Gelsenkirchen: „The Black Rider: The Casting of the Magic Bullets“

Premiere: 19.09.2020

Es gibt sie, jene Stücke, zu denen man einfach keinen richtigen Bezug findet, egal wie sehr man sich auch bemüht. Bei mir ist „The Black Rider“ ein solches Werk. Woran dies genau liegt, vermag ich nicht mal genau zu sagen. Die Musik ist abwechslungsreich und bietet wunderschöne Songs. Die Handlung, die (ebenso wie Carl Maria von Webers bekannte Oper) auf der Volkssage des Freischütz basiert, ist in diesem Fall zwar abstrakt aber nachvollziehbar. Und dennoch ist da etwas, was den Funken einfach nicht entzünden will. Vielleicht ist es die laut Programmheft „ironisch gebrochene Betrachtungsweise des urdeutschen Freischütz-Mythos durch die amerikanische Brille, mit der uns das Trio Burroughs/Wison/Waits da konfrontiert“? Möglich. Das Buch von William S. Burroughs und die Musik von Tom Waits entwickeln auf jeden Fall eine sehr eigene Dynamik, die Robert Wilson als Regisseur und Stage Designer im März 1990 am Hamburger Thalia Theater zur Uraufführung brachte. Ursprünglich gedacht als Antwort auf das kommerziell geprägte Musical welches sich Anfang der 90er-Jahre auch in Deutschland gerade etabliert hatte, entstand ein Werk welches ironischer Weise noch heute immer wieder auf den Spielplänen der Theater im ganzen Land auftaucht, auch am Theater Bielefeld feierte das Werk erst vor wenigen Tagen seine Premiere.

Kurz zur Handlung: Der brave Schreiber Wilhelm und die Försterstochter Käthchen möchten heiraten, doch der Vater der Braut akzeptiert nur einen Jäger als Schwiegersohn. So will es die Tradition, da hilft es auch nicht, dass Käthchens Mutter ihn daran erinnert, dass vor allem die emotionale Basis für eine Ehe wichtig ist. Leider ist Wilhelm aber ein unsäglich schlechter Schütze, der einen Hirsch nicht einmal trifft, wenn dieser direkt vor ihm steht. Da taucht der mysteriöse Pegleg auf, der Wilhelm einige Kugeln anbietet mit denen jedes Ziel getroffen wird. Alles scheint gut, doch Wilhelm entwickelt eine immer stärkere Abhängigkeit von den Kugeln und die Jagd wird zur Sucht für ihn. Als ihm die Kugeln ausgehen und ihn das Jagdglück entsprechend wieder verlässt, schließt er einen Pakt mit dem Teufel. Er bekommt weitere Kugeln, aber die letzte Kugel darf der Teufel höchstpersönlich lenken. Mit dieser erschießt Wilhelm sein Käthchen und verfällt selber dem Wahnsinn. Der Teufel hat das Spiel am Ende gewonnen.

Wie erwähnt bietet das Musical einige wunderbare Nummer, wie „Come on along with the Black Rider“ welches schnell im Ohr hängenbleibt oder die wunderschöne Ballade „The Briar and the Rose“ welche in Gelsenkirchen von Sebastian Schiller als Wilhelm und Annika Firley als Käthchen ganz wunderbar dargeboten wird. Immer wieder fährt Joachim G. Maaß mit dem Fahrrad über die Bühne und lässt warnende aber nicht immer nachvollziehbare Worte erklingen. Ansonsten setzt die Inszenierung von Astrid Griesbach stark auf das Puppentheater, welchem am Musiktheater am Revier seit einiger Zeit große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Teufel wird durch einen Holzkopf mit großen Hörnern und leuchtend roten Augen dargestellt. Bei den Eltern von Käthchen setzt man dagegen auf den echten Kopf der Puppenspieler, der in einen Puppenkörper mit kurzen Armen und Beinen übergeht und von den Darstellern daher meist kniend gespielt werden muss. Dies funktioniert ganz hervorragend und das „Devil Team“ bestehend aus Daniel Jeroma, Merten Schroedter, Gloria Iberl-Thieme, Seth Tietze und Marharyta Pshenitsyna leisten hier ganze Arbeit, was immer wieder zu sehr komischen und unterhaltsamen Szenen führt. Auch die Ansiedlung der Handlung auf einem Jahrmarkt kann gefallen, klingen einige Lieder ja in der Tat nach einer Art Jahrmarktsmusik. Heribert Feckler leitet die Mitglieder der Neuen Philharmonie Westfalen gewohnt souverän durch die rund 120 Minuten, die mit einer Pause nach rund 55 Minuten aufgeführt werden. Immer wieder werden skurrile und groteske Ideen eingestreut, beispielhaft genannt seien hier massenhaft herabfallende Plüschtiere, die wie Preise in der Schießbude von Wilhelm geschossen wurden. Alles in allem ist „The Black Rider“ in Gelsenkirchen nicht zuletzt wegen der interessanten Regie, der Leistung der Darsteller und Musiker sowie der Puppen und Kostüme von Atif Mohammed Nor Hussein dann doch ein ganz unterhaltsamer Abend, der es aber leider auch nicht schafft mich komplett mit dem Werk an sich zu versöhnen. Das Premierenpublikum spendete langanhaltenden Applaus für alle Beteiligten.