Berlin: „Hoffmanns Erzählungen“

Dernière am 12.2.2019

Premiere 1.12.18

Beim Schlußapplaus malte Cristina Pasaroiu mit ihren Händen ein großes Herz in die Luft – als Dank an das restlos begeisterte Publikum, welches sie mit Ovationen überschüttete. Aber vielleicht auch ein wenig aus Wehmut, da diese Inszenierung am gestrigen Abend zum letzten Mal über die Bühne des Traditionshauses an der Bismarckstrasse in Berlin-Charlottenburg ging. Frau Pasaroiu interpretierte alle vier Frauenpartien dieser Oper auf einem Niveau, dass sie mit einem Schlag in die internationale Spitze katapultierte. An ihrer Seite ein Hoffmann von Weltklasse, der amerikanische Tenor Robert Watson und am Pult des Orchesters der Deutschen Oper Berlin mit Enrique Mazzola ein Dirigent von internationaler Klasse, der Offenbachs Partitur Dramatik, Emotionen und viel Leben verlieh.

Regisseur Pelly, der viel mit Licht und Schatten spielt und seiner Lesart des Stoffes damit viel Traumhaftes und Rätselhaftes verleiht, spart aber auch nicht an den dafür geeigneten Stellen der Oper, das Humoreske dieser Handlung herauszustellen. Insbesondere ist dies der Fall, als Olympia ihre berühmte Arie singt, und die Darstellerin dieser Partie, Cristina Pasaroiu, mit einer Bühnenhebevorrichtung über die Szenerie schwebt und am Ende des Les oiseaux dans la charmille kommen sogar die Bühnenarbeiter aus ihrer Deckung und schieben sie soweit es geht über den Orchestergraben in Richtung Publikum; dafür ernten Sie Extraapplaus. Das die Künstlerin dann natürlich beim letzten Spitzenton umjubelt wird – wen wunderst – war berechtigterweise zu erwarten. Aber das war nur eine der vielen Regieeinfälle, mit den Pelly das Publikum überrascht und im besten Sinne des Wortes, unterhält. Nicht zu vergessen: Licht: Joël Adam / Video: Charles Carcopino. Als ein weiteres Beispiel, diesmal mit mehr Dramatik, sei hier das Schattenspiel des Dr. Miracle zu erwähnen, der quasi mit Geisterhänden die Tür zur Kammer der todgeweihten Antonia öffnet.

Allerdings gab es in Berlin einen „Hofmann“ zu sehen, den auf diese Weise sicher nicht jeder kennt: Die Rolle der Muse ist deutlich umfangreicher als sonst üblicherweise bekannt, sie ist das zweite Ich des melancholischen Poeten Hoffmann und hat sehr viel zu singen, Giulietta wird von Hoffmann im Finale des vierten Akts erstochen, die berühmte Spiegelarie des Dapertutto wird im – durchaus reizvollen – Original und nicht in der weithin bekannten Fassung gesungen, und der zumeist gestrichene Geisterchor ist wieder dort zu hören, wo er in der Originalfassung platziert war.

Bühnenbild und Kostüme erscheinen auf den ersten Blick konventionell. Aber eben dieses Gesamterleben macht es auch aus, dass diese Berliner Inszenierung einer oft gespielten Oper dann doch etwas besonderes für Ohr und Auge war

Es wurde durchweg auf hohem Niveau, und zum Teil, auf Weltniveau, gesungen und gespielt. Und natürlich steht und fällt dieses Werk mit seinem Protagonisten Hoffmann. Eine Tenorpartie, die dem Sänger vieles abverlangt und über 3,5 Stunden als durchaus kräftezehrend anzusehen ist. Mit Robert Watson konnte Berlin mit einem Hoffmann aufwarten, der zum einen über die großen vokalen Fähigkeiten verfügt, die diese Partie auszeichnet, der aber auch auf der anderen Seite ein absolut überzeugender Darsteller des unglücklichen Poeten Hoffmanns war. Da passte jeder Ton, jeder Ausdruck. Das war eine Rolleninterpretation, die an jedem großen Haus dieser Welt zu recht bejubelt würde.

Die vier Frauenpartien wurden von der jungen rumänischen Sopranistin Cristina Pasaroiu gesungen. Und wie! Sie verlieh jeder der einzelnen Rollen ein unverwechselbares Profil, gesanglich ebenso wie darstellerisch. Während ihr die Koloraturen der Olympia fast mühelos wirkend gelangen, machte sie aus der todkranken Antonia eine dramatische Partie voller Emotionen und gesanglicher Wucht, kokettierte als Giuletta im vierten Akt lasziv und fast schon reif im Klang und konnte im letzten Bild im Duett mit Hoffmann als Stella noch einmal das Publikum hinreißen. Am Ende Ovationen und einhelliger Jubel für diese wundervolle gesangliche und darstellerische Leistung. Brava!

Alex Esposito, der aus Italien stammende Bassbariton, war ein Bösewicht so ganz nach dem Geschmack des Publikums und vermutlich auch nach dem vom Komponisten Offenbach selbst. Er spielte diese düsteren Partien mit großem Pathos und dunkler Stimme und war als Gegenspieler Hoffmanns eine absolute Traumbesetzung. Den vier Rollen der jeweiligen Dienstmänner verlieh Andrew Dickinson starkes gesangliches, als auch, und vor allem, darstellerisches Profil. Das machte einfach Spaß ihm zuzusehen!

Die Doppelrolle der Muse und des/der Nicklausse war mit Jana Kurucová, Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin, besetzt. Man spürte förmlich, dass ihr diese Partie selbst viel Freude bereitet. Sie in dieser Doppelpartie zu erleben war begeisternd. Ihre Darbietung der Violin-Arie im Antonia-Akt Vois sur l’archet frémissant ging dermaßen unter die Haut, dass insgeheim bei mir der Wunsch bestand, es würde davon ein Da capo geben. Für solche großen musikalischen Momente lieben wir die Oper.

Großen Anteil am Gesamterfolg des Abends hatte auch wieder einmal der fabelhafte Chor der Deutschen Oper Berlin, glänzend einstudiert von Jeremy Bines.

Das glänzend und mitreißend spielende Orchester der DOBwurde vom italienischen Dirigenten Enrique Mazzola durch diese melodiöse und packende Komposition des französischen Meisters geführt. Mazzola, gern gesehener Gast des Opernhauses, wurde schon vor den jeweiligen Aktanfängen vom Publikum für sein Dirigat gefeiert und war natürlich am Ende auch einer der umjubelten Stars des Abends. Les Contes d’Hoffmann zu erleben unter der musikalischen Leitung von Enrique Mazzola war schon ein ganz besonderer Opernabend!

Zusammenfassend ist zu sagen, dass diese Inszenierung das Zeug dazu hat, eine ganz besondere Visitenkarte des Opernhauses zu werden. Oder, wie nunmehr zu konstatieren ist, da es sich ja bei der gestrigen Aufführung um die Dernière der Produktion gehandelt hat, zu sein. Es aber kann gesagt werden: Hoffmanns Erzählungen an der Deutschen Oper Berlin ist jede noch so weite Anreise wert.

Bilder (c) Bettina Stöß

Detlef Obens 13.1.2019