Berlin: „The Best of Don Carlo“

1.Vorstellung am 11.6.2021

Endlich wieder Oper live

„Warum machen die das nicht immer so“, konnte man nach The Best of Don Carlo aus dem Kreis der Zuschauer in der Deutschen Oper hören, und tatsächlich war man selten so ergriffen und begeistert nach einer Aufführung der Verdi-Oper gewesen. Zwar fehlten Abschied von der d‘Aremberg, Parkszene, Autodafè und der Auftritt des Großinquisitors, und schade war es, dass das Schlussduett Carlo-Elisabetta arg beschnitten worden war, aber dafür blieb man von Regieuntaten verschont, obwohl die Carlo-Produktion noch zu den besseren der letzten Jahre gehört. Gerlinde Pelkowski, die Erfahrene, hatte sich einiger Utensilien wie des die Farbe wechselnden Kreuzes bedient, einiger Regieeinfälle wie den der Königin im Bett Filippos oder der ständig spionierenden Inquisitionsspione, und ansonsten alles so arrangiert, dass die Sänger alle Möglichkeiten hatten, sich in das beste Licht zu setzen, und in keiner Weise daran gehindert wurden, sängerisch das Bestmögliche zu bieten. Und dass dieses auf allerhöchstem Niveau war, dafür hatte das Besetzungsbüro gesorgt, auch dafür, dass zwei ehemalige Ensemblemitglieder als inzwischen international gefragte Stars an die Deutsche Oper zurückkehrten.

Als weniger geglückt muss man den Auftritt von Ulrich Matthes als Moderator ansehen, der unter Verwendung vieler Ähs zunächst von seiner Beziehung zu Schillers Don Carlos berichtete, um danach jeweils, und das nicht einmal fehlerfrei, den Inhalt der seinen Auftritten folgenden Szenen zu erzählen, statt dem Publikum zu vermitteln, was zwischen diesen gestrichen worden war.

Vor dem im Hintergrund der Bühne postierten Orchester spielte sich in annähernd historischen Kostümen das Geschehen ab, mit ein paar Bänken, einer Art Katafalk und ansonsten viel Bewegungsspielraum. Generalmusikdirektor Donald Runnicles hatte es sich, obwohl am Tag darauf auch für die Rheingoldpremiere verantwortlich, nicht nehmen lassen, das Orchester an dieser ersten Vorstellung nach vielen Monaten der Spielpause zu dirigieren.

Einmal wieder an den Ort seiner Anfänge als Sänger zurückgekehrt war Yosep Kang, optisch ein idealer Carlo und inzwischen vokal mit metallischem Tenor, beachtlichem Squillo und ebenmäßiger Stimmfarbe ein echter tenore lirico spinto, dem man schon bald auch noch dramatischere Partien zutrauen könnte. Besonders erfreulich ist auch seine bei asiatischen Sängern nicht häufig zu findende Bereitschaft zu agogikreichem Singen. Ein zweiter Rückkehrer war an diesem Abend Ante Jerkunica als Filippo mit zugleich schlankem und dabei ungemein farbigem Bass und großer vokaler wie darstellerischer Intensität. Kein sonnendurchglühtes Timbre, aber eine spürbare Identifizierung mit der Partie des Rodrigo ließen Bogdan Baciu zu einer weiteren Säule der Aufführung werden und zum Garanten dafür, dass die Szene zwischen ihm und dem König zu einem der Höhepunkte des Abends wurde.

Einen Sopran voll dunkler Glut, die auch in der Höhe nicht abhanden kam, ließ Dinara Alieva für die Elisabetta leuchten, war dazu eine äußerst anmutige Erscheinung. Flirrende Sinnlichkeit zeichnete den farbigen Mezzosopran von Judit Kutasi aus, leider verlor er in der Extremhöhe etwas an Farbe. Ihr Don fatale war einfach eine Wucht, der Canzone di Velo schien sie eher bereits entwachsen. Kurze Auftritte hatten Patrick Guetti als Gran Inquisitore, Byung Gil Kim als Monaco und Meechot Marrero als Tebaldo. Eine schöne Ausgewogenheit zwischen Solisten und Orchester war wohl nicht zuletzt der Positionierung beider auf der Bühne geschuldet, es fehlte nur noch der Chor, um das Opernglück vollkommen zu machen. Am 13.6. gibt es die Produktion nachmittags noch einmal zu erleben.

Bilder (c) Marcus Lieberenz

12.6.2021

Ingrid Wanja