Valle d’Itria: „Il trionfo dell’onore“

Scarlatti einmal komisch

Bei dieser „Komödie in drei Akten“ (Libretto: Francesco Antonio Tullio) handelt es sich doch glatt um die einzige komische Oper des sonst so würdevollen, gottesfürchtigen Alessandro Scarlatti. Die Musikforschung neigt zu der Ansicht, dass den Widmungsträgern, dem habsburgischen Statthalter in Neapel, Graf Daun und seiner Gemahlin, einerseits der neapolitanische Dialekt nicht geläufig war, es sich andererseits bereits erwiesen hatte, dass die als „grob und gemein“ verschrienen unterhaltsamen Stücke sich auch schon die Gunst des Adels erobert hatten. So entschied sich der zögerliche Komponist für ein Libretto in italienischer Sprache (die damals noch als „toskanisch“ bezeichnet wurde).

Die Handlung des 1718 im Teatro dei Fiorentini uraufgeführten Werks erinnert mit dem Schwerenöter Riccardo (Sopran) und seinem Kumpanen Rodimarte Bombarda (Bariton) sehr an den Mozart’schen „Don Giovanni“, denn auch Riccardo wird von zwei Damen verfolgt. Der einen, Leonora (Alt), hat er die Ehre geraubt, die andere, Doralice (Sopran), will er entführen. Zu dem Buffo Bombarda gesellen sich das Dienstmädchen Rosina (Alt), und als weitere komische Figuren der alte Flaminio (Tenor) und die alte Grundbesitzerin Cornelia (auch Tenor!). Ergänzt wird das Ensemble von Erminio (Counter), Bruder der Leonora und Liebhaber der Doralice.

Scarlatti bringt für die verführte Leonora wunderbar traurig-lyrische Momente ein, erweist sich aber auch als geschickter Buffokomponist, wovon vor allem die Figuren der Rosina und der Cornelia profitieren. Die Sekkorezitative sind dank der phantasievollen Sprache des Librettisten außerordentlich unterhaltsam. Die Ausgrabung des in neuerer Zeit nur 1938 in London und 1941 in Siena gegebenen Werks erwies sich somit als überaus interessant.

Dies ist allerdings auch dem aus Giacomo Ferraù, Libero Stelluti und Giulia Viana bestehenden Regieteam Eco di fondo zu verdanken, dem eine mitreißende Inszenierung gelungen ist. Die Handlung spielt sich in der tiefsten süditalienischen Provinz ungefähr in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts ab und wird mit den Augen eines imaginären Enkels von Riccardo erzählt. Dieser Kunstgriff ist so genial realisiert, dass man sich als Zuschauer nicht gleich zurecht findet, wenn der Knabe am Eingang an Zeichnungen für den verstorbenen Großvater werkt. Ebenso sind die Fenster der Masseria (=großes Gehöft mit Grundbesitz) vernagelt, alles weist auf ziemlich desolate Zustände hin. Ein Hoch auf die Besitzer, die das zuließen, ist ihr Besitz in Wirklichkeit doch ein Schmuckstück! Über der mit wenigen Versatzstücken versehenen Bühne (Stefano Zullo) spannen sich im Laufe des Abends lustig flatternde Wäscheleinen, und die Kostüme von Sara Marcucci charakterisieren die Figuren mit sicherer Hand. Die dazu stoßenden Mimen und Tänzer sind ausnahmsweise nicht störend, sondern lockern die Handlung mit großer szenischer Selbstverständlichkeit auf.

Diese Handlung nachzuerzählen hat nicht viel Sinn, denn nach vielerlei Schwierigkeiten löst sich, wie immer in der Barockoper, insofern alles in Wohlgefallen auf, als Riccardo im letzten Moment seinen Lebenswandel bereut und (die hier schwangere) Leonora heiratet, Doralice zu Erminio zurückkehrt und mit dem Buffopaar und den beiden Alten vier Paare traut vereint werden.

Die meisten der Mitwirkenden kamen aus der Accademia del Belcanto ‚Rodolfo Celletti‘. Riccardo gab Rachael Jane Birthisel mit angenehm sicherem Sopran und überzeugend männlicher Körpersprache. Leonora klang in der Gestalt von Erica Cortese vielversprechend. Die Doralice con Federica Livi war stimmlich überzeugend, szenisch noch etwas zurückhaltend. Als ausgezeichnete Komödianten mit großem stimmlichem Potential erwiesen sich Patrizio La Placa (Bombarda) und Suzana Nadejde (Rosina). Nicht neu auf den Brettern waren Nico Franchini, der mit seinem Charaktertenor eine zwerchfellerschütternde Cornelia interpretierte, Francesco Castoro als alter Gockel Flaminio (schade, dass er nur eine Arie hatte) sowie Raffaele Pe, dessen Counter für mich Geschmackssache ist, der aber in der Publikumsgunst ganz oben stand. Mit schöner Selbstverständlichkeit gab der kleine Arcangelo Carbotti den imaginären Enkel, der staunend das Leben seines Großvaters verfolgt.

Jacopo Raffaele, dem die Revision des Werks nach Originalquellen zu verdanken ist, dirigierte das Ensemble barocco del Festival della Valle d’Itria mit Hingabe und großem Erfolg.

Eva Pleus 16.8.18

Bilder von Cecilia Vaccari folgen

40. Festival della valle d’Itria 2014