Bad Ischl: „Die Rose von Stambul“

Zum Zweiten

Besuchte Aufführung am 11.08.16

(Premiere am 23.07.16)

Erfüllte Erwartungen

Es gibt Werke im Leben eines Opern-oder Operettenfreundes, auf die er lange warten muß, um sie endlich einmal erleben zu dürfen, so in meinem Falle Leo Falls „Die Rose von Stambul“. Ein Titel, der eigentlich immer noch bekannt ist, doch in Deutschland ist der Titel szenisch jahrzehntelang nicht aufgetaucht, doch auch im Operettenland Österreich kaum zu finden, und wenn hatte es nie terminlich gepasst, um so erfreulicher das Stück endlich in Bad Ischl erleben zu dürfen. Leo Fall ist überhaupt ein besonderer, ja eben , „Fall“. Als jüdischer Komponist im Nationalsozialismus verboten, gab es nach dem zweiten Weltkrieg eine kleine Renaissance , freilich mit den damals üblichen Bearbeitungen, respektive Veunstaltungen, die gerade das ganze Operettenrepertoire betrafen. Als Komponist war er vielleicht nie so „modern“ wie seine Schicksalsgenossen Kalman oder Abraham, die wesentlich mehr mit der aktuellen Tanzmusik und jazzigen Anklängen arbeiteten, sondern hielt sich mehr an die Tänze der „guten, alten Zeit“, denen er allerdings durch harmonische Rückungen und musikalische Inspiration mehr abgewinnen konnte, als viele seiner Kollegen. Zumal kann man ihn als Meister einer subtilen Erotik bezeichnen, die stets auf recht feine Art, doch nie ordinär daherkommt. Das alles findet sich eben auch in der „Rose von Stambul“ wieder, die mit feinen orientalischen Melismen arbeitet, im ersten Akt teilweise auch auf sehr opernhafte Art daherkommt; vor allem mit einem Ohrwurm nach dem anderen aufwartet, die mich wirklich lange verfolgt haben, selbst wenn ich jetzt anfange zu summen, werde ich sie schwer wieder los.

Die Handlung mutet gerade in heutigen politischen Diskussionen überraschend aktuell an, ohne dabei das Wesen des Unterhaltungstheaters zu verlassen: Kondja Gül wurde als einziges Kind des türkischen Politikers Kamek Pascha in Istanbul relativ frei erzogen, doch soll sie jetzt nach altem Brauch verschleiert und ohne ihren Bräutigam gesehen zu haben, verheiratet werden. Allerdings hat sie sich platonischerweise in den Dichter Andrè Lery verliebt und bereits mit ihm geschrieben. Hinter diesem dichterischem Pseudonym steht freilich kein anderer, als der unbekannte Bräutigam Achmed Bey, der wiederum, weil er um seiner selbst willen geliebt werden will, eine Enthüllung ausspart. Nach der Hochzeit verläßt Kondja ihn, um dem Ruf ihres Herzens zu folgen. Als Nebenhandlung gibt es noch ein glückliches Buffopaar; ihre Freundin Midili Hanum und den Hamburger Industriellensohn Fridolin Müller, hier wird (en Travestie „Ich bin die Lillli vom Ballett“) aus den Frauengemächern entführt und geheiratet. Alles trifft sich in der Schweiz im Hotel „Zu den drei Flitterwochen“ wieder, wo sich alle Konflikte in Wohlgefallen auflösen. Die Frage des Schleiers und der Verheiratung, könnte man sicherlich etwas zuspitzen, doch Regisseur Leonard Prinsloo entschließt sich, einfach ohne Aktualisierungen die Operette spielen zu lassen, was ich persönlich auch für den richtigen Weg halte, denn die durch die westliche Brille gesehenen Kritiken an der orientalischen Lebensweise sind ja so oder so enthalten. Mit wenig wird hier ganz viel erreicht, denn Su Pitzek benötigt für ihr Bühnenbild lediglich ein paar verschiebbare Elemente und Treppen und ein paar weiße Vorhänge, die durch Variation und die geschmackvolle Verwendung von Prospektionen absolut ausreichen. Die Handlung wurde in die Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts verlegt, was prima funktioniert, Barbara Häusl hat dazu ganz reizende Kostüme entworfen. Lediglich eine Straffung des Textes in dritten Akt und die Vorstellung wäre wirklich perfekt gewesen.

Kommen wir zum Musikalischen: Eine Aufführung steht und fällt mit dem Tenor, denn der Achmed Bey ist gesanglich eine der schwierigsten Operettenpartien für Tenor, viel Gesang, teilweise sehr hoch gelegen, eine diffizile Gestaltung zwischen sensibel und Macho, jede Menge toller Nummern vom titelgebenden „O, Rose von Stambul“, über die stilistisch reizenden „Euch ihr Frauen gilt meine Serenade“ bis zum chansonhaften „Zwei Augen, die gehen mir nicht aus dem Sinn“, opernhafte Aufschwünge in den grandiosen Finali des ersten und zweiten Aktes. Dazu gibt es zwei große Querschnitte mit dem legendären Fritz Wunderlich, der das sensationell perfekt singt, wer das gehört hat, vergisst es nicht. Also eine eigentlich unüberwindbare Hürde für jeden Nachfolger in dieser Partie. In Ischl konnte man für den Achmed Bey den gestandenen Tenor Alexandru Badea gewinnen, der , um es vorweg zu nehmen, nicht schaffte dieses Vorbild zu überwinden. Doch sich mit großem Respekt seine Meriten verdiente, denn es gelang ihm sowohl den charakterlichen Zwiespalt der Figur sympathisch auf die Bühne zu bringen, ebenso wie seine schier unausschöpfliche Höhenstamina beeindruckt, eine wirklich überzeugende Leistung. Ihm zur Seite die entzückend jugendliche Kondja Gül von Sieglinde Feldhofer, absolut glaubhaft in ihren Nöten mit strahlendem Sopranklang als emanzipierte Türkin, ganz herrlich das Duett „Ein Walzer muß es sein“ ebenso ihr chorumrahmtes Auftrittslied und die folgenden Auseinandersetzungen mit dem ungewollt Geliebten. Süperb auch das spritzige Buffopaar von Ilia Vierlinger , ebenfalls eine Prachtsoubrette, wie des in Ischl bewährten Thomas Zisterer, besser kann man das nicht machen. Tomaz Kovacic als Kamek Pascha und Gerhard Balluch als Müller Senior wußten ebenfalls den Affen Zucker zu geben. Dazu wieder einmal der prächtige Chor in vielen toll besetzten Solorollen, besonders die beiden Damen in der gesanglichen Einleitung des ersten Aktes wußten vokal zu beeindrucken. So geht Operette! Natürlich mit dem ebenso differentiert aufspielenden Franz Lehàr-Orchester unter der fachkundigen Leitung von Marius Burkert, der heute schon als einer der führenden Dirigenten für das Genre Operette gezählt werden muß, doch an seinem Grazer Stammhaus auch mit anderen Aufgaben punkten kann. Um es noch einmal zu wiederholen: So, geht Operette !!! Für die Theatermacher: geht endlich ran an den „Fall“, es lohnt sich !

Martin Freitag 3.9.16

Fotos: Siehe unten bei der Erstbesprechung