Frankfurt, Konzert: „Tarrodi, Mozart, Sibelius“, hr-Sinfonieorchester unter Dalila Stasevska

Das Sinfoniekonzert im großen Sendesaal des Hessischen Rundfunks am 18. April 2024 war eine klangliche Reise durch verschiedene Epochen und Landschaften, angeführt von überzeugenden Künstlern. Unter der Leitung der charismatischen Dirigentin Dalia Stasevska bot das Orchester eine beeindruckende Darbietung, die die Zuhörer mit auf eine emotionale Reise nahm. Das Konzert begann mit Andrea Tarrodis „Liguria“, einer Hommage an die malerische Küstenregion Liguriens. Andrea Tarrodi, eine zeitgenössische schwedische Komponistin, wurde 1981 in Stockholm geboren. Ihre Musik ist geprägt von einer eindrucksvollen Verbindung von Natur und menschlicher Erfahrung, was auch in ihrem Werk „Liguria“ deutlich wird. Tarrodi verwebte gekonnt Elemente der Natur und der menschlichen Aktivitäten in dieser Gegend zu einem musikalischen Panorama. Von den hohen Wellen von Riomaggiore bis zu den lebhaften Szenen in Monterosso entführte Tarrodi das Publikum auf eine klangliche Entdeckungsreise durch die Schönheit Liguriens. So ist es gedacht und klingt doch ganz anders. Es gibt imposante maritime Schilderungen, wie gigantische Wellenbewegungen und lyrische Stellen, z.B. ein prominentes Solo des Englisch-Horn bei leichter Orchestergrundierung. Nach dem Süden, nach Italien klingt das alles nicht, ist aber dennoch eine wechselhafte Lautmalerei, die gut anzuhören ist. In Andrea Tarrodis „Liguria“ entfaltete das hr-Sinfonierchester unter Dalila Stasevskas Leitung ein faszinierendes Spektrum der Klänge. Die präzise Gestaltung und die einfühlsame Interpretation der emotionalen Nuancen machten dieses Werk zu einer hörenswerten Begegnung. Im Anschluss trat der talentierte japanische Pianist Mao Fujita auf die Bühne, um Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 488 zu interpretieren.

© HR/Dovile Sermokas

Mao Fujita erlangte bereits in jungen Jahren internationale Anerkennung. Geboren in Tokio, begann er im Alter von vier Jahren mit dem Klavierspiel und wurde bald darauf als außergewöhnliches Talent wahrgenommen. Fujita studierte an der renommierten Juilliard School in New York City und gewann zahlreiche Preise bei internationalen Klavierwettbewerben. Seine Interpretationen zeichnen sich durch eine einzigartige Mischung aus technischer Brillanz, hoher musikalischer Sensibilität und künstlerischem Ausdruck aus. Fujita hat ein breites Repertoire von der Barockzeit bis zur zeitgenössischen Musik und ist besonders für seine Interpretationen der Werke von Mozart und Chopin bekannt. Mozarts Klavierkonzert A-Dur KV 488 ist eines seiner bekanntesten Klavierkonzerte und wurde 1786 komponiert. Es ist ein Meisterwerk der Wiener Klassik und zeichnet sich durch seine elegante Melodik, raffinierte Harmonik und virtuose Klavierpassagen aus. Das Konzert zeigt Mozarts geniale Fähigkeit, Klavier und Orchester in perfektem Gleichgewicht zu halten. Fujitas Spiel zeugte von einem fundierten Verständnis für Mozarts Musik und einem außergewöhnlichen Maß an technischer Finesse. Sein Ansatz, nicht nur die Noten zu spielen, sondern auch Mozarts improvisatorische Natur einzubeziehen, verlieh der Aufführung eine besondere Lebendigkeit und Frische. Fujitas Spiel war von einer beeindruckenden Vielseitigkeit bestimmt. In den lebhaften Passagen des ersten Satzes entfaltete er eine faszinierende Transparenz bei perfektem Anschlag, während er in den lyrischen Passagen des zweiten Satzes mit brillanter Technik und klarer Artikulation für sich einnahm. Der dritte Satz wurde von Fujita mit lebendiger Energie und spritzigem Charme dargeboten, wobei er Mozarts verspielte Themen mit Leichtigkeit interpretierte. Das war ein technisch und vor allem interpretatorisch herausragender Vortrag am Klavier. Stasevska zeigte sich als einfühlsame Begleiterin für Fujita. Ihr sensibles Zusammenspiel mit dem Solisten ermöglichte es, Mozarts musikalische Genialität in all ihrer Pracht zu entfalten. Das Orchester unterstützte Fujitas großartige Interpretation mit einer exquisiten Balance und einem harmonischen Zusammenspiel, das die zeitlose Schönheit von Mozarts Musik fein zum Ausdruck brachte. Das Publikum war begeistert und erhielt als Zugabe den ersten Satz aus Mozarts C-Dur-Klaviersonate Nr. 16. Das Konzert erreichte seinen Höhepunkt mit Jean Sibelius‘ reizvoller fünfter Sinfonie.

Dalia Stasevska, die besondere Dirigentin des Abends, wurde in der Ukraine geboren und zog im Alter von fünf Jahren mit ihrer Familie nach Finnland. Ihre Eltern, ein ukrainischer Vater und eine finnische Mutter, sind beide bildende Künstler. Die Familie lebte zunächst in Helsinki und zog dann nach Tampere in Südwest-Finnland. Stasevska zeigte früh musikalisches Talent und begann ihre Ausbildung am Konservatorium von Tampere, wo sie Violine und Komposition studierte. Später setzte sie ihr Studium an der renommierten Sibelius-Akademie in Helsinki fort, wo sie sich auf Violine und Viola spezialisierte. Nach ihrem Abschluss an der Sibelius-Akademie setzte sie ihre Dirigierstudien fort, zunächst an der Königlich-Schwedischen Musikakademie, unter anderem bei Jorma Panula, und dann bei Leif Segerstam an der Sibelius-Akademie, wo sie ihre Ausbildung 2012 mit Auszeichnung abschloss. Stasevska erlangte internationale Anerkennung durch ihre Arbeit als Dirigentin und künstlerische Leiterin verschiedener Musikfestivals und Orchester. Im Mai 2020 wurde Dalia Stasevska zur Chefdirigentin der Sinfonia Lahti ernannt, wodurch sie die erste Frau in dieser Position wurde. Sie ist bekannt für ihre dynamischen Interpretationen und ihr Engagement für zeitgenössische Musik. Eine interessante Facette von Stasevskas Leben ist ihre Ehe mit Lauri Porra, einem finnischen Musiker und Komponisten, der als Bassist von Stratovarius bekannt ist und zugleich der Urenkel von Jean Sibelius ist, dessen fünfte Sinfonie sie an diesem Abend dirigierte. Unter der hoch energetischen Leitung von Dalia Stasevska entfalteten sich die vielschichtigen Klangebenen und emotionalen Nuancen dieses sinfonischen Meisterwerks in voller Pracht. Stasevskas Interpretation war von größter Sensibilität und dynamischer Spannung geprägt, die die tiefe emotionale Resonanz von Sibelius‘ Musik perfekt einfing. Atemberaubend modulierte sie mit dem fabelhaften Orchester die horrend schwere Coda am Ende des ersten Satzes. Sibelius wurde von einer besonderen Begebenheit für dieses Werk inspiriert: Eines Morgens sah er eine Gruppe wilder Schwäne fliegen, was ihn so beeindruckte, dass er dieses Ereignis in seiner fünften Sinfonie verarbeitete. Im dritten Satz intonieren die Hörner ein edles, faszinierendes Thema, die fliegenden Schwäne. Besonders beeindruckend war daher der finale Satz, der mit seiner kraftvollen und triumphalen Energie einen starken Eindruck hinterließ. Das herrliche Es-Dur-Thema der aufziehenden Schwäne geriet besonders eindrücklich, was vor allem dem herrlichen Spiel der famosen Horn-Gruppe des Orchesters zu verdanken war.

Diese Sinfonie ist bekannt für ihre vielschichtigen Klänge und dramatischen Spannungen, und das Orchester hat diese Komplexität mit beeindruckender Präzision und Leidenschaft dargestellt. Die edlen Blechbläser des Orchesters brachten eine kraftvolle und majestätische Präsenz in die Aufführung, die die klangliche Landschaft der Sinfonie nobel bereicherte. Ihre strahlenden Fanfaren und heroischen Melodien trugen zur epischen Atmosphäre bei, die das Werk durchzieht. Die sensiblen Holzbläser des Orchesters verliehen der Aufführung eine lyrische und introspektive Dimension. Ihre sanften Phrasierungen und warmen Klänge trugen zur emotionalen Tiefe der Musik bei und verliehen den ruhigeren Passagen eine subtile, aber dennoch kraftvolle Ausdruckskraft. Die sonoren Streicher des Orchesters sorgten für einen reichen und nuancierten Klangteppich, der die melodischen Linien der Sinfonie unterstützte und die harmonischen Strukturen präzise ausarbeitete. Fein modulierte Tremoli auf der eine Seite und eine außergewöhnliche Transparenz in den polyphonen Abschnitten charakterisierten den Vortrag. Ihre vereinte Stärke und ihr feinfühliges Zusammenspiel trugen maßgeblich dazu bei, die emotionale Intensität und die lyrische Schönheit von Sibelius‘ Musik zum Ausdruck zu bringen. Die selbstbewusste Pauke des Orchesters verlieh der Aufführung eine zusätzliche dramatische Dimension. Ihr kraftvolles Spiel und ihre präzisen Einsätze verliehen den rhythmischen Elementen der Sinfonie eine energiegeladene und unwiderstehliche Wirkung. Unter Stasevskas befeuernder Leitung erweckte das Orchester die majestätischen Klänge und dramatischen Spannungen dieses sinfonischen Meisterwerks zum Leben. Ihre energiegeladene Interpretation und ihr einfühlsames Dirigieren führten zu einer mitreißenden Aufführung, die das Publikum hinriss.

Das hr-Sinfonieorchester musizierte sehr motiviert und zeigte sich von seiner besten Seite. Der ungewöhnliche Schluss des Werks, bestehend aus mehreren Akkorden des gesamten Orchesters mit langen Pausen dazwischen, bleibt ein Rätsel. Eine mögliche Interpretation ist, dass Sibelius Raum für die Zuhörer schaffen wollte, damit sie in ihren Gedanken das intensive Schwäne-Thema in ihrer Fantasie weiter singen und die Pausen damit füllen können. Wer weiß…. Eines demonstrierte dieser Abend wie ein Ausrufezeichen: Besser kann diese Sinfonie nicht dargeboten werden, wie es das jubelnde Publikum und das beflügelte Orchester zeigte. Dalila Stasevska ist bereits jetzt eine Meisterin ihres Metiers, was sich bereits auch in ihrem eindrucksvollen internationalen Karriereverlauf zeigt. Der Hessische Rundfunk sollte nicht lange überlegen und sich diese besondere Dirigentin für weitere Konzerte sichern.

Dirk Schauß, 20. April 2024


Andrea Tarrodi: Liguria
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert A-Dur KV 488
Jean Sibelius: 5. Sinfonie

Konzert im hr-Sendesaal, Frankfurt
18. April 2024

Mao Fujita, Klavier
Dalila Stasevska, Leitung
hr-Sinfonieorchester