Baden: „Eva“ / „Eine Nacht in Venedig“

Die Sommerarena Baden bei Wien lässt mit wunderschönen Operetten die Herzen wieder höherschlagen

Besuchte Vorstellung von „Eva“ am 10. August 2021 (Premiere 30. Juli 2021) und „Eine Nacht in Venedig“ am 12. August 2021 (Premiere am 08. Juli 2021)

Nachdem ich auch 2019 mit über 50 Freunden wieder in Baden war und wir wunderschöne Aufführungen erlebt hatten, hatten wir sofort wieder für 2020 gebucht, zweimal Baden und einmal Mörbisch. Das furchtbare Virus hat unsere Pläne leider komplett zunichte gemacht, aber wir haben daraufhin einfach die Anmeldungen auf dieses Jahr verschoben – und obwohl wir diesen heimtückischen Angreifer noch nicht überstanden haben, fuhren wir voller Erwartungen von Franken (Bayern) nach Wien und Baden. Wir waren 27 Freunde, alle zweifach geimpft, auch unser Busfahrer. Das bayerische Gesundheitsministerium hat mir dann auf meine Anfrage hin mitgeteilt, dass wir zwar praktisch keine Gefahr darstellen, uns seit vielen Jahren auch alle kennen, man doch auf die Maskenpflicht im Bus bestehen müsse, da eine geringe Gefahr nicht ausgeschlossen werden kann. Ich frage mich, ob unser Sonnenkönig uns demnächst dann auch verbieten wird, auf die Straße zu gehen, denn auch da erwarten uns sicherlich mannigfaltige Gefahren. Wir haben uns auf der langen Fahrt von Bamberg nach Wien dann auch gefragt, warum wir uns eigentlich haben impfen lassen, wenn wir genauso behandelt werden, wie ungeimpfte. Dies war eigentlich der einzige Wehrmutstropfen auf unserer Fahrt und es war etwas, was niemand von uns nachvollziehen konnte. Aber sei es drum, wir waren froh und dankbar, nach dieser langen Durststrecke endlich wieder live in die Märchenwelt der Operette einzutauchen. Gott sei Dank war dann ja auch an der österreichischen Grenze mit diesem Unsinn Schluss und wir konnten uns fast völlig frei bewegen, auch im Theater zusammensitzen. Ich konnte mit dem Intendanten Prof. Dr. Michael Lakner auch ein kurzes Gespräch über die Auswirkungen von Corona auf die Kulturlandschaft führen, welches an anderer Stelle abgedruckt wird. Die beiden Operetten wurden ohne Pause gespielt und vor allem sehr stark auf je 90 Minuten heruntergekürzt. Das hat mir nicht so gut gefallen, und aus meiner Sicht hätte man da ruhig ein bisschen großzügiger sein können, bei der “Eva“ wurde praktisch ein ganzer Akt weggelassen und bei einem solchen Meisterwerk von Johann Strauss wie „Eine Nacht in Venedig“ wurde ebenfalls sehr viel gestrichen, aber dazu später mehr.

Der Intendant Michael Lakner hat mit gewaltigem Einsatz, einer ungeheuren Menge an Herzblut, einer ungebremsten Leidenschaft zur Operette und starken und einschneidenden Probeauflagen es geschafft, dieses Jahr fast normal ablaufen zu lassen – und all seine Mitarbeiter und Künstler haben mitgezogen, dafür ein riesiges Dankeschön. Gespielt wird in diesem Jahr nur in der wunderschönen Sommerarena, ein Kleinod, welches (jedenfalls bei schönem Wetter) keinerlei Belüftungsproblem kennt und wir haben die große Freude gehabt, beide Aufführungen bei offenem Dach genießen zu dürfen. Die 1906 gebaute Sommerarena ist ein Prunkstück, vor allem wenn man die Zeit des Erbauens bedenkt und auch die doch recht überschaubare Einwohnerzahl von Baden. Es ist einfach nur beeindruckend, was man hier im Schatten von Wien auf die Beine stellt. Das erfordert höchstes Lob und höchste Anerkennung – und das Publikum liebt diese sehr spezielle Art eines, ja man kann schon sagen, Freilufttheaters.

Die Sommerarena Baden mit geöffnetem Dach

EVA

Mit der sehr selten gespielten Lehár-Operette „Eva“ hat Michael Lakner wieder ein Gespür dafür bewiesen, dass man solche vergessenen Werke wieder zu neuem Leben erwecken kann, auch wenn man -wie hier – sehr starke Einschränkungen und Änderungen vornehmen muss. Die Operette spielt im Arbeitermilieu, in einer Produktionsfabrik und Eva, die gerade Geburtstag feiert, wird hier als Waisenkind von ihrem Ziehvater, dem Werksführer Larousse aufgenommen und praktisch von der gesamten Belegschaft aufgezogen. Sie verliebt sich in den neuen Chef der Fabrik, der ihre Liebe aus seiner Sicht auch erwidert, einem Pariser Lebemann, der es mit der Treue nicht so genau nimmt. Er versucht sie zu verführen, bringt dadurch die gesamte Belegschaft gegen sich auf, erkennt seinen Fehler und erkennt auch, dass er Eva wirklich liebt und die beiden werden ein Paar. So schnell kann es gehen, wenn etliche Handlungsstränge gekappt werden, die Eva zeigen, wie sie enttäuscht von Flaubert, dem Fabrikbesitzer, sich erst wiederfinden muss. Diese ganze etwas unlogische Verstrickung lässt Michael Lakner einfach weg, beendet das Märchen mit der Liebenserklärung der Beiden und der Tatsache, dass der Prinz doch noch seine Prinzessin bekommt, ohne Umwege ohne Verwirrungen. Also Liebe mit Happy End, unter weglassen der Um- und Irrwege. So kann man es machen, so kommt es auch gut beim Publikum an – und so erreicht man auch seine 90 Minuten, die man sich vorgegeben hat.

Franz Födinger, Alexander Kröner, Claudia Goebl, Thomas Zisterer, Sieglinde Feldhofer

Die Inszenierung stammt von dem gebürtigen Wiener Michael Lakner, der vorrangig die Liebesbeziehung der Hauptpersonen in den Vordergrund stellt, etliches verkürzt, umschreibt und so eine stimmige Überarbeitung auf die Bretter stellt. Auch die weiteren Figuren, zum Beispiel Pepita, genannt Pipsi, einer Dame, der die Männerwelt recht genehm ist, Prunelles, der Buchhalter der Fabrik und Dagobert Millefleurs, der Freund des am Anfang gockelhaft auftretenden Fabrikbesitzers wider Willen, sind gut herausgearbeitet. Das Ende ohne die Wirren ist etwas abrupt, aber nachvollziehbar und auch der Situation geschuldet. Wieder einmal eine bemerkenswerte Leistung des Intendanten. Die Ausstattung, also die Bühnenbilder wurden von dem Salzburger Bühnen- und Kostümbildner Dietmar Solt werkgerecht und werkgetreu auf die Bühne gestellt. Alles angepasst, die Fabrik, aber auch die Feste. Wunderschön die Kleider für die aus Innsbruck stammende Friederike Friedrich verantwortlich zeichnet, vor allem für Eva, die wie eine Prinzessin aus Tausendundeine Nacht auftritt und damit nicht nur das Herz des Fabrikbesitzers im Sturm erobert, natürlich fliegen ihr auch die Herzen auf der Bühne, aber ebenso aus dem Publikum zu. Die Choreografie ist ohne Fehl und Tadel von der aus Neuss am Rhein stammenden Anna Vita in Szene gesetzt worden und es gibt keinen Kritikpunkt in der gesamten Aufführung. Vor allem auch die Ballettszenen gelingen, ebenfalls wie die eindrucksvollen Chorauftritte, ausgezeichnet und sind sehr eindrucksvol.

Alexander Kröner, Claudia Goebl

Das Orchester der Bühne Baden ist an diesem Abend sehr gut eingestellt, eigentlich war es die letzten Jahre immer so, arbeitet die wunderschöne Musik Lehárs klangvoll heraus, nimmt sich bei den Sängern stimmdienlich zurück, um dann aber auch wieder klangvoll aufzutrumpfen, wo es erforderlich ist. Die Musik Lehárs ist – wie praktisch in all seinen Werken – melodisch, raffiniert, zupackend und einfach nur wunderschön beeindruckend. Dazu kommt, dass die Seitenlogen rechts und links nicht besetzt sind und die Bläser von dort eindrucksvoll ins Geschehen eingreifen können. Ein einfacher, aber äußerst wirkungsvoller Einfall, der viel zum musikalischen Gesamteindruck beiträgt. Dazu trägt auch das zupackende und immer auf der richtigen Note liegende Dirigat des in Linz geborenen Franz Josef Breznik bei, der mit seinen Musikern hör- und sichtbar zufrieden, endlich wieder am Pult stehen zu dürfen, alles herauskitzelt, was möglich und nötig ist. Und seine Musiker sind ebenfalls mit Freude und Einsatz dabei, einen Einsatz, den sie solange nicht mehr zeigen konnten und der auf Dauer trübsinnig werden lässt. Was ich jedoch nicht ganz verstanden habe, ist die Tatsache, dass der „arme“ Dirigent die ganze Zeit über seine Maske aufbehält, was unter den Umständen (die 3G – Regel in feinster Form beachtet) sich für mich nicht unbedingt erschlossen hat. Trotzdem Hochachtung dafür und dass bei diesen Temperaturen. Man merkt ihm einfach auch an, dass er „seinen“ Lehár nicht nur liebt, sondern in allen Facetten ausschöpft. Der hervorragend einstudierte Chor unter der Leitung von Christoph Huber tut ein Übriges, um den Abend zu einem vollen Erfolg werden zu lassen.

Reinhard Alessandri mit Ensemble

Nun zu den Sängern der Aufführung, sie sind das Salz in der Suppe und ohne sie würde sich manche Aufführung mehr als fad darbieten. Und auch an diesem Abend ist kein ausgesprochener Ausfall zu verzeichnen, alle Rollen sind gut und rollendeckend besetzt. Und auch an diesem Abend merkt man den Sängern richtig an, dass sie einfach nur Freude haben, endlich wieder für ihr Publikum singen zu dürfen und man merkt ihnen die Freude darüber an, dass hoffentlich die lange Zeit der Entbehrung vorbei geht. Neben einer ordentlichen Gage ist nämlich auch der Applaus das Brot des Künstlers, auf das man solange hat verzichten müssen und man merkt mit jedem Ton, wie „ausgehungert“ die tollen Solisten über die letzten langen schwierigen Monate gewesen sind. Heute Abend zeigen sei, dass sie es nicht verlernt haben und ihr Publikum wie eh und je verzaubern möchten und können. Man spürt dies einfach auch im Publikum und man freut sich auch einfach nur darüber, dass es endlich wieder die lange vermisste leidenschaftliche musikalische Beschäftigung mit der Operette, einer der schönsten Nebensächlichkeiten der Welt, gibt.

Als Eva ist die österreichische Sopranistin, die in Bruck an der Mur geborene Sieglinde Feldhofer zu hören und zu erleben. Und ihre Darstellung der Eva macht einfach nur Spaß. Quicklebendig, mit klarem, hellem und weichem Sopran, der mühelos jede Höhe erklimmt, bringt sie eine vorzügliche Leistung. Man möchte ihr viel länger als die veranschlagten 90 Minuten zuhören und sie begeistert einfach mit leuchtender, silbriger Stimme, die nie auch nur entfernt an ihre Grenzen kommt. Eine exzellente Darstellung, mit einer bezaubernden Ausstrahlung und viel Spielwitz versehen, wird sie mit viel verdientem Applaus bedacht. Als Fabrikbesitzer Octave Flaubert ist der aus Tirol stammende Reinhard Alessandri zu sehen und zu hören. Sein Tenor ist mit den Jahren baritonaler geworden, die leuchtenden metallischen Spitzentöne sind nicht mehr sein Ding, dafür kann er mit viel Spielfreude aufwarten und ist immer präsent. Insgesamt ergänzt er sich gut mit Sieglinde Feldhofer. Er bringt auch die Wandlung vom eitlen, selbstverliebten und den Frauen nie abholden Geck, hin zum wahrhaft Liebenden, glaubhaft auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Als Werksführer und Ziehvater Evas kann der Badener Franz Födinger punkten. Er gestaltet den liebevollen und auf Eva achtenden und stets um sie Besorgten eindrucksvoll und teilweise auch rührend. Man fühlt mit ihm, wenn er alles versucht, um seine Eva zu beschützen und zu behüten. Der österreichische Bariton Thomas Zisterer ist als Buchhalter Prunelles ein Angelpunkt des Stückes und zeigt, dass er seinem Chef mit Verstand mehr als gewachsen ist. Als sein Freund Dagobert Millefleurs kann der in Wien geborene Alexander Kröner punkten, sowohl stimmlich, mit weichem, gefälligem Tenor, als auch darstellerisch. Er kann voll überzeugen und ist ein weiterer Pluspunkt der Aufführung. Die den Männern durchaus nicht abholde Pepita Desiree Paquerette, genannt Pipsi, wird von der Wienerin Claudia Goebl verkörpert. Mit überzeugendem, abwechslungsreichem Spiel und einem reinen, klaren, sehr beweglichem Sopran, der in allen Bereichen überzeugen kann, gestaltet sie ihre Partei genüsslich aus. Man merkt ihr richtig die Freude am Gesang und am Spiel an.

Sieglinde Feldhofer, Reinhard Alessandri

In weiteren kleinen Rollen sind Marco Fancovic, Marco Ascani, Glenn Desmendt, Dessislava Filipov, Marie Koreneva, Tsveta Ferlin und Ekaterina Polster zu sehen und zu hören. Keinerlei Ausfälle, sie fügen sich nahtlos in das Ensemble ein. Beschwingt verlässt man die Sommerarena, gerne hätte man noch ein bisschen länger den Klängen gelauscht, aber man ist hochzufrieden. Man hat nach langer Zeit wieder einmal eine stimmige Liveaufführung gesehen und gehört und kann feststellen, was einem so viele Monate richtiggehend gefehlt hat. Die Vorfreude auf die nächste Aufführung beflügelt den Weg nach Hause.

EINE NACHT IN VENEDIG

Am übernächsten Tag steht „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauss auf dem Programm. Eine meiner Lieblingsoperetten und eines kann jetzt schon gesagt werden, stimmlich gibt es keinerlei Einschränkungen. Der rein musikalische Teil der Operette ist überragend, mit ausgesuchten, passenden und hervorragenden Sängern. Auch am heutigen Tag findet die Vorstellung mit offenem Dach statt und auch heute – leider – mit einer auf 90 Minuten gekürzten Fassung. Und das ist aus meiner Sicht bei einem solchen Meisterwerk etwas problematisch, ebenso wie die dazu Corona bedingte Inszenierung. Doch davon gleich mehr. Die zugegebenermaßen etwas leicht verwirrende Handlung dieser Meisteroperette dürfte fast jedem bekannt sein, nicht jedoch in der Bearbeitung von Thomas Smolej. Er modernisiert (was bei Johann Strauss recht schwierig und eigentlich auch nicht sinnvoll ist) und verkürzt. Aus dem Herzog von Urbino macht er einen Eigentümer und Flugkapitän der Urbino Airlines. Caramello ist sein erster Offizier und so weiter. Ich frage mich nur einfach – warum? Ich verstehe diese Modernisierung nicht ganz. Auch dass man alles ein bisschen zu lustig, zu aufgedreht inszeniert hat, zwei Clowns, die durch die 90 Minuten hüpfen, aus dem berühmten Maskenball wird eine Mottoparty mit entsprechenden grellen Kostümen und lustigen Hüten. Na gut, wer es mag. Zugegebenermaßen bin ich scheinbar einer der wenigen, dem das Ganze nicht so gut geschmeckt hat, wie es gekocht wurde. Meine Mitfahrer sind alle (jedenfalls fast alle) begeistert durch das äußerst lustige Treiben, dem ich nicht ganz so viel abgewinnen kann. Eines aber muss ich ehrlichkeitshalber sagen, den Besuchern hat es ausnehmend gut gefallen, es war auch locker, sehr schnell und umfassend gekürzt und damit sehr gestrafft. In einer Bemerkung zum Stück heißt es: „Man soll nicht durch langatmige Wiederholungen gelangweilt werden“. Ich gebe gerne zu, dass ich die „Nacht in Venedig“ bestimmt schon 20 bis 30mal konventionell auf der Bühne erlebt habe, ich habe mich selten gelangweilt, wenn doch, dann lag es aber meist an den Sängern, nicht an der Inszenierung.

Beppo Binder, Roman Frankl, Thomas Malik

Die Kostüme (Alexia Redl) sind grell und bunt, stechen ins Auge, das Bühnenbild ist auf das mindeste reduziert (Monika Biegler), die Choreografie von Anna Vita passt sich dem an. Alles schnell, grell, voller Tempo und Elan. Gut, zu einer Pandemie mit all seinen Einschränkungen mag dies passen, ich liebe aber meinen Strauss halt ein bisschen anders, ein bisschen altbacken, solider und nicht durch grelles Beiwerk von der herrlichen Musik ablenkend. Und das ist der Punkt, wo es fast nichts zu beklagen gibt, die Musik ist unzerstörbar – und wenn sie stimmlich so dargeboten wird, wie an diesem Abend, gibt es keinen Grund zu klagen. Um nicht falsch verstanden zu werden, alles war schnell, toll, grell, reduziert und temporeich, aber es war halt nicht mein Johann Strauss wie ich ihn liebe. Aber das ist meine ganz persönliche Meinung, der überwiegende Teil des Publikums war begeistert und ich kann es ja auch zum Teil verstehen. Auch, weil man halt nach Liveaufführungen praktisch ausgehungert ist.

Clemens Kerschbaumer, Ivana Zdravkova

Die musikalische Leitung hat der oberösterreichische Dirigent Michael Zehetner in Händen und er macht das Beste daraus. Er leitet das Orchester mit leichter Hand, zieht aber die Zügel, wenn es sein muss, entsprechend an. Voller Feuer und Leidenschaft, wenn es erforderlich ist, aber der Stimmen wegen auch das Orchester zurücknehmend, wenn es erforderlich ist. Eine der großen Operetten von Johann Strauss auf diese Weise zu begleiten, ist aber auch sehr problematisch. Diese große wuchtige Operette eignet sich nicht unbedingt zur radikalen Verkleinerung und die Hast, die Eile, die man durch den verflixten Virus aufgepfropft bekommt, tut der ganzen musikalischen Seite nicht unbedingt gut. Aber ich will nicht beckmesserisch sein, erfreuen wir uns lieber wieder nach langen Monaten des Austrocknens an den herrlichen Melodien von Strauss.

Ivana Zdravkova, Iurie Ciobanu, Verena Barth-Jurca

Den Herzog von Urbino, Entschuldigung, den Captain Urbino, Eigentümer und Captain der Urbino Airlines, gibt der in Moldawien geborene rumänische Tenor Iurie Ciobanu. Und er ist eine Traumbesetzung. Man merkt ihm richtig an, wie sehr er in der Rolle aufgeht, wie sehr sie ihm Spaß macht und wie er mit den Melodien spielt. Mit kräftigem, durchschlagendem, glanzvollem, metallischem Tenor, den er jederzeit effektvoll einsetzt und der auch keinerlei Höhenprobleme kennt, kann er das Publikum, welches ihm reichlich applaudiert, auf seine Seite ziehen. Er gestaltet die Rolle auch mit Leidenschaft und Humor. Eine ganz ausgezeichnete Leistung. Als Copilot Caramello ist der in Wien geborene Clemens Kerschbaumer zu erleben. Mit feinem leichten, aber dennoch durchschlagskräftigem lyrischen Tenor gestaltet er seine Partie effektvoll (für die alberne Luftmatratze, mit der er das herrliche Gondellied singen muss, kann er ja nichts), ansprechend und völlig rollendeckend. Die reizende mazedonische-australische Sopranistin Ivana Zdravkova als Annina ist nicht nur lieblich anzusehen, sondern hat auch einen wunderschönen, weichen, höhensicheren, vollmundigen und angenehmen Sopran aufzubieten. Der Koch Pappacoda wird von Ricardo Frenzel Baudisch dargestellt, der nicht nur darstellerisch aus dem Vollen schöpft, sondern auch einen schönen weichen Buffotenor sein Eigen nennt, den er mit viel Eleganz und Charme rollendeckend einsetzt. „Seine“ Ciboletta wird von der hübsch anzusehenden in Sibiu in Rumänien geborenen Verena Barth-Jurca gegeben. Mit durchschlagskräftigem, stimmschönem Sopran, der in allen Facetten leuchtet und mit einer ausgesprochenen Spiellaune kann sie punkten und den berechtigten Applaus des Publikums auf sich ziehen. Die drei Senatoren von Venedig (da hat man die Modernisierung wohl nicht so ganz durchgehalten) werden von Roman Frankl als Delaqua, Thomas Malik als Barbaruccio und Beppo Binder als Testaccioo rollendeckend gegeben, wobei man sich Thomas Malik gerne wieder in einer größeren Rolle wünschen würde.

Clemens Kerschbaumer, Ivana Zdravkova, Iurie Ciobanu, Verena Barth-Jurca, Ricardo Frenzel Baudisch

Susanne Hirschler verkörpert routiniert Barbara, die Frau des Senators Delaqua, wobei man ihr den jungen Liebhaber Enrico Piselli, der von Lukas Strasser adäquat verkörpert wird, nicht so ganz abnimmt. Besonders erwähnt sei auch die aus Freiburg im Breisgau stammende Sylvia Rieser als Agricola, die Anführerin der Damen, die den Captain becircen wollen, welche vollmundig „So ängstlich sind wir nicht“ anstimmt und mit geläufigem, klangvollem Sopran den Ton angibt, ein mehr als köstlicher Auftritt. Als zwei Clowns, die durch die ganzen 90 Minuten geistern, die zwar lustig sind, aber mir erschließt sich ihre Funktion nicht so ganz, bemühen sich Jan Bezák und Natalia Bezák mit großem Beifall und guter Darstellung,

Dem Publikum hat diese kastrierte Strauss Operette sehr gut gefallen, es geizt auch nicht mit Beifall – und das Publikum hat (fast) immer recht. Ein wiederum sehr schöner Abend, vor allem mit tollen Stimmen, einem über allen Maßen spielfreudigen Ensemble, dem man die Freude wieder live da zu sein, in jeder Sekunde ansieht. So lebt die Operette weiter und wird auch in Jahren noch ihr begeistertes Publikum finden. Baden hat gezeigt, dass es sich weiter zum „Mekka der Operette“ entwickelt, nachdem sich Mörbisch ja scheinbar nun ganz dem Musical zuwendet und auch an vielen anderen Häusern die Operette zurückgedrängt wird. Wir, die Operettenliebhaber freuen uns, dass Baden so treu an ihr festhält. Die steigenden Zuschauerzahlen, wenn die Pandemie vorüber ist, werden zeigen, dass diese Entscheidung die richtige ist. Ich freue mich auf nächstes Jahr, wenn Baden wieder ruft.

Manfred Drescher 21.08.21

Bilder Christian Husar, Baden