Vor Beginn der Vorstellung erscheint die Operndirektorin Andrea Moses und kündigt die krankheitsbedingten Vertretungen an: Daniela Köhler singt die Senta für Camila Ribero-Souza und Tommi Hakkala den Holländer für Oleksandr Pushniak. Das Publikum zeigt Verständnis.
Die Regie: Die Ouvertüre wird von einem Video (Adrià Bieito) begleitet, in dem ein Wechsel von einer blühenden Wiese zu historischen Aufnahmen von Erdölbohrungen vollzogen wird. Dabei passt der Bildrhythmus sich der Musik an. Regisseurin Barbora Horáková lässt ihren fliegenden Holländer auf einer Bohrinsel spielen. Männer in oranger Arbeitsbekleidung wuchten ein Schlauchboot an Deck der Bohrinsel.
Die Männer des Chores zeigen sich dabei wuchtig und vital. Wasser spritzt am Boden. Bald wird das Geld entdeckt, das der Holländer freizügig verteilt und schnell sind alle vom Gast geblendet. Neben der riesigen Geldmenge wird auch ein weißes Kleid entdeckt. Der Steuermann Dalands, gespielt von Taejun Sun, erlaubt sich einige Späße damit.
Daland, verkörpert von Luciano Batinić, ist schnell dabei, seine Tochter Senta anzubieten, denn die Kiste voller Geld lockt ihn.
Die Szene im Spinnsaal verlegt Barbora Horáková in einen „Junggesellinnen-Abschied“. Die Damen des Chores reiten auf Schaukelpferden. Alle tragen T-Shirts mit „I like Oil“ und blonde Perücken. Auch die Drehbühne kommt reichlich zum Einsatz. Mary, gesungen von Marlene Gaßner, im rosigen Kostüm, erzählt die Story vom heimatlosen Holländer. Senta, an diesem Abend gesungen von Daniela Köhler, trifft auf Erik (dargestellt von Peter Sonn), der den Kampf um seine Verlobte nicht so einfach aufgeben will. Dann offeriert Daland dem vermögenden Holländer seine Tochter, die sich interessiert zeigt. Das Bohrinsel-Personal wechselt von der Arbeitskluft zum besseren Zwirn, dafür werden, wie beim Bergbau, die entsprechenden Körbe herabgelassen.
Schnell ist ein opulentes Spektakel im Gange, das nach und nach von Ledermantel-Trägern umstellt wird. Offensichtlich sind die an Reichtum durch Raub interessiert. Zwischen den Stahlträgern erscheint auch noch ein Segelboot. Die Stimmung kippt und die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Mit vielen Lichteffekten wird die Bühnen-Bohrinsel in Brand gesetzt. Jetzt ist es aus mit der lustigen Stimmung!
Der Kreis der „Bösmänner“ zieht sich zusammen. Senta kann gerade noch dem Holländer ihre Treue schwören, da wird er von Schüssen niedergestreckt und sie auch. Während dieser Szene verteilen sich Ölflammen wirkungsvoll über die ganze Bühne. Dann fällt der Vorhang.
Die Bühne (Ines Nadler und Kostüme Annemarie Bulla) ist von Stahlstreben, Neonröhren und Halbdunkel geprägt. Das verleiht den orangefarbenen Seeleuten eine starke Präsenz. Besonders stark und dynamisch wirken die Auftritte der Seeleute, rhythmisches Stampfen und Klatschen gibt ihnen eine intensive Wirksamkeit. Das dabei jede Menge Wasser spritzt, vermittelt einen starken Meereseindruck. Als Zuschauer kann man optisch die Seeluft schnuppern.
Die Sänger der Abendbesetzung haben das Publikum insgesamt begeistert.
Taejun Sun als Steuermann Dalands zeigt eine große schauspielerische und sängerische Präsenz. Auch Peter Sonn als Erik und Marlene Gaßner als Mary können stimmlich begeistern. Stark in seiner Rolle ist auch Luciano Batinić als Daland.
Auch die Hauptrollen-Vertreter Daniela Köhler als Senta und Tommi Hakkala als Holländer begeistern die Zuschauer.
Die Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Dominik Beykirch bildet ein starkes Rückgrat für diese Inszenierung. Alle dynamischen Steigerungen sind sehr gelungen und auch die Begleitung der Sänger funktioniert ausgezeichnet. Ganz herausragend präsentiert sich der Chor (Einstudierung Jens Petereit), zusammengesetzt aus dem Opernchor des DNT Weimar und dem Extrachor aus Studierenden der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar.
Fazit: Regisseurin Barbora Horáková entwickelt ihre eigene Sichtweise auf Wagners Werk und kann mit ihren kraftvoll choreografierten Massenszenen das Publikum mitreißen.
Problematischer im Verständnis wirken die Duett-Szenen Holländer und Senta, da gibt es im Hintergrund eine stille Frauenfigur, die schweigend und schattenhaft auftritt, deren Deutung aber auch schwierig bleibt. Ihre Funktion erschließt sich nicht.
Gern hätte ich Oleksandr Pushniak als Holländer gehört, aber Tommi Hakkala war ein guter Vertreter. Allerdings hat seine Stimme am Ende einen leicht belegten Eindruck gemacht. Tonsicher ist er dennoch.
Dafür und für alle anderen Akteure gibt es viel Applaus vom Weimarer Publikum im fast ausverkauften Haus.
Es lohnt sich einen der Folgetermine zu besuchen, dann hoffentlich mit einem genesenen Oleksandr Pushniak als Holländer, der mich schon bei einer Probe begeistert hat.
Thomas Janda, 11. Dezember 2023
Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)
Der fliegende Holländer
Richard Wagner
Staatstheater Weimar
7. Dezember 2023
Inszenierung: Barbora Horáková
Musikalische Leitung: Dominik Beykirch
Staatskapelle Weimar