Duisburg: „Orpheus in der Unterwelt“, Jacques Offenbach

Bunt, frivol und überdreht. So könnte die Überschrift über Barrie Koskys Inszenierung des Orpheus in der Unterwelt aus der Feder von Jacques Offenbach lauten. Entstanden für die Salzburger Festspiele 2019 feierte diese Koproduktion inzwischen auch ihre Premiere an der Komischen Oper Berlin und am Düsseldorfer Opernhaus. Am vergangenen Freitag fand nun die Übernahme-Premiere am Duisburger Theater statt, welches zu diesem Zweck recht gut besucht war. Zum Inhalt muss an dieser Stelle wohl nicht mehr viel gesagt werden, daher hierzu nur wenige Worte: Orpheus und Eurydike haben sich nach mehreren Ehejahren nicht mehr viel zu sagen, Orpheus betrügt seine Frau mit einer Nymphe und auch Eurydike hat eine Affäre neben der Ehe. Allerdings weiß sie nicht, dass der geliebte Honighändler Aristäus in Wirklichkeit Pluto ist, Herrscher der Unterwelt. Nachdem Pluto Eurydike in die Unterwelt entführt hat, freut sich Orpheus darüber seine Ehefrau endlich los zu sein. Doch da tritt die personifizierte öffentliche Meinung auf dem Plan, die ihn dazu auffordert im Olymp vor dem obersten Gott Jupiter vorzusprechen und seine Gattin zurückzufordern. Doch auch im Olymp geht es bunt daher. Auf Grund der allgemeinen Langeweile sowie um eine anstehende Revolte zu verhindern, beschließen die Götter gemeinsam in der Unterwelt nach dem Rechten zu sehen. Jupiter, selber kein Gott von Traurigkeit, verliebt sich nun ebenfalls in Eurydike. Die hat aber irgendwann genug von dem ganzen Treiben und schließt sich mit Leidenschaft dem Gott Bacchus an, um ihr neues Leben als Bacchantin in Freiheit zu genießen.

© Hans Jörg Michel

Eine große Besonderheit an der Inszenierung von Barrie Kosky ist die Rolle des John Styx, der in aller Regel erst im dritten Akt als Wächter der gefangenen Eurydike auftitt, hier aber in Form des Schauspielers Max Hopp zu einem zentralen Element der Produktion wird. In jeder Szene auf der Bühne dabei,  übernimmt Hopp sämtliche Sprechtexte aller (!) Rollen. Mit wechselnden Tonlagen und Betonungen ist dies ein großer Spaß und für den Schauspieler eine ungeheuer schwierige Aufgabe. Neben den Sprechtexten sorgt er nämlich auch für die passenden Begleitgeräusche wie knallende oder knarrende Türen, langsame oder schnelle Schritte, diverse Körpergeräusche der Darsteller und einige weitere Dinge, die sich eben auch vertont gut darstellen lassen. Max Hopp macht dies so geschickt, dass er fast zu einem Teil des Bühnenbildes wird und man sich als Zuschauer irgendwann voll auf die Darsteller konzentriert, die lediglich die Lippen für die Sprechtexte bewegen. Dies ist ganz großes Theater. Großes Theater ist auch das Bühnenbild von Rufus Didwiszus, der für das erste und dritte Bild ein ähnlich gestaltetes Schlafgemach entworfen hat, quasi als Spiegelung unserer Welt in der Hölle. Für den Olymp im zweiten Bild beschrängt er sich dagegen auf ein großes Sofa. Ein echter Hingucker ist aber der Teufel in der Unterwelt im vierten Bild, der auf einem großen Rad fährt und dabei ordentlich Funken und Rauch hinter sich lässt. Die Kostüme von Victoria Behr sind angelehnt an die Entstehungszeit der Oper, so dass der Vergleich der Götterversammlung mit der wohlhabenden Pariser Bevölkerung im Jahr 1858 wunderbar gelingt. Ganz toll sind auch die Schuhe von Pluto, die als Ziegenfuß an die Darstellung des Teufels angelehnt sind.

© Hans Jörg Michel

Da diese Produktion stark auf ein exaktes Timing setzt und hierbei wie erwähnt ein irres Tempo an den Tag legt, ist dies für die Darsteller sicherlich keine leichte Aufgabe. Trotzdem sind alle Künstler stets auf den Punkt dabei und können auch gesanglich überzeugen. Besonderen Applaus erhalten am Ende neben Max Hopp vor allem Elena Sancho Pereg als Eurydike, Florian Simson als Pluto, Susan Maclean als die öffentliche Meinung und Andrés Sulbarán als Orpheus. Die Duisburger Philharmoniker spielen unter der musikalischen Leitung von Adrien Perruchon, der diese Produktion als Gastdirigent begleitet, leicht und fröhlich auf. Dies ist sehr passend für die schwungvolle Offenbach-Partitur. Leider fehlt an der ein oder anderen Stelle mitunter noch die Feinabstimmung zwischen Orchester und Sänger, was sich aber in den Folgevorstellungen sicherlich noch bessern wird. Ein zwölfköpfiges Tanzensemble rundet den Abend ab, den man insgesamt betrachtet allen Opernfreunden durchaus ans Herz legen kann.

© Hans Jörg Michel

Gepielt wird mit einer Mischfassung aus den Jahren 1858 und 1874 eine relativ lange Version des Stückes was leider am Ende doch noch zu einem kleinen Manko führt. Bei den vielen positiven Aspekten des Abends, muss zumindest kurz erwähnt werden, dass Koskys Humor bei drei Stunden Spielzeit durchaus irgendwann ermüdend werden kann. Insbesondere dann, wenn zum wiederholten Male auf der Bühne absolute Ruhe herscht, nur um John Styx diese Stille in ähnlicher Art und Weise brechen zu lassen. Auch hinsichtlich sexueller Anspielungen sollte man als Zuschauer bei dieser Produktion nicht gerade empfindlich sein. Das anwesende Publikum zeigte sich nach rund 180 Minuten allerdings alles andere als ermüdet und spendete langen und lauten Beifall für alle Akteure. Zu erleben ist dieser Abend in Duisburg noch an mehreren Terminen im Oktober, bevor es zur Wiederaufnahme in Düsseldorf am 26. Oktober 2023 kommen wird. Nach einigen Aufführungen bis zum 7. November 2023 in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt hat auch die Komische Oper Berlin bereits Termine für die Wiederaufnahme dieser Produktion im Dezember 2023 in den Spielplan aufgenommen.

Markus Lamers, 2. Oktober 2023


Orpheus in der Unterwelt
Opéra bouffon von Jacques Offenbach

Theater Duisburg

Übernahme-Premiere: 29. September 2023

Inszenierung: Barrie Kosky
Musikalische Leitung: Adrien Perruchon
Duisburger Philharmoniker

Weitere Aufführungen: 6. Oktober / 8. Oktober / 10. Oktober / 13. Oktober / 14. Oktober / 18. Oktober und ab dem 26. Oktober wieder in Düsseldorf

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