Valle d’Itria: „La donna serpente“

Alfredo Casella (1883 – 1947)

Seit Alberto Triola 2010 die künstlerische Leitung des apulischen Festivals übernommen hat, wird neben dem Belcanto verhafteten Werken auch regelmäßig dem 20. Jahrhundert musikalischer Tribut gezollt. Nach u.a. Rota, Korngold und Krenek war diesmal Alfredo Casella an der Reihe. Dieser Komponist (Turin, 1883-Rom, 1947) ist als Schöpfer von Instrumental- und Kammermusik sowie als Kritiker und Theoretiker bekannter denn als Opernautor, gehörte er doch zur „Generazione dell‘80“, also zu den um die Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts geborenen italienischen Komponisten wie Pizzetti, Alfano oder Malipiero, die in ihrer Sturm- und Drangphase für Verdi, Puccini und die Veristen nur Verachtung aufbrachten und sich formal an Vivaldi oder Scarlatti inspirierten. Später nahm Casella dann sein hartes Urteil zurück und zeigte sich vor allem von „Otello“ und „Falstaff“ beeindruckt.

Mit Puccini hingegen hatte er gemeinsam, dass er sich als Sujet für seine erste Oper ein Märchen von Carlo Gozzi aussuchte (der bekanntlich auch Busoni und Henze inspiriert hat). LA DONNA SERPENTE (Die Schlangenfrau) war auch eine der Vorlagen für Wagners Erstling „Die Feen“ und erzählt von der Fee Miranda, die den Sterblichen Altidòr geheiratet hat und nun selbst sterblich werden will, um den geliebten Mann nicht zu überleben. Daraufhin wird sie vom Feenkönig grausamen Prüfungen unterzogen und muss u.a. ihre Kinder scheinbar töten, ohne dass Altidòr sie dafür verfluchen dürfte. Dieser verflucht sie natürlich prompt, und sie wird in eine Schlange verwandelt. Erst als Alidòr weitere Prüfungen besteht, kommt es zum Happyend.

Das Libretto stammt von Cesare Vico Ludovici und ist dramaturgisch nicht sehr geglückt. Zahlreiche, auch der commedia dell’arte entlehnte, Figuren bevölkern die Bühne in einem szenischen Ablauf, der den Zuschauer bald das Interesse an den beiden Protagonisten verlieren lässt, ohne dass man ein solches für die Nebenfiguren aufbringen kann. Die aufkommende Langeweil ist allerdings auch dem Komponisten anzulasten, der bei Orchesterwerken hörbar mehr zu Hause war, während die Stimmen nicht sehr liebevoll behandelt werden und viele technische Mühen auf sich nehmen müssen, ohne damit reüssieren zu können. Aus dem Graben lässt immer wieder Strawinsky grüßen, aus dem „Falstaff“ sind einige Takte fast notengetreu übernommen. Auffallend ist auch, dass die einzige inspirierte Szene zu Beginn des 3. Akts mit „Vaghe stelle dell’Orsa“ Italiens großen Lyriker Giacomo Leopardi zitiert.

Obgleich es dem Festival wohl ansteht, eine solche Rarität zu präsentieren, ist die Oper als solche eine Totgeburt und hat keine Chance auf einen Platz im Repertoire (obwohl sie, da es sich um eine Koproduktion handelt, in der übernächsten Saison in Turin im Teatro Regio zu sehen sein wird). Allerdings wurde sie recht festlich zu Grabe getragen, denn das Auge konnte seine Freude an der Vorstellung haben. Sehr geglückt war die im Hof des Palazzo Ducale von Dario Gessati entworfene Szenerie aus geometrischen Teilen verschiedener Größe, die wie ein Puzzle zu den verschiedensten Spielorten zusammengesetzt werden konnten, darin unterstützt von der ausgezeichneten Lichtregie (Giuseppe Calabrò) und phantasievollen, vielfarbigen Kostümen von Gianluca Falaschi. Auch der Regisseur Arturo Cirillo tat sein Bestes, um Bewegung in die Sache zu bringen, wobei ihm die Tänzer der Fattoria Vittadini in der Choreographie von Riccardo Olivier eine große Hilfe waren.

Fabio Luisi war dankenswerterweise an den Ort zurückgekehrt, wo er als junger Musiker erste Erfahrungen sammeln konnte und leitete das Orchestra Internazionale d’Italia mit merklichem Enthusiasmus, wobei ihm die Musiker konzentriert folgten. Aber auch er konnte Wasser nicht in Wein verwandeln, aber die verschiedenen stilistischen Aspekte kamen zumindest sehr deutlich heraus. Von den zahlreichen Mitwirkenden seien zumindest einige erwähnt: Angelo Villari (Altidòr, der die längere und schwierigere Rolle als die Titelheldin hat) stemmte tapfer seine ungünstig liegenden Spitzentöne, Zuzana Marková (Miranda) brillierte in der lyrischen Koloratur, plagte sich aber mit den dramatischeren Stellen. Von den vier Figuren der commedia dell’arte waren Domenico Colaianni und Pavol Kuban die lockersten. Carmine Monaco war der böse Feenkönig, der Miranda verfluchte, der als indisponiert gemeldete Davide Giangregorio Altidòrs treuer Vasall Tògrul. Den übrigen ein Pauschallob.

Eva Pleus, 06.08.2014
Foto Laera