Düsseldorf: „Der Kreidekreis“, Alexander Zemlinsky

© Sandra Then

Das Düsseldorfer Theaterpublikum kennt David Bösch hauptsächlich von seinen Arbeiten am Schauspielhaus. Dort inszenierte er zum Beispiel Orpheus steigt herab und zuletzt Robin Hood als Kinder- und Familienstück zur Adventszeit 2022. Mittlerweile ist der vielgefragte Regisseur Schauspielchef am Theater Linz. Sein Debüt am der Düsseldorfer Deutschen Oper am Rhein gibt er mit Der Kreidekreis von Alexander Zemlinsky, einer Oper, in welcher die Sänger auch schauspielerisch stark gefordert sind, weil es viele Sprechszenen gibt.

Komponist Alexander Zemlinsky greift für seine 1933 in Zürich uraufgeführte Oper auf das gleichnamige Schauspiel des Dichters Klabund zurück, das in den 1920er Jahren große Erfolge feierte: Da ihr verschuldeter Vater durch den Mandarin Ma in den Tod getrieben wurde, wird die junge Tschang-Haitang von ihrer Mutter in das Bordell des Kupplers Tong verkauft. Dort bandelt sie erst mit dem Prinzen Pao an, wird dann aber vom Mandarin Ma gekauft und dessen Zweitfrau. Durch Tschang-Haitang wird Ma aber zu einem guten Menschen und bekommt mit ihr ein Kind. Seine erste Gattin Yü-Pei wird eifersüchtig, vergiftet ihren Mann und beschuldigt Tschang-Haitang des Mordes. Über welche Umwege die Geschichte zu einem glücklichen Ende kommt, soll hier nicht verraten werden.

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In seiner Musik lässt Zemlinsky viele asiatische Vorbilder durchscheinen, verwendet für das Lokalkolorit oft pentatonische Melodien sowie Harfe, Flöte und Schlagwerk. Ungewöhnlich ist die Vertonung der Texte: Da gibt es größere Schauspielsequenzen, in denen die Sänger ohne musikalische Vorgaben des Komponisten ihre Texte sprechen. Diese steigern sich dann über rhythmisches Sprechen mit Orchesterbegleitung und ariosen Szenen zur großen leidenschaftlichen Opernszenen mit spätromantischem Klangzauber. Am Pult der Düsseldorfer Symphoniker entwickelt der Oldenburger GMD Hendrik Vestmann als Gast diese Szenen und Übergänge ganz homogen. Die Sänger werden zwar elektronisch verstärkt, was die Verständlichkeit steigert. Mit einer klaren, sauberen und sinnvollen Artikulation haben einige Akteure aber trotzdem zu kämpfen.

Regisseur David Bösch inszeniert diese Oper, die wohl die wenigsten Besucher schon einmal gesehen haben, erfreulicher Weise so, dass sie jeder versteht. Gespielt wird manchmal etwas statisch, und die Monologe der Figuren finden meist an der Rampe statt. Kostümbildner Falko Herold sorgt mit langen weißen Gewändern für chinesische Atmosphäre. Bühnenbildner Patrick Bannwart verwendet oft chinesische Schriftzeichen, bei denen man nur hoffen kann, dass sie auch das bedeuten, was die Übertitel versprechen. Das Bühnenbild mit kreisrunder schwarzer Spielfläche und kindlichen Zeichnungen als Projektionen erinnert stark an die Frankfurter Königskinder-Produktion aus dem Jahr 2012, die Bösch und Bannwart ebenfalls gemeinsam herausbrachten.

Die Düsseldorfer Oper bietet für dieses selten gespielte Stück viele erstklassige Sänger aus dem eigenen Ensemble auf. Anmutig und sensibel gestaltet Lavinia Dames die Tschan-Haitang, betont besonders die Verletzlichkeit der Figur. In den großen dramatisch-verzweifelten Ausbrüchen kommt sie aber an ihre Grenzen. Mit stattlichem Bariton verkörpert Richard Sveda ihren Bruder Tschang-Ling.

Für den zum Guten gewandelten Mandarin Ma bietet Joachim Goltz einen hellen und kräftigen Heldenbariton auf. Bei seiner eifersüchtigen Ehefrau Yü-Pei beeindruckt Sarah Feredes großer und vollströmender Mezzo. Matthias Koziorowski singt den Prinzen Pao mit kräftigem Tenor, die heldischen Aufschwünge der Rolle liegen ihm nicht so gut.

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Insgesamt bringt das Düsseldorfer Haus mit großem szenischen und musikalischen Einsatz eine überzeugende Aufführung dieses selten zu sehenden Werkes auf die Bühne. Die ganz großen mitreißenden Opernmomente. wie man sie aus Zemlinskys „Der Zwerg“, „Eine florentinische Tragödie“ oder „Traumgörge“ kennt, stellen sich hier aber wegen der vielen Sprechszenen nicht ein. Außerdem hätte man vielleicht das Stück behutsam kürzen können. Die Szene, in der die gefangene Tschang-Haitang nach Peking gebracht wird, wäre zum Beispiel verzichtbar.

Rudolf Hermes, 5. Dezember 2024


Der Kreidekreis
Alexander Zemlinsky

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf

Premiere: 1. Dezember 2024

Inszenierung: David Bösch
Musikalische Leitung: Hendrik Vestman
Düsseldorfer Symphoniker