München: „Liliom von Johanna Doderer“

Vorstellung: 6. 11. 2016

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Mit einer interessanten Uraufführung wartete vor wenigen Tagen das Münchner Gärtnerplatztheater in seiner Ausweichspielstätte Reithalle auf: „Liliom“ von Johanna Doderernach dem gleichnamigen Bühnenstück von Ferenc Molnár (Übersetzung: Alfred Polgar). Das Libretto zur Oper verfasste Josef E. Köpplinger, der Direktor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, der auch Regie führte.

Die Handlung in Kurzfassung: Ausrufer Liliom ist die Attraktion am Karussell von Frau Muskat. Er ist jung und gutaussehend, jedoch auch grob, ungestüm und polizeibekannt – doch genau das liebt die weibliche Kundschaft an ihm. Auch das junge Dienstmädchen Julie ist von dem Vorstadthallodri angezogen – wie er von ihr. Sosehr sogar, dass er dafür den Verlust seiner wie ihrer Stellung provoziert. Fortan lässt sich Liliom von Julies Tante aushalten, schlägt und schwängert das Mädchen. Von einem falschen Freund zu einem Raubmord überredet, der schief geht, stiehlt sich Liliom durch Selbstmord aus der Verantwortung und landet vor der himmlischen Gerichtsbarkeit. Dort erhält der Reuelose eine letzte Chance, etwas Gutes zu tun.

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Angelika Kirchschlager als Frau Muskat und Daniel Prohaska in der Titelrolle (Foto: Thomas Dashuber)

Im reichhaltig illustrierten Programmheft ist ein Artikel von Ferenc Molnár über sein Stück abgedruckt, der äußerst aufschlussreich ist. Daraus ein paar Sätze: „Mein Ziel war es, eine Pester Vorortsgeschichte so primitiv, so naiv auf die Bühne zu bringen, wie sie alte Frauen in der äußeren Josefstadt zu erzählen pflegen. Was hier an symbolischen Gestalten, überirdischen Figuren vorkommt, dahinter wollte ich nicht mehr an Bedeutung verstecken, als ihnen ein bescheidener Strolch gibt, wenn er an sie denkt. – Deshalb ist der himmlische Richter in Liliom ein Polizeiprotokollführer, deshalb erwecken den verstorbenen Schaukelgesellen nicht Engel, sondern die Detektive Gottes zu neuem Leben, deshalb habe ich mich nicht darum gekümmert, ob dieses Stück ein Traumspiel, ein Märchenspiel, ein Feenspiel ist, deshalb beließ ich es in der Ungehobeltheit und einfachen Stetigkeit, die für das heutige, naive Märchen charakteristisch ist, wo man sich sicher keine großen Sorgen darüber macht, warum der Tote auf einmal zu sprechen beginnt.“

Das Ungehobelte der Titelfigur des Stücks arbeitete Josef E. Köpplinger in seiner Inszenierung in der Reithalle recht gut heraus, auch bot die Ersatzspielstätte für ein „Vorstadtdrama“ mit Ringelspiel viele Möglichkeiten, die allerdings nur zum Teil genützt wurden. Ob das Gärtnerplatztheater, in dem „Liliom“ ursprünglich aufgeführt werden sollte, noch in der heurigen Spielzeit bespielbar wird, steht wohl in der Sternen…

Die karge, aber praktikable Bühnenausstattung schuf Rainer Sinell, die teils bunten Kostüme (für die Damen), teils farblosen (für die Herren) entwarf Alfred Mayerhofer. Für die kreativen Lichteffekte sorgte neben dem Regisseur auch Michael Heidinger, für die Videosequenzen waren Meike Ebert und Raphael Kurig zuständig.

Das gesamte Sängerensemble bot vor allem schauspielerisch eindrucksvolle Leistungen, gesanglich zeigte sich wieder das Phänomen, dass die Sängerinnen und Sänger mit Wangenmikrophonen ins Schreien verfallen. Hat die Reithalle tatsächlich eine so schlechte Akustik, dass nur mit Mikroports gesungen werden kann? Obwohl das Orchester hinter der Bühne spielt? Schade, sehr schade…

Der österreichische Tenor Daniel Prohaska schien sich in der Rolle des Liliom wohlzufühlen und bewies auch in den brutalen Szenen sein darstellerisches Können. Ihm in fast allen Szenen ebenbürtig war die stimmlich oft mit schrillen, hohen Tönen geforderte junge französische Sopranistin Camille Schnoor sowohl als Dienstmädchen wie später als Mutter von Luise, die von der weißrussischen Sopranistin Katerina Fridland etwas einfältig dargestellt wurde. Mit ihrer starken Bühnenpräsenz spielte die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager exzellent die Rolle der eifersüchtigen Frau Muskat. Den schmierigen Gauner Ficsur gab überzeugend der kroatische Bariton Matija Meić, Julies Freundin Marie die deutsche Sopranistin Cornelia Zink.

In den vielen Nebenrollen des Stücks zeigte das große Ensemble des Gärtnerplatztheaters sein Können, wie der österreichische Bariton Christoph Filler als Dr. Reich, der deutsche Bass Holger Ohlmann in mehreren kleineren Rollen, der spanische Tenor Juan Carlos Falcón als Linzmann, der deutsche Bass Martin Hausberg als alter Schutzmann und der österreichische Bass Christoph Seidlals Arzt.

Sehr spielfreudig und stimmkräftig agierten der Chor (Einstudierung: Felix Meybier) und der Kinderchor (Einstudierung: Verena Sarré) des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Dass das Orchester unter der Leitung des österreichischen Dirigenten Michael Brandstätter unsichtbar im Hintergrund der Reithalle spielte, mag von vielen Besuchern als Nachteil empfunden worden sein, doch brachten die Musiker die zur Handlung der Oper illustrativ wirkende Partitur der Komponistin dennoch gut zur Geltung. Dazu ein Zitat von Johanna Doderer aus dem Programmheft: „Es ist mir wichtig, mit meiner Musik emotional zu berühren, den Hörer abzuholen und zu packen. Meine Kompositionen sollen unmittelbar wirken, ohne dass man sich intellektuell darauf vorbereiten muss. Ich glaube, Musik hat die Kraft, dort anzufangen, wo die Sprache aufhört.“

Bildergebnis für gärtnerplatztheater liliom

Szenenfoto mit dem Chor in der Reithalle (Foto: Thomas Dashuber)

Das Publikum belohnte am Schluss der Vorstellung alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall und Daniel Prohaska sowie Camille Schnoor und Angelika Kirchschlager mit vielen Bravorufen. Man darf gespannt sein, welche Opernhäuser das Werk in naher Zukunft auf die Bühne bringen werden. Meines Erachtens sollte die Wiener Volksoper „Liliom“ schon bald aufführen, doch müsste auch Budapest an der Vertonung von Ferenc Molnárs Werk größtes Interesse haben. Wie gesagt, man darf gespannt sein…

Udo Pacolt 9.11.16

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