kálmán / „Wiener Blut“, Johann Strauss

Und wie alljährlich wieder mit knapp 50 Freunden unterwegs nach Baden und wieder – wie eigentlich immer – mit hohen musikalischen Erwartungen. Und wieder in unserem Hotel At the Park welches uns letztes Jahr Asyl gewährte, weil unserer früheres Hotel in Konkurs gegangen war. Und was will ich mehr sagen als: einfach ein tolles Hotel, mit toller Verpflegung und Spitzenessen und nur ein paar wenige Schritte von der Sommerarena entfernt. Das Wetter in diesem Jahr war einfach grandios, manchen fast etwas zu warm, aber alles ist besser als Kälte und Regen. Ich bin jedes Jahr einfach nur beeindruckt, wie es eine kleine Stadt mit etwa 27.000 Einwohnern schafft, in der herrlichen und auch einmaligen Sommerarena sowie im Stadttheater Aufführungen von diesem Niveau zu bieten. Schon längst kein Geheimtipp mehr, so ziehen jedes Jahr sehr viele Wiener nach Baden, um dort Operette vom Feinsten zu erleben, verärgerte Mörbisch-Besucher, denen das Mekka der Operette dort weggenommen wurde, finden in Baden eine neue Heimat und jetzt das wahre Mekka der Operette. Hier ist die Welt noch in Ordnung und hat mit Prof. Dr. Michael Lakner einen Intendanten, der alles, was nur geht, aus den Gegebenheiten herauskitzelt, und für den dieses Jahr seine vorletzte Saison ist. Sein Nachfolger wird sich ganz schön strecken müssen, um an dieses Multitalent auch nur entfernt heranzukommen. In diesem Jahr standen mit der Csárdásfürstin und Wiener Blut zwei wohlbekannte und wunderschöne Operetten auf dem Spielplan. Wobei ich gerne zugebe, dass ich immer noch an die – aus meiner Sicht – Jahrhundertaufführung der Frühjahrsparade vom letzten Jahr zurückdenke, bei der einfach alles gepasst hat und die ich schon mehrmals – dank sei dem ORF – auf DVD zu Hause angeschaut habe. Also jetzt freue ich mich auf die heurige Spielzeit und werde mit meinen Freunden auch nächstes Jahr, beim Abschied von Michael Lakner natürlich wieder dabei sein.


„Die Csárdásfürstin“, Emmerich Kálmán

Die wunderschöne Operette von Emmerich Kálmán Die Csárdásfürstin steht als erstes auf dem Spielplan, ich habe sie in diesem Jahr allein zweimal in sehr schönen Aufführungen erlebt. Der Inhalt ist schnell erzählt und wer kennt die Geschichte des Sohnes des Fürsten von und zu Lippert-Weylersheim nicht, der sich unsterblich in die reizende Chansonette Sylva Varescu verliebt. Nachdem diese auf eine Tournee gehen will, zwingt er sie mit seinem schriftlichen Heiratsversprechen zum Bleiben. Ihm ist die höfische Etikette egal, er liebt Sylva trotz aller Widerstände. Seine Eltern haben aber schon Verlobungskarten mit Komtesse Stasi gedruckt, die ihm seit Kindheit versprochen war. Diese Karte kommt Sylva in die Hände und sie fährt überstürzt und total enttäuscht auf die Tournee. Wenige Tage vor Ablauf der schriftlichen Heiratsfrist erscheint sie bei Edwin Roland, dem Sohn des Fürsten und gibt sich als Frau seines Freundes Graf Boni aus. Edwin, der sich schon in sein Schicksal mit Komtesse Stasi abgefunden hat, glaubt nun, seine nach wie vor Geliebte als dann geschiedene Gräfin heiraten und seiner Familie vorstellen zu können. Nachdem sich Boni in Stasi verliebt hat, scheint alles einfach. Doch dann gibt sich Sylva als Chansonette zu erkennen, die, um den Standesdünkel aufzuzeigen, sich verstellt hat. Sie verlässt Edwin und reist ab. Dieser jedoch kann nicht von ihr lassen und als sein fürstlicher Vater von Feri Bácsi erfährt, dass seine eigene Frau, die Kupfer-Hilda vom Varieté ist, die sich hochgeheiratet hatte, gibt er seinen Widerstand auf. Sylva und Edwin sowie Boni und Stasi finden für immer zueinander. Und das Ganze ist geschmückt mit den herrlichsten Melodien Emmerich Kálmáns.

Iurie Ciobanu – Tania Golden – Alma Sadé
© Christian Husar

Das Bühnenbild stammt von Monika Rovan, einfach, schnörkellos, zweckmäßig und ohne allzu großen Aufwand. Die Kostüme von Ursula Gaisböck, sind sehr gewöhnungsbedürftig, grell, teilweise etwas verrucht, was ja an und für sich nichts Schlechtes ist, aber es passt für mich einfach nicht für diese Operette. Für das Ballett der Bühne Baden hat Anna Vita eine ansprechende Choreographie geschaffen, hier gibt es keinen Grund zur Kritik. Die Choreografie der Solisten und des Chors von Ruth Brauer-Kvam passt sich ihrer Regie an, sie lebt in einer anderen Operetten Welt als ich, aber dazu gleich mehr.

Michael Lakner, der immer ein hervorragendes Händchen für herausragende Regisseure, tolle Interpreten und Inszenierungen besitzt, hat diesmal für die Regie die Regisseurin Ruth Brauer-Kvam verpflichtet und diese bietet eine Inszenierung, die für mich in keinster Weise nachvollziehbar und auch nicht stimmig ist. In vielen Bereichen sogar einfach nur peinlich. Sie verlegt das Stück in das Jahr 1934, um die jüdische Kultur mehr in den Vordergrund zu bringen, vor allem kommt es ihr darauf an, den jüdischen Humor, der die Menschen immer gerettet habe (ihre eigene Aussage im Programmheft) in den Vordergrund zu bringen. Und hier liegt für mich ein Versagen auf ganzer Linie vor. Ich weiß nicht, was sie unter Humor versteht, aber die endlosen eingestreuten „Witze“, über die ich nicht lachen kann, auch deswegen, weil ich sie meist nicht verstehe, sowohl vom Inhalt als auch der Akustik, schaden diesem wundervollen Stück einfach nur. Ebenso wie die zu Beginn sehr dominierend auftretenden zwei Clowns, die einfach nur albern sind und die von Verena Scheitz und Florian Stohr dargestellt werden. Es tut mir sehr leid, dass die zwei Künstler sich für einen solchen Quatsch hergeben müssen. Auch die Kostüme sind ja – wie bereits angesprochen – sehr gewöhnungsbedürftig und mir hat der arme Graf Boni am Anfang richtig leidgetan, wie er halbnackt mit einer riesigen Perlenkette um den Hals (ich weiß nicht, wem das gefällt) auftreten muss. Auch sind grelle Phantasiekostüme im Orpheum an der Tagesordnung, Frack und Abendkleid gibt es hier nicht. Aus den „Mädels vom Chantant“ werden die „Schönen vom Chantant“, warum, erschließt sich mir leider nicht, auch nicht, dass Boni ständig von seinen „Amigos“ sprechen muss und so könnte ich vieles weitere aufführen. Für mich einfach nur eine Inszenierung, die Baden nicht verdient hat und Emmerich Kálmán noch viel weniger. Ich habe dies alles schnell vergessen und mich auf das Hauptsächliche konzentriert, und zwar die Musik. Und an der Musik kann man Gott sei Dank (fast) nichts kaputt machen, sie verzaubert nach wie vor und die Solisten sind einfach, wie man es in Baden gewohnt ist, erste Klasse. Bis auf eine Ausnahme und mit dieser beginne ich gleich meine musikalische Beschreibung. Die Figur des Ferenc Ritter Kerekes, der nur Feri Bácsi genannt wird, fungiert hier als Leiter des Orpheums und als Conférencier des Budapester Vergnügungstempels. Das alles ist einfach nur Quatsch. Feri Bácsi ist normalerweise der väterliche Freund von Edwin und Boni, ein Lebemann, der in die Jahre gekommen ist, und viel von seiner Lebensweisheit an seine Freunde weitergibt. Er ist eigentlich in der ganzen Operette der Ruhepunkt, der gute Freund, der vermittelt, besorgt ist und am Schluss auch noch die Bombe zum Platzen bringt, dass nämlich die Fürstin Anthilde in ihrer Jugend auch eine Tingeltangel Tänzerin war. Aus dieser Rolle, der sehr viel Gewicht zukommt, macht die Regisseurin ein vollkommen verkorkstes Rollenbild. Sie besetzt diese Rolle mit einer Frau, nämlich Tania Golden, die in Sydney geboren und eine österreichische Sängerin, Schauspielerin und Regisseurin ist. Was für mich neben den unverständlich, teilweise nicht verstehbaren Witzen jedoch das Schlimmste ist, das sie auch singt. Ich habe selten eine so grelle, gequetschte, einfach nur unschöne Stimme erlebt und ich gebe gerne zu, dass mir davon die Ohren weh getan haben. Ein Musikliebhaber kommt mit diesem „Gesang“ einfach nicht zurecht. Darstellerisch gibt es an ihr nicht zu bemängeln, einsatzfreudig, immer präsent, immer im Vordergrund stehend, beherrscht sie teilweise die Bühne – wenn man sie nur nicht hätte singen lassen. Aber einem Großteil des Publikums hat es scheinbar gefallen, der Zweck heiligt aber nicht alle Mittel.

Das Orchester der Bühne Baden ist auch an diesem Abend, wie eigentlich immer, sehr gut eingestellt. Die Musiker lassen unter der kraftvollen Hand des Dirigenten, dem Wahlwiener, aber in Steyr geborenen Christoph Huber die Musik Kálmáns strömen und zur Freude des Publikums verwöhnen sie damit das ausverkaufte Haus. Huber ist ein Dirigent, der genau weiß, wo er seine Musiker zum Wohle der Solisten etwas zurücknehmen muss und wo er leidenschaftlich auftrumpfen kann.

Anna Overbeck – Ricardo Frenzel-Baudisch
© Christian Husar

Die Musik Kálmáns strömt durch das Haus, soweit man sie strömen lässt und man merkt den Musikern einfach an, dass sie mit Leidenschaft bei der Sache sind und so transportieren sie es auch zu ihrem Publikum, welches mit Beifall nicht geizt. Dass das Ballett der Bühne Baden auch wieder in Hochform agiert, sei noch am Rande erwähnt.

Beginnen wir nun mit dem wichtigsten, was es bei mir bei einer Operette gibt, den Sängern. In vielen Besprechungen werden sie relativ stiefmütterlich behandelt, obwohl sie in erster Linie dafür zuständig sind, ob eine Aufführung einschlägt oder ermüdend zu Ende geht. Hier in Baden haben wir das Glück, dass es eigentlich immer einschlägt und unser Intendant ein gutes Händchen für seine Solisten hat. Bis auf eine Kleinigkeit, auf die ich bereits eingegangen bin, sind alle Rollen stimmig und sehr gut besetzt, egal was passiert, ein Stimmenfest können wir in Baden eigentlich immer erleben. Dies ist auch ein Grund, warum meine Freunde jedes Jahr auf Neue die lange Fahrt von Bamberg nach Baden auf sich nehmen und dies sehr gerne.

Die Sängerin der Sylva Varescu ist die in Tel Aviv geborene israelische Sopranistin Alma Sadé. Mit klarem, schlankem leichten Sopran weiß sie ihren Edwin, aber auch das Publikum zu bezaubern. Schöne, weiche, einschmeichelnde Höhen und eine äußerst gefällige Darstellung, ein inniges Miteinander, vor allem im Duett mit ihrem Edwin verschaffen ihr zu Recht großen und starken Beifall.

An ihrer Seite, als Edwin Ronald von und zu Lippert-Weylersheim, der in Moldawien geborene rumänische Tenor Iurie Ciobanu. Etliche Male konnte ich ihn schon erleben und nie hat es einen Ausfall gegeben, immer auf den Punkt präsent, sowie enorm spiel- und einsatzfreudig. Sein kraftvoller Tenor besitzt strahlende Höhen und ist dennoch weich und einschmeichelnd. Er zieht viel Beifall auf sich, vor allem auch in den Duetten mit seiner Sylva, aber auch mit Komtesse Stasi. Eine erneut hervorragende Leistung, die das Publikum mit stürmischem Beifall belohnt.

Sein bester Freund, Graf Boni Kancsianu wird von dem in Düsseldorf geborenen Tenorbuffo Ricardo Frenzel Baudisch dargestellt. Und er ist – wie eigentlich immer – mehr als ein Pluspunkt im Ensemble. Er besitzt einen klaren, schönen und weichen Tenor, den er gefühlvoll einsetzt, verbunden mit einem exzellenten Spielvermögen, frisch, fröhlich, leidenschaftlich, ist er auf der Bühne immer im Mittelpunkt, auch in den Duetten mit „seiner“ Stasi. Sein „Aus ist´s mit der Liebe bei mir ein für alle Mal“ bringt ihm viel Beifall, wird aber wieder durch die Albernheiten der Clowns gestört.

Seine Stasi, genauer Komtesse Stasi, die Jugendfreundin von Edwin, wird von der in Wallmerod im Westerwald geborenen Anna Overbeck gesungen und gespielt. Mit schönem, etwas zurückhaltendem Sopran, aber mit spielerischer Leidenschaft und komödiantischem Einsatz, verkörpert sie die Frau zwischen zwei Männern, Warum sie und Graf Boni ihr wunderschönes Duett „Das ist die Liebe, die große Liebe“ mit einer roten Clownsnase singen müssen, erschließt sich mir leider nicht, aber damit kann ich leben.

© Christian Husar

Als Fürstin Anhilte von und zu Lippert-Weylersheim und als Fürst Leopold Maria von und zu Lippert-Weylersheim glänzen wieder einmal zwei Publikumsliebling in Baden, und zwar Verena Scheitz und Oliver Baier. In ihrer unnachahmlichen Art hauchen sie den beiden Rollen entsprechendes Feuer ein und machen das ganze Ensemble so richtig rund und vollständig. Dazu gesellt sich noch als Oberleutnant Eugen von Rohnsdorf, sowie als Portier, mehr als rollendeckend Florian Stohr. Hätte man ihm (und auch Verena Scheitz) nur die alberne Partie als Kabarettist erspart, wäre es noch schöner gewesen.

Alle haben an diesem Abend versucht, die meiner persönlichen Meinung nach völlig missglückte Regie vergessen zu lassen, dies ist den Darstellern mehr als gelungen, so wie sie so oft an so vielen Bühnen das Eisen für verkorkste Stückinterpretationen aus dem Feuer ziehen müssen. Insgesamt gesehen jedoch ein schmissiger und abwechslungsreicher Abend, mit einem Stück, das einfach nur gefällt und das nicht totzukriegen ist.


Die Csardasfürstin
Operette von Emmerich Kálmán

Sommerarena Baden bei Wien

Premiere: 21. Juni 2024
Besuchte Vorstellung: 7. August 2024

Regie: Ruth Brauer-Kvam
Musikalische Leitung: Christoph Huber
Orchester, Chor und Ballett der Bühne Baden


„Wiener Blut“, Johann Strauss

Am nächsten Tag ist für mich die Welt wieder in Ordnung (vor allem auch wegen der Regie, denn musikalisch war auch der Vortag exzellent verlaufen). Mit Wiener Blut steht ein Werk von Johann Strauss auf dem Programm, welches mit zu den schönsten Werken von Strauss zählt. Der Intendant, der in Wien geborene Prof. Dr. Michael Lakner, hat dabei die Regie übernommen und deshalb ist man guten Mutes, dass solche fürchterlichen Regieeinfälle wie am Vortag heute nicht passieren. Und genau so ist es. Michael Lakner bringt die Operette spritzig, leicht, verspielt und mit einer großen Portion Humor, und diesmal ist es wirklich Humor und nicht Klamauk, auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Er hat sich bewusst für den historisch-klassischen Stil entschieden und lässt die Operette um 1815, zur Zeit des Wiener Kongresses spielen. Er bringt den ganzen österreichischen Charme und Schmäh in die Sommerarena und liefert damit – wieder einmal – eine Operette ab, der man lauschen und zusehen, im Walzertakt mitschwingen und beseligt, immer noch erfüllt von den musikalischen Eindrücken, nach Hause gehen kann. So macht Operette, ohne wenn und aber, einfach nur Spaß und das ist auch eines der Geheimnisse der Sommeroperette Baden und des Erfolgs seines Intendanten Michael Lakners, dem man zu jeder Sekunde seiner Regie die Liebe zur Musik und zur Operette mehr wie anmerkt.

Die Operette Wiener Blut war ein Auftragswerk des damaligen Direktors des Wiener Carl Theaters, Franz Jauner an den damals bereits 73jährigen Johann Strauss. Man entschloss sich für diese Operette diverse Stücke von Strauss zusammenzufügen und mit dem Libretto von Victor Léon und Leo Stein zu verschmelzen. Johann Strauss starb am 3. Juni 1899 und konnte die Uraufführung, die am 25. Oktober 1899 stattfand, nicht mehr miterleben. Neben der unverwüstlichen Fledermaus zählt Wiener Blut zu den Meisteroperetten des großen Meisters und gehört mit zu den beliebtesten Stücken in der Operettengeschichte. Der Inhalt ist schnell erzählt und recht verworren. Gabriele, eine temperamentvolle und lebenslustige Frau, heiratet Balduin Graf Zedlau. Sie zieht sich nach der Hochzeit auf das Schloss ihrer Eltern zurück, weil sie, die lebenslustige Wienerin, ihn, den Prinzgemahl, für zu langweilig, spießig und leidenschaftslos hält, halt ein ausgesprochener trockener Gesandter von Reuß-Schleiz-Greiz. Doch aus dem Langweiler ist ein richtiger Lebemann geworden, der nicht nur seine Geliebte, die Tänzerin Franzi Cagliari, deren Vater von höheren Weihen träumt, in der Villa seiner Frau untergebracht hat, sondern der auch der Pepi, der Freundin seines Kammerdieners, was er aber nicht weiß, nachstellt. Seine Frau Gabriele, die von allem hört, wird eifersüchtig und besucht ihren Schlawiner. Dabei kommt es zu den tollsten Verwechslungen, an denen Fürst Ypsheim-Gindelbach großen Anteil hat. Die Verwirrungen lösen sich natürlich am Schluss, alles kommt zusammen, was zusammengehört und Schuld hat natürlich das Wiener Blut.

Beppo Binder, Verena Barth-Jurca
© Christian Husar

Die Bühnenbilder von Erich Uebellacker, die von Akt zu Akt abgewandelt werden, in einer Art Dreierset aufgeteilt, sind stimmig, einprägsam und entsprechen der damaligen Zeit. Passen einfach wunderbar, ebenso wie die herrlichen, bunten und abwechslungsreichen Kostüme, welche die aus Innsbruck stammende Friederike Friedrich entworfen hat und die damit den Zauber dieser vergangenen Zeit auf die Bühne zaubern und an denen man sich fast nicht sattsehen kann. Die Choreografie eindrucksvoll und passend, die Balletteinlagen voller Schwung und Elan von der aus Neuss am Rhein stammenden Anna Vita. Die Chorauftritte sind begeisternd und flott gelungen. In diesem Zusammenhang auch ein ganz dickes Lob an das Ballett und die Chorsänger. Toll gemacht.

Die musikalische Leitung hat der aus Grieskirchen in Oberösterreich stammende Chefdirigent Michael Zehetner und er kann mit seiner Mannschaft alles darbieten, was für eine solche spitzige Operette verlangt ist. Sein Orchester lässt uns musikalisch in den Walzern der damaligen Kaiserstadt versinken und kostet dies auch weidlich aus. Gefühlvoll, zurückhaltend, energisch, stimmungsvoll, alles das zaubert der Dirigent mit seinen Musikern auf die Bühne und bringt alles zum Singen und Klingen. Zehetner ist ein Meister des Taktstockes, das merkt man über die ganze Aufführung hinweg und seine Musiker sind ebenfalls alles Meister der schönen klaren Töne. Vollmundig und gefühlvoll klingt es aus dem Orchestergraben und das Publikum gibt begeisternden Applaus für eine rundum gelungene Darbietung.

Nun zum wichtigsten bei einer Operette, jedenfalls für mich und ich kann es nicht oft genug wiederholen, den Sängern, dem Salz in der Suppe der Operette. Und auch hier merkt man die Erfahrung des Intendanten, der genau weiß, wen er für welche Rolle verpflichten muss und der auch immer für eine Überraschung gut ist, doch dazu später. Drei Frauen stehen im Mittelpunkt des Geschehens, drei Frauen, auf die der Herr Graf ein Auge geworfen hat. Beginnen wir mit seiner Ehefrau Gabriele, welche von der in Bruck an der Mur geborenen Sopranistin Sieglinde Feldhofer verkörpert wird. Ihr gelingt es eindrucksvoll, die etwas leicht blasierte selbstbewusste Gräfin, die sich in ihren eigenen Mann verliebt, einfach, weil er jetzt solch ein Hallodri ist, darzustellen. Ihr heller, zarter, weich geführter silbriger Sopran ist einfach nur schön anzuhören und sie entsprechend auch so anzuschauen. Im Spiel eindrucksvoll, voller Charme und auch ein kleines bisschen spitzbübisch, bringt sie eine ausgezeichnete Leistung auf die Bühne, auch in den Duetten mit ihrem Gatten. Sie identifiziert sich hervorragend mit ihrer Rolle und glänzt mit reinen und klaren Spitzentönen, die keine Höhenangst zu kennen scheinen. So macht Operette Spaß. Auch den Wandel von der eigentlich offenen Beziehung zur Hinwendung zu ihrem Balduin gelingt ihr tadellos.

Ihr Gatte, Balduin Graf Zedlau wird von dem in Wien geborenen Clemens Kerschbaumer dargestellt. Er besitzt einen klangvollen, kräftigen und durchschlagskräftigen Tenor, der auch darstellerisch den leicht überforderten Liebhaber dreier Frauen hervorragend verkörpert.  Sein metallisch glänzender, ohne Höhenprobleme, mit tenoraler Strahlkraft versehener Tenor, kann nicht nur seine Damen, sondern auch das Publikum mehr als beeindrucken.

Sieglinde Feldhofer, Andy Lee Lang
© Christian Husar

Die Tänzerin Franziska Cagliari wird von der in Kärnten geborenen und aufgewachsenen Sopranistin Nicole Lubinger verkörpert. Sie besitzt einen klaren, sicheren, schönen und festen Sopran, im Spiel ist sie die Verkörperung der Geliebten, die immer an ein Happyend glaubt und kann darstellerisch in der Rolle voll überzeugen.

Als Probiermamsell Pepi Pleininger erleben wir die in Sibiu in Rumänien geborenen Verena Barth-Jurca. Quicklebendig auf der Bühne herumwirbelnd, als sei sie dort aufgewachsen, mit einem in allen Lagen leuchtenden, stimmschönen, zarten, aber dennoch durchschlagskräftigen Sopran, bringt sie die Rolle der Soubrette leidenschaftlich und vom Publikum begeistert gefeiert auf die Bühne. Von der Spiellaune und vom tänzerischen her ist sie eine Ausnahmeerscheinung, sorgt für viele Lacher und reißt einfach alle mit. Starker herzlicher Applaus ist der Lohn für eine ganz tolle Leistung.

Ihr Freund Josef, der Kammerdiener des Grafen wird gespielt und gesungen von dem in Wien geborenen Buffo und Charaktertenor Beppo Binder. Er überzeugt mit einem kräftigen, klaren und auch voluminösem sichern Tenor, den er stilvoll einsetzt, hervorragend auch sein Duett mit seiner Pepi und darstellerisch in jeder Sekunde auf der Höhe des Geschehens. Er ist der verschmitzte, alles wissende und alles könnende Kammerdiener, der die Fäden (meist) in der Hand hat. Eine ausgezeichnete Leistung.

Als Premierminister Fürst Ypsheim-Gindelbach erleben wir den in Rom geborenen Bariton und Schauspieler Franz Frickel. Er versucht als Sachse hinter die Geheimnisse des Wiener Dialekts zu kommen, was oftmals zu heiteren Szenen und Verwechslungen führt. Seinen klaren, festen und gepflegten Bariton weiß er entsprechend einzusetzen und für den auch etwas derben Humor ist er ebenfalls mit zuständig. Gemeinsam mit dem Kammerdiener Josef gibt er seinem Affen öfter einmal Zucker, dem Publikum gefällt es sehr und er fügt sich nahtlos in die Reihe der ausgezeichneten Darsteller ein.

Als den Karussellbesitzer Kagler, den Vater der Tänzerin, erleben wir eine Besonderheit. Der in Wien geborene und als österreichischer Botschafter des Rock ’n’ Roll bezeichnete Andy Lee Lang bringt eine Rollendarstellung der besonderen Art. Er singt, tanzt und rockt vom Feinsten und bringt das Publikum teilweise zum Toben. Mit Klaviereinlagen, die er kunstvoll und natürlich fehlerfrei darbietet, kann er voll überzeugen, mit seinem gefühlvollen Lied Geh und verkaufts mei Gwand, i fahr in Himmel, auf dem Akkordeon begleitet von Christian Höller macht er auch gesanglich Furore und darstellerisch ist er sowieso eine Nummer für sich. Mit diesem Coup des Intendanten hat sicherlich niemand gerechnet und er ist zu einem besonderen Schmankerl der Aufführung geworden. Andy Lee Lang hat die Herzen des Publikums im Sturm erobert und hat das letzte i-Tüpferl auf eine ganz tolle Aufführung gesetzt.

Franz Frickel, Clemens Kerschbaumer, Sieglinde Feldhofer, Verena Barth-Jurca und Chor
© Christian Husar

Mit Mario Fancovic als einen Fiakerkutscher, Russi Nikoff als Graf Bitowski und Daniel Greabu als Kellner Leopold, wird das Ensemble ohne Fehl und Tadel ergänzt. Ein Abend, der keinen Ausfall zu verzeichnen hat und der einfach nur Spaß gemacht hat.

Und genau das soll es ja sein, Operette soll unterhalten, ein bisschen von den Alltagssorgen ablenken und fröhlich machen. Und fröhlich sind die Besucher aus dem ausverkauften Haus gegangen. Leise Wiener Blut vor sich her summend. Und was will man als Musikfreund mehr.

Michael Lakner beginnt in diesem Jahr seine letzte Spielzeit und ich werde zu seinen beiden allerletzten Aufführungen Ende August 2025 wieder in Baden sein und ich freue mich bereits jetzt riesig darauf. Dann geht es zur Zirkusprinzessin von Emmerich Kálmán und zu Giuditta von Franz Lehár.

Eine wunderschöne Operettenfahrt geht zu Ende und glücklich und zufrieden geht es nach Haus. Das ist Operette – und so wird sie ewig weiterleben!


Wiener Blut
Operette von Johann Strauss Sohn

Sommerarena Baden bei Wien

Premiere: 4. August 2024
Besuchte Vorstellung: 8. August 2024

Regie: Michael Lakner
Musikalische Leitung: Michael Zehetner
Orchester, Chor und Ballett der Bühne Baden


Manfred Drescher, 16. August 2024