Bad Ischl: „Die Fledermaus“

Besuchte Vorstellung am 12.08.16
Premiere am 16.07.16

Der Reiz der Wiederholung

Es ist ein besonderes Jahr des Lehàr-Festivals in Bad Ischl, denn Michael Lackner der langjährige Intendant wechselt in selbiger Position nach Baden bei Wien, hat nunmehr seine letzte alleinige Spielzeit zu beenden, zwar ist die Planung für die nächste Saison noch und schon ganz von ihm abgeschlossen, doch steht der neue, designierte Intendant schon in Startposition und beide werden für den Sommer 2017 eine reibungslose Übergabe machen, so wie man sich einen sinnvollen Wechsel an vielen Theatern auch wünschen würde. Dieses Jahr kommt es auch zur ersten Titelwiederholung unter der Lacknerschen Intendanz, was für den kreativen Abwechslungreichtum spricht: es ist, man möchte fast sagen „natürlich“ Johann Strauß` “ ,Die Fledermaus“ dadurchbedingt das Werk, für das der Operettenfreund ein Reise machen würde, doch das weitere Programm mit Leo Falls viel zu selten gespielter „Die Rose von Stambul“ und gar der ersten Wiederaufführung von Franz Lehàrs „Die Juxheirat“ nach ihrer Uraufführung lohnen, also nimmt man das vielgesehene mit denn: die Aufführungen in Bad Ischl machen eigentlich immer Spaß, ob Allbekanntes oder Rarität, so wird man auch diesmal nicht enttäuscht.
Michaela Ronzoni und Volker Wahl haben schon mehrmals erfolgreich Operetten gemeinsam inszeniert , in Ischl hat man ihnen zum ersten Mal Regie und Textfassung anvertraut. Man möchte natürlich auch nicht immer die gleiche Chose sehen, so hat man sich eine Verschiebung der Handlung in die Depressionsjahre um 1925 entschlossen, was bei der Beziehung des Werkes zum „Schwarzen Freitag“ durchaus nicht verkehrt ist. Nach einer inszenierten Vorgeschichte zur Ouvertüre, was ich bei der Qualität der Musik fast störend empfinde, doch bei einem Teil des Publikums gut ankommt und anscheinend sogar erhellend wirkt, werden im Hause Eisenstein gleich ein paar Möbel gepfändet und „Kuckucke“ geklebt, die Fallhöhe der gutsutuierten Bourgeausie fehlt dadurch, aber das Stück funktioniert . Außerdem hindern die schlichten Bühnenbilder nicht am Spaß, Stefanie Stuhldreiers Ausstattung ist mehr als zweckmäßig und wird dem Ischler Prinzip nicht die durch das liebe Geld gezwungene Haushaltung zu überschreiten , mehr als gerecht. Dies Prinzip besagt, das die Gelungenheit der Aufführung durch die Lebendigkeit der Darstellung und die Qualität des Musikalischen bewahrt wird. Und so trifft es auch diesen Fall. Weiter geht es zu dem reichen, zwielichtigen Schieber Orlofsky, der noch von seinen Auslanddevisen profitiert, hier wird gespielt und gekokst und Hand an das andere, wie das eigene Geschlecht gelegt, die Wilden Zwanziger mitsamt der Skandaltänzerin Anita Berber sind los. Der Knast ist dann der Knast, das hat sich in den Jahren nicht geändert, einer der großen Coups der Inszenierung ist die Besetzung des Frosch mit Oliver Baier, der aus dem österreichischem Fernsehen bekannt ist, sein Gefängnisdiener Frosch ist formidabel, die selbstentworfenen Zusatztexte nehmen mit Biss Bezug auf die österreichischen Befindlichkeiten, ohne jemandem direkt auf die Füße zu treten, das ist klug, so bleibt eine schwebende Mehrdeutigkeit erhalten, aus der jeder etwas für sich ziehen kann.
Die Aufführung hat Schmiss und Feuer, macht einfach Freude. ist anders, ohne das Werk zu zerstören, was natürlich auch an der, wie stets, ausgesuchten Besetzung liegt. Regina Riel kann durchaus als die neue Ischler Operettendiva bezeichnet werden, ihre Rosalinde besitzt saftigen Wiener Schmäh, die Stimme gefällt besonders in der fruchtigen Mittellage, vor allem weiß sie Pointen zu setzen, zwischen naiv und maliziös zu gurren und sich sexy in Positur zu bringen. Matjaz Stopinsek ist als Eisenstein an ihrer Seite ein wundervoll von seinen Lüsten getriebener Strizzi, musikalisch läßt er keinen Wunsch offen. Tobias Greenhalgh mit virilem Bariton zieht als Dr. Falke die Fäden der Intrige und lässt „die Puppen tanzen“. Grandios die Adele von Alice Waginger mit echtem Ottakringer Schmäh zwischen trutschig und lebensklug entsteht ein ganz eigenes Rollenportait, eine Prachtsoubrette, genauso wie Beate Kortner als ihre Schwester Ida, die berechtigterweise auch eine Strophe des Champagner-Couplets bekommt. Rok Krajnc, der sonst im Chor engagiert ist, nutzt seine Chance für Jevgenij Taruntsov und gibt einen liebenswert tapsigen Tenor Alfred, der mit sportlicher Figur Rosalinde sehr nahe kommt. Rita Peterl als Orlofsky fühlt sich in den tieferen Lagen der Partie wohler als in der Höhe, spielt sehr souverän und gar nicht fürstlich den halbseidenen Jüngling. Was Josef Forstners Gefängnisdirektor Frank stimmlich nicht ganz bringt, gleicht er durch Präsenz und Sympathie vollends wieder aus. Florian Resetarits Dr. Blind wirkt an diesem Abend vokal etwas angeschlagen. Der hervorragende Chor übernimmt Kleinpartien, wie Statistenaufgaben zu dem üblichen Chorhandwerk mit einer Spielfreude, das es einfach nur eine Pracht ist.
Ebenso das Franz-Lehàr-Orchester unter der Leitung von Antonina Kalechyts, die an diesem Abend das Dirigat für Laszlo Gyüker übernommen hatte, eine Leistung die man in ihrem reibungslosen Ablauf und ihrer musikalischen Beschwingtheit unbedingt würdigen muß, denn gerade bei Operette ist das „Timing“ für Dirigenten eine äußerst heikle Geschichte, da muß man mit den Sängern die szenischen und musikalischen Pointen setzen, darf nicht zu früh und nicht zu spät in den Dialog preschen. Eine blendende Visitenkarte am Pult. Insgesamt eine sehr kurzweilige „Fledermaus“ auf ganz hohem Niveau.
Martin Freitag 3.9.16