Gelsenkirchen: „Die Sternstunde des Josef Bieder“

Besuchte Aufführung: 15.09.2018

Ein Solo für Joachim G. Maaß

Unter dem Titel „Solo für Maaß“ kündigte das Musiktheater im Revier zu Beginn der vergangenen Spielzeit einen Soloabend des langjährigen Ensemble-Mitgliedes an, der im Laufe der Spielzeit zu dem Theaterstück „Die Sternstunde des Josef Bieder“ von Eberhard Streul wurde. In dieser Spielzeit wird diese Liebeserklärung an das Theater erneut für einige Termine in den Spielplan des Kleinen Hauses in Gelsenkirchen aufgenommen. Worum geht es: Eigentlich ist heute ein spielfreier Tag, doch der diensthabende Requisiteur Josef Bieder steht plötzlich auf Grund einer Panne in der Planung vor einem gut gefüllten Saal, obwohl er lediglich die morgige Vorstellung vorbereiten wollte.

Da die Disponentin telefonisch wegen Besetzzeichen „wie eigentlich immer“ nicht erreichbar ist, muss Bieder improvisieren, denn das Publikum soll natürlich unterhalten werden. Und nach Hause schicken darf er es nicht. Wie er glaubhaft versichert, „darf er hier nämlich gar nichts entscheiden.“ So macht er erstmal mit seiner Arbeit weiter und stellt dabei ganz beiläufig seine Rolle als Requisiteur vor. Immer mehr gerät Bieder in Erzählstimmung und führt die Zuschauer so hinter die Kulissen des Hauses. Aus dem Nähkästchen plaudernd verrät er, was hinter den Kulissen an kuriosen Dingen so alles passieren kann und lüftet das ein oder andere Geheimnis vom „Schattendirigenten“ oder der strikten Abteilungstrennung im Hause. Wer zum Beispiel für das auswechseln einer Glühbirne verantwortlich sein kann, hängt ganz davon ab wie genau die Lampe in der Oper eingesetzt wird, so dass es hier durchaus zu kuriosen Überschneidungen in der Zuständigkeit kommen kann, die dann der technische Direktor oder gar der Intendant klären muss, zumindest dann „wenn er sich denn traut“. Und da Josef Bieder ja eigentlich Sänger werden wollte, wird auch der musikalische Part unterhaltsam abgedeckt. Josef Bieder erlebt an diesem Tage ungeplant seine „Sternstunde“.

Und auch der Zuschauer kann sich auf ein kleines Juwel freuen, denn Joachim G. Maaß zeigt einmal mehr, welch ein schauspielerisches Talent in ihm liegt. In rund 90 Minuten steht er pausenlos auf der Bühne und füllt diese mit einer derart leicht erscheinenden komödiantischen Art und viel Leidenschaft für Schauspiel und Theater, dass es ganz hohe Kunst ist. Insbesondere in der Szene wo es um die finanzielle Ausstattung des Kulturbetriebes geht, stellt er genau die richtigen Fragen. Gesanglich zeigt Bieder mit Unterstützung seines alten CD-Players, dass er durchaus auch in der Lage wäre, Rollen von Bizet (Escamillo aus Carmen) bis Wagner (Hans Sachs aus den Meistersingern von Nürnberg) perfekt zu verkörpern. Aber auch Frank Sinatras „I did it my way“ beherrscht er im Gegensatz zu den „wirklichen Darstellern“, wie der Requisiteuer selbstsicher behauptet. Alles in allem ist „Die Sternstunde des Josef Bieder“ eine echte Liebeserklärung an das Theater bei der man als Opern- und Theaterfreund voll auf seine Kosten kommt. Highlight des Abends ist vielleicht der Moment, wo in aller Ausführlichkeit die verschiedenen Arten des Verbeugens beim Schlussapplaus genüsslich und anschaulich dargeboten werden.

Die Regisseurin Barbara Hauck lässt dem Darsteller den notwendigen Raum einfach mal die Rolle des theaterbesessenen Requisiteurs auszuleben, der es auch privat nicht einfach hat, wenn er z. B. seine verständnislose Freundin zu einem Spaziergang überredet, weil wieder Sperrmülltag ist und er so wunderbar auf die Suche nach seltenen Requisiten gehen kann. Das Bühnen- und Kostümbild von Christiane Rolland ist ebenso schlicht wie treffend und an diesem Abend nur das Beiwerk für eine absolut sehenswerte Sternstunde des Joachim G. Maaß. Den drei noch folgenden Terminen am 30. September sowie am 13. und 26. Oktober 2018 sind auf jeden Fall ein paar mehr Zuschauer zu wünschen als bei der gestrigen Wiederaufnahme. Das anwesende Publikum zeigte sich jedoch ausnahmslos gut unterhalten und spendete einen langen Applaus.

Markus Lamers, 16.09.2018
Bilder: © Pedro Malinowski